Großer E-Bike-Test in München: Ist dieses Luxus-Radl etwas für Autofahrer?
München - Wenn das alte Fahrrad defekt oder geklaut ist, stellt sich beim Neukauf mittlerweile die Systemfrage: Muskelkraft pur oder doch elektrische Unterstützung? Münchens Berge sind zwar nicht hoch. Wer aber auf dem Weg zur Arbeit täglich zweimal das Isarhochufer überwinden muss, denkt womöglich doch über ein technologisches Update nach. Ein Blick auf eine Karte zeigt auch, dass das scheinbar so flache Münchner Stadtgebiet nach Süden deutlich ansteigt, was man durchaus in den Beinen spüren kann.
AZ-E-Bike-Test: Über Berge und beim Pendeln
Ich habe mehrere Wochen lang ein E-Bike getestet, das der AZ im Vorfeld der E-Bike-Days im Olympiapark zur Verfügung gestellt wurde. Es handelte sich um ein robustes Modell des taiwanesischen Herstellers Giant.

Mir persönlich wäre der Preis von fast 6000 Euro zu hoch. Dafür bietet das Rad aber zusätzlich zu den gängigen Stufen der Tretkraftverstärkung zwischen Eco und Power auch noch eine intelligente Automatik, einen verschleißfreien Carbonriemen statt einer Kette, ein sehr helles Fernlicht, eine nahezu perfekte Vollfederung und einen Hebel, mit dem sich der Sattel beim Warten an der Ampel absenken lässt.
Ich habe schon zuvor gelegentlich ein eher simples E-Bike genutzt, das die Quartiersgenossenschaft meines Viertels über einen Carsharing-Anbieter verleiht. Das scheint mir – nebenbei bemerkt – ein Modell zu sein, das ich einem Kauf eher vorziehen würde.
Obacht beim schnellen Fahren mit dem E-Bike: Der Bremsweg wird länger
Als gelegentlicher Nutzer wusste ich daher bereits: E-Bikes werden rasch schnell, auch wenn der Motor oberhalb von 25 Stundenkilometern seine Unterstützung beendet. Tatsächlich bin ich aber fast immer mit der Höchstgeschwindigkeit gefahren, weil es erst dann richtig Spaß macht: Auch Radler verhalten sich im Zweifel wie Autofahrer.
Dabei sollte man die Physik im Auge behalten: Die höhere Geschwindigkeit ergibt einen längeren Bremsweg. Im dichten Münchner Stadtverkehr ist eine erhöhte Aufmerksamkeit erforderlich. Eine kritische Situation hatte ich allerdings nur einmal: mit einem E-Roller, der plötzlich in den Fahrradweg hineingrätschte.
E-Bike im Alltagstest: Wo kann man es sorglos hinstellen?
Ich fahre normalerweise mit einem klassischen Tourenrad oder drei Stationen mit der Tram zur nächsten U-Bahn. Da würde ich ein E-Bike aus Sicherheitsgründen lieber nicht abstellen. Daher bin ich die verbleibenden 10 km zur AZ-Redaktion gleich weitergefahren und jedes Mal schneller als mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
Die Durchquerung der Innenstadt von Ost nach West bleibt vor allem im Stachus-Umfeld und im Bahnhofsviertel problematisch. Aber dafür kann das Fahrrad ja nichts.
Der Hersteller bezeichnet das Giant Stormguard als "SUV unter den E-Bikes". Das sieht man dem Rad durchaus an und das sagt etwas über die mögliche Zielgruppe aus: Menschen im besten Alter. Und auch über das Gewicht von 30 Kilo. Ich nehme hin und wieder mein Fahrrad in der U-Bahn mit. Mit dem E-Bike kann man das vergessen, weil sich 30 Kilo nicht einfach über eine Treppe hochtragen lassen.

Das Giant Stormguard ist zwar kein Mountainbike, aber es eignet sich wegen seiner Federung auch für robustere Ausfahrten. Ich hatte das Fahrrad im Zug dabei, um vom Bahnhof Klais über Elmau zum kürzlich abgerissenen Berggasthof Eckbauer auf 1237 Meter hochzufahren. Für den sensationellen Ausblick auf den Wetterstein musste ich in Garmisch beim Umsteigen in den Zug nach Mittenwald innerhalb von vier Minuten den Bahnsteig wechseln: Ohne funktionierende Aufzüge wäre das schwierig geworden.
Souverän auf Forststraßen und im Alltagsverkehr unterwegs
Die 300 Höhenmeter auf teilweise schlammigen Forststraßen zum Eckbauer meisterte das robuste Rad souverän, die steile Abfahrt über das idyllische Bergdorf Wamberg ebenfalls. Allerdings ist der Stromverbrauch hoch, wenn man es bequem haben will. Ich habe 70 weitere Kilometer mit einer halben Walchensee-Umrundung und der Weiterfahrt durch die Jachenau nach Lenggries problemlos geschafft - trotz permanentem Gegenwind.
Unter optimalen Bedingungen sind wohl bis zu 200 km Reichweite drin. Für Langstrecken müsste man das ziemlich schwere Ladegerät mitnehmen, weil sich die verschiedenen E-Bike-Hersteller bisher nicht auf einheitliche Stecker geeinigt haben.
Den beträchtlichen Fahrspaß in der Stadt mindern einige Kleinigkeiten: Für die üblichen Fahrradständer sind die Reifen zu breit. Sicher anschließen – mit dem Schloss durch das Hinterrad und den Rahmen – lässt sich das Rad nur an den neuerdings üblichen Bügeln.


Auch auf den in neueren Fahrradkellern und einigen S-Bahnhöfen verbreiteten zweistöckigen Abstellanlagen mit herausziehbaren Schienen lässt sich das Rad nicht abstellen.
Wie diebstahlsicher ist so ein E-Bike?
Ich habe das Rad letztendlich zu Hause direkt vor der Wohnung an ein Geländer angeschlossen, weil ich der Tiefgarage wegen einiger Diebstähle in der Vergangenheit nicht traue.
Der verbreitete Fahrradcomputerklau ist bei diesem Modell nicht möglich: Der Monitor ist fest im Lenker verbaut. Allerdings wurde ich wegen eines anfangs noch nicht vorhandenen Kratzers den Eindruck nicht los, irgendjemand hätte sich während der Testzeit mit einem Schraubenzieher dennoch daran versucht...
Das Fazit: Fahrspaß groß, Abstellen problematisch
Mein Fazit: Ich bin sehr gern mit dem Rad gefahren. E-Bikes sind eine ernsthafte, alltagstaugliche Alternative für den Weg zur Arbeit, auch bei leichtem Regen und Kälte. Das Abstellen bleibt problematisch. An der Isarphilharmonie und auf dem Marstallplatz hinter der Oper hätte ich keine Bedenken, das Deutsche Theater in der Schwanthalerstraße habe ich doch lieber mit öffentlichen Verkehrsmitteln besucht.
Für Einkäufe müsste man noch in Taschen investieren. Auch sonst lässt sich das Fahrrad aufrüsten: mit einer Ketten- statt einer Nabenschaltung, einem noch stärkeren Motor und so weiter. Aber dann nähert man sich noch weiter dem Preis eines (gebrauchten) Kleinwagens. Den für den Test zur Verfügung gestellten Helm werde ich übrigens behalten: Ich fühle mich damit auch auf dem normalen Rad sicherer.
E-Bike Days vom 26. bis 28. April im Olympiapark mit Teststrecken und einem Technikparcours.
Auf ebikedays.de kann man sich bereits für Testfahrten registrieren
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