Groß-Demo für Europa in München: Das müssen Sie wissen

München - Opa für Europa. Das steht auf dem Demoschild von Dieter Lücker. Warum der 77-jährige Münchner heute auf der Straße steht? "Na weil Europa unendlich wichtig ist", sagt der Rentner. Und wird konkreter: "Der Grenzschutz muss menschlicher werden. Und die Ressourcen mit Blick auf den Klimawandel geschützt werden!"
Dieter Lücker ist einer von Zehntausenden, die eine Woche vor der Europawahl in München demonstrieren. Laut Veranstalter haben sich 20.000 Menschen hier versammelt. Die Polizei, die selbst mit 450 Kräften vor Ort ist, spricht von einer "sehr friedlichen" Demonstration ohne große Vorfälle. Sie geht von 10.000 Teilnehmern aus.
Demonstrieren für ein demokratischeres Europa
Zu der Demonstrationen aufgerufen hat das breite Bündnis "Ein Europa für alle", das aus mehr als 50 Verbänden und Organisationen besteht – darunter Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen, Jugendbände sowie Organisationen für Bürgerrechte, Kultur und nachhaltige Landwirtschaft.
Und alle demonstrieren für ein gemeinsames Ziel: ein demokratischeres, friedlicheres und nachhaltigeres Europa. Das spiegelt sich auch auf den Bannern wider. "Menschenrechte für alle" steht auf einigen, "Frieden, Meinungsfreiheit und Solidarität" oder "kommt der Mut, geht der Hass" auf anderen.
Eine der ganz Mutigen ist Kathrin Schmitt. Der 35-Jährigen drohen 20 Jahre Haft, weil sie mit ihrer Organisation "Jugend rettet" 14.000 Geflüchtete in Seenot vor dem Ertrinken gerettet hat.
Bei der Demo auf dem Odeonsplatz steht sie als Rednerin auf der Bühne. "Das Mittelmeer ist die tödlichste Grenze der Welt", kritisiert sie die europäische Flüchtlingspolitik. Sie fordert: "Europa muss zu einem sicheren Anker werden." Kathrin Schmitt bekommt Bestätigung von den Münchnern – die Masse jubelt der Aktivistin zu.
Münchner setzen ein Zeichen auf dem Odeonsplatz
Gegen Diskriminierung und für mehr Solidarität plädiert auch Journalistin Laura Meschede als Rednerin auf der Bühne. Sie spricht sich gegen die Privatisierung - etwa von Schulen, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen - aus. Und dafür, dass all diese Einrichtungen wieder in die Hand der Gesellschaft gelangen müssen.
Sie sagt, dass man für ein stärkeres Europa nicht nur gegen Nationalismus, sondern auch gegen Antifeminismus vorgehen müsse. Simon Strohmenger vom Landesverband Bayern "Mehr Demokratie" fasst zusammen: "Es wird Zeit für ein Europa von unten." Aber er vermutet auch: "Das zu schaffen, wird nicht leicht."
Ein Blick auf den vollen Odeonsplatz, auf all die Menschen, die hier zwar friedlich, aber mit ganz konkreten Forderungen und Vorstellungen demonstrieren, lässt hoffen. Und dass Europa-Politik nicht nur etwas für Erwachsene ist, zeigt Chidi Njoku (11). Mit bestimmter Stimme nennt die junge Münchnerin den Grund, warum sie hier ist: "Wenn andere ausgegrenzt werden, dann finde ich das einfach blöd."
AZ-Umfrage: Warum gehen Sie für Europa auf die Straße?

Annabell Dorn (27): "Wir demonstrieren für ein gemeinsamen Europa und wollen ein Mit- statt ein Gegeneinander."
Thomas Schätzle (25): "Dazu gehört auch, sich wieder auf Augenhöhe mit denen zu unterhalten, die anderer Meinung sind. Was das Ergebnis der Wahl kommenden Sonntag angeht, bin ich leider pessimistisch – so schön die Demo am Odeonsplatz ist."

Christa Hornung (71): "Ich sorge mich vor allem um soziale Gerechtigkeit. Kritisch sehe ich die hohen Mieten und die Ungerechtigkeiten, die im Gesundheitswesen herrschen. Eben Themen, die auch für uns Rentner unheimlich wichtig sind. Für die Demonstration habe ich mich extra schick gemacht – und mir eine neue Sonnenbrille gekauft."

Mechthild Hommel (59): "Ich komme von den Tutzinger Missions-Benedektinerinnen und mir fällt schon seit längerer Zeit die negative Stimmung von rechts auf, die sich gegen Geflüchtete richtet. Wir müssen gemeinsam für ein Europa arbeiten, dass sich nicht nur für Geflüchtete einsetzt, sondern auch für all diejenigen, die in dem Bereich helfen."

Renate Rassmann-Njoku: "Ich demonstriere hier mit Freunden. Da ich selbst in der Flüchtlingsarbeit tätig war, hat mich besonders die Rede von Aktivistin Kathrin Schmitt bewegt, die von der Seenotrettung erzählt hat und der jetzt 20 Jahre Gefängnis drohen. Dass Europa nach rechts abdriftet, müssen wir dringend verhindern."
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