Großmarkthalle: Münchens Neu-Markt
Die Stadt will eine neue Großmarkthalle bauen. Wenn auch der Viehhof umzieht, werden große Areale frei und verkauft. Wer das alles bezahlen soll, weiß aber noch keiner, denn es gibt noch keine Kostenberechnung.
MÜNCHEN Es gibt nur grobe Vorstellungen von einem Plan, es gibt keine Analyse, was gebraucht wird, es gibt keine Kostenberechnung und nicht den Hauch einer Vorstellung davon, wie das auf 100 bis 200 Millionen Euro geschätzte Projekt jemals bezahlt werden soll. Dennoch beschloss der Kommunalausschuss des Stadtrats gestern, einen neuen Großmarkt an alter Stelle zu bauen. Was in der aufgeregten Stadtratssitzung stutzig machte: Der Chef der Markthallen, Rainer Hechinger, kam nicht zur Sitzung und schickte seinen (kompetenten) Stellvertreter Alexander Pircher.
Im November 2008 berichtete die AZ exklusiv, wie marode die Großmarkthallen sind. Ein halbes Jahr später belegte ein deprimierendes Gutachten, wie heruntergekommen die Anlage im Detail ist. Vielen Stadträten war das angeblich neu. Doch Stadtrat Hans Podiuk (CSU) konnte sich gestern daran erinnern: „Das wird dem Kommunalausschuss seit 1985 von allen Werkleitern gesagt.“ Jetzt wird es brenzlig, denn der Kernbereich wird ohne grundlegende Sanierung spätestens 2014 geschlossen: Weil zum Teil die Statik gefährdet ist und der Brandschutz nicht eingehalten wird.
Die Kämmerei ist der größte Kritiker des Projekts. Kämmerer Ernst Wolowicz (SPD) will schon jetzt wissen was es kostet, wer es bezahlt und wie die Händler an der Finanzierung beteiligt werden. Denn es sei keine städtische Pflichtaufgabe, für sie einen Markt zu bauen.
Die SPD wollte gestern erst ein Nutzerbedarfsprogramm und erst danach im Stadtrat entscheiden. Sie wurde überstimmt.
Der grobe Plan: Auf dem heutigen Großparkplatz für Lkw an der Schäftlarnstraße soll zwischen den sechs bestehenden kleinen Lagerhallen inklusive des Blumenmarktes eine neue Großmarkthalle gebaut werden. Wie groß die wird, muss erst noch berechnet werden. Das hängt vom Bedarf der Händler ab. 53 Millionen Euro könnte die kosten, hat die Beratungsfirma Deloitte & Touche in einer Markthallen-Konzeptstudie angegeben. Dieser Bereich würde dann der neue Großmarkt. Das Ganze bekäme auch einen neuen Namen: „Lebensmittel-Frische-Zentrum“.
Wenn die Planungen zügig laufen, können die Pläne in einem Jahr vorliegen, schätzt Markt-Vize Alexander Pircher. Der Bau würde zwei bis drei Jahre dauern. Danach könnten die Händler in einem Zug umziehen, und es gibt keinen Leerlauf.
Der heutige Bereich des Großmarktes wird dann frei. Die denkmalgeschützte Halle 1 muss stehen bleiben. Die abgewirtschafteten Hallen 2 bis 6 daneben werden abgerissen. An dieser Stelle kann ein neuer Viehhof gebaut werden. Die Stadt kann dann das alte Viehhofgelände auf der anderen Seite der Bahn gewinnbringend verkaufen. 35 Millionen Euro könnte das einbringen, schätzt die Beratungsfirma Deloitte & Touche. Das könnte 2015 möglich sein.
Noch einmal sechs Millionen Euro könnte der Verkauf der ehemaligen Sortieranlage einbringen. „Es gibt schon viele Interessenten, die sich auf dem frei werdenden Markt-Gelände ansiedeln wollen“, so Kommunalreferentin Gabriele Friderich (Grüne). Das seien Lebensmittel verarbeitende Firmen und Gastro-Service-Unternehmen.
Und wer zahlt? Das ist die zentrale Frage. Die Verkaufserlöse werden nicht reichen. Die Mieten und Pachten werden erhöht. Aber das ist zuwenig. Es ist auch möglich, dass Händler für den Innenausbau ihrer Halle selbst bezahlen. Die hätten schon Bereitschaft signalisiert.
Und wie geht es jetzt weiter? Mit externen Beratern werden ein Bedarfsprogramm entwickelt, die Kosten berechnet und eine Finanzierung auf die Beine gestellt. Dann wird geprüft, wie das gesamte Areal verdichtet und verkauft werden kann.
Auch die vier kleinen Märkte müssen saniert werden
Der Großmarkt in Sendling ist lange nicht das einzige Markt-Sorgenkind der Stadt. Die vier ständigen Märkte müssen auch dringend saniert werden. Da geht es nicht nur um den Viktualienmarkt, er ist nur der spektakulärste. Betroffen sind auch der Pasinger Viktualienmarkt, der Elisabethmarkt in Schwabing und der Markt am Wiener Platz in Haidhausen. In einer Information für den Stadtrat heißt es unverhohlen: „Alle vier Märkte können inzwischen nicht mehr den aktuellen Anforderungen an Hygiene, Brandschutz, Warenpräsentation und Warenschutz, Arbeits- und Gesundheitsschutz, Logistik und Infrastruktur gerecht werden. Besonders problematisch ist die Situation bei den Ständen und Händlern, die Lebensmittel tierischen Ursprungsverkaufen.“ Stadtrat und Viktualienmarkt-Metzger Georg Schlagbauer merkte an: „Die Lebensmittel kommen sicher in den Verkehr.“ Um alle vier Märkte zu modernisieren, hat der Stadtrat wie berichtet im April einen Architektenwettbewerb ausgeschrieben. Das wird dauern. Die ersten Ergebnisse werden im Spätherbst diesen Jahres vorgestellt. Darauf aufbauend werden in einer zweiten Phase Zukunftskonzepte entwickelt. Die sollen im Mai 2011 vorgelegt werden. Erst danach wird der Stadtrat beschließen, was getan wird.
Willi Bock
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