Großdemo gegen CSU-Gesetz: "Angriff auf die Demokratie"
MÜNCHEN - Kundgebung mit Kampfansage: 2500 Münchner fordern Versammlungsfreiheit. Ein breites Bündnis will das geplante CSU-Gesetz mit vielen Großdemos bis zur Landtagswahl stoppen.
„Dieses Gesetz atmet den Geist des Obrigkeitsstaates“. Die Botschaft der bayerischen FDP-Landesvorsitzenden Sabine Leutheusser-Schnarrenberger war eine fulminante Kampfansage gegen „diesen fundamentalen Angriff auf unsere Demokratie“. Bei der ersten Großkundgebung gegen die „geplante Aushöhlung der Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit“ forderte die frühere Bundesjustizministerin am Samstag die CSU-Staatsregierung auf, „diesen verfassungswidrigen Entwurf zurückzuziehen“.
Der Protest war bunt, die Stimmung selbstbewusst und der Beifall groß: „Wir müssen den drohenden Wettlauf der Bundesländer um das grundrechtsfeindlichste Versammlungsrecht stoppen“, warnte die FDP-Spitzenfrau. Über 2500 Menschen demonstrierten trotz schönstem Badewetters über drei Stunden durch die Münchner Innenstadt – für die Veranstalter ein „voller Erfolg“. Die Bündnisbreite hatte Seltenheitswert: An der Spitze vereint liefen Sozialdemokraten, Grüne, Liberale, Kommunisten, Linke, Anwälte und Vertreter von antifaschistischen Gruppen sowie der Friedens, Umwelt- und Antikriegsbewegung – darunter auch der ehemalige KZ-Häftling Martin Löwenberg (83), der bis heute zur Zivilcourage und zur Verhinderung von Nazi-Aufmärschen aufruft.
„Die Einschränkung des Demonstrationsrechts behindert den Kampf gegen alte und neue Nazis“, ärgert sich der frühere Widerstandskämpfer über die Behauptung der CSU, das Gesetz richte sich gegen Rechte. Eindringlich warnte die Anwältin Angelika Lex, dass das Grundrecht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit kein „Gnadenakt“ sei , sondern die Voraussetzung für eine demokratische Gesellschaft. Das geplante „Polizei- und Zensurgesetz“ ermögliche die Überwachung aller Demonstranten, die Kriminalisierung von Veranstaltern und Ordnern sowie das Verbot unerwünschter Demonstrationen und Streiks.
Besonders Schüler, Studenten und autonome Gruppen waren stark vertreten: Hinter einem knallgelben Transparent mit der legendären Parole der schwarzen US-Bürgerrechtsbewegung „Black is beautiful!“ zeigten Hunderte in „modischem Schwarz“ ihre Ablehnung polizeilicher Kleidervorschriften durch das geplante „Militanzverbot“.
Am 21. Juni geht der Protest weiter: Dann will der DGB-Bayern mit breiter Unterstützung bis hin zum Bund Naturschutz mit einer Großdemo den Druck auf die CSU verstärken (11 Uhr, DGB-Haus). Und eine Woche vor der Landtagswahl soll eine Großdemo der CSU eine echte Wahlschlappe bereiten.
Michael Backmund
Die wichtigsten Punkte der Kritiker
Die CSU will das neue Gesetz Mitte Juli im Landtag beschließen: „Der Entwurf öffnet polizeilicher Willkür Tür und Tor“, lautet der Vorwurf der Opposition. Die wichtigsten Punkte der Kritiker:
Zukunft müssen Veranstalter umfangreiche Informationen zu allen Demoleitern und Ordnern bei den Behörden abliefern.
Versammlungsleiter würden so zu „Hilfspolizisten degradiert und bei Verstößen gegen ihre neue „Pflicht“ zur Zusammenarbeit mit der Polizei mit Geldbußen bis zu 3000 Euro oder Haft bis zu einem Jahr bedroht.
Das „Militanzverbot“ verbietet das Tragen einheitlicher Kleidung – das könnte streikende Gewerkschafter genauso treffen wie Gruppen mit gelben T-Shirts oder schwarzer Kleidung. Verboten sollen Demos dann sein, wenn der Polizeieinsatzleiter den „Eindruck von Gewaltbereitschaft“ hat oder eine „einschüchternde Wirkung“ zu erkennen glaubt. Damit sei das Verbot unerwünschter Demos vorprogrammiert, befürchtet Anwältin Angelika Lex.
„Die Speicherung von Bildaufzeichnungen schafft riesige Dateien zur Überwachung unliebsamer Personen“, warnt Verfassungsrichter Klaus Hahnzog.