Interview

Gremiums-Chef des Münchner Seniorenbeirats: "Wir haben noch viel zu tun"

Der Historiker, Buchautor und frühere SPD-Stadtrat Reinhard Bauer (71) führt den Münchner Seniorenbeirat seit 2018 - und tritt erneut zur Wahl an.
Irene Kleber |
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Reinhard Bauer, der in der Lerchenau wohnt, verbringt als Seniorenbeirats-Chef auch viel Zeit in der Geschäftsstelle in der Burgstraße. Jetzt wirbt er um Kandidaten.
Reinhard Bauer, der in der Lerchenau wohnt, verbringt als Seniorenbeirats-Chef auch viel Zeit in der Geschäftsstelle in der Burgstraße. Jetzt wirbt er um Kandidaten. © Daniel von Loeper

Bis zum 28. Februar können sich 60-plus- Münchner als Kandidaten für den Seniorenbeirat bewerben. Was machen die Vertreter der rund 348.000 Älteren in der Stadt? Ein Gespräch mit dem Gremiums-Chef.

Welche Sorgen haben die 348.000 Älteren in München? Wo brauchen sie Unterstützung, wie lässt sich das Stadtleben schöner für sie gestalten? Mit solchen Fragen befassen sich seit 1978 die ehrenamtliche Seniorenvertretung und der übergeordnete (kleinere) Seniorenbeirat, die den Stadtrat beraten und alle vier Jahre neu gewählt werden.

Jeder Stadtbezirk schickt dabei mehrere Frauen und Männer aus dem Viertel in die Senioren-Lobby. Für die nächste Wahl können sich bis 28. Februar Kandidatinnen und Kandidaten bewerben, die über 60 Jahre alt sind. Was genau machen Seniorenvertreter? Wie viel Zeit erfordert dieses Ehrenamt? Und was hat das Gremium in der letzten Amtszeit erreicht? Die AZ hat den aktuellen Seniorenbeirats-Chef Reinhard Bauer gefragt.

AZ: Herr Bauer, Sie führen den Seniorenbeirat jetzt seit vier Jahren. Was treibt Sie an? Zu entscheiden hat Ihr Gremium ja nichts.
REINHARD BAUER: Das stimmt, aber wir haben mit den Seniorenvertretern das Ohr an den Sorgen der älteren Bürger in der Stadt, und wir tragen diese Sorgen an den Stadtrat heran und beraten ihn, wie sich das Leben der Senioren verbessern kann.

Hasenbergl bekommt ein ASZ

Was ist Ihnen gelungen in den letzten Jahren?
Wir haben zum Beispiel immer darauf gedrungen, dass in jeden Stadtbezirk ein Alten- und Service-Zentrum kommt, denn die ASZ bieten ja fast alles an, was ältere Menschen an Beratung und Hilfe brauchen. Jetzt bekommt das Hasenbergl als letztes Viertel ein ASZ. Das freut mich sehr. Als Nächstes wären dann die neuen Viertel Prinz-Eugen-Park und Freikam dran. Wir haben auch erreicht, dass in allen ASZ Mittagessen angeboten werden, die für Bedürftige kostenlos sind. Dass dort geimpft wird und Smartphone-Kurse stattfinden. Ein besonderes Anliegen war uns, dass im Lockdown Altenheime wieder geöffnet wurden. Solche Dinge.

Ihre Mitstreiter im Seniorenbeirat, sind das alles ehemalige Fachleute?
Wir haben Fachleute, aber nicht nur. Es gibt Ärzte und Krankenschwestern, die sich mit Gesundheitsthemen beschäftigen, wir haben Professoren und Feuerwehrleute, Menschen aus der Kultur, Mitarbeiter, die sich mit Verkehrsthemen auskennen. Auch Spezialisten für Trickbetrug und einen ehemaligen Polizeipräsidenten von Hamburg. Man muss aber nicht Fach- oder Führungskraft gewesen sein, um mitzumachen. Wir nehmen jeden auf, der bereit ist, sich für Ältere zu engagieren, damit die Lebensqualität der Senioren in München erhalten bleibt. Wichtig wäre, dass auch Menschen ihre Interessen vertreten, die nicht die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Auch sie sind hier wahlberechtigt und für sie sind sechs Plätze reserviert.

"Buslinien und Kioske - das klingt nach wenig, ist vor Ort aber wichtig"

Wie läuft die Arbeit praktisch ab?
Der engere Seniorenbeirat, in dem aus jedem Viertel ein Beirat oder eine Beirätin sitzt, trifft sich ein Mal im Monat zur Plenumssitzung im Rathaus, das dauert zwei, drei Stunden. Da besprechen wir aktuelle Themen und Stadtratsvorlagen, die ältere Menschen betreffen.

Sie laden da auch Vertreter der Stadt ein, richtig?
Ja, Bürgermeister, Referatsleiter oder auch mal den MVG-Chef. Wir tragen dann vor, dass eine Buslinie nicht fährt, wie sie soll, dass ein Wartehäuschen Sitzplätze braucht, ein Zugang nicht barrierefrei ist, oder dass wir nicht wollen, dass ein Kiosk abgebaut wird. Das klingt nach Kleinigkeiten, vieles ist aber vor Ort für die Bürger wichtig. Beim Kiosk am Westkreuz, den die MVG abbauen wollte, konnte das verhindert werden.

Wenn es um Post- oder Bankfilialen oder herumliegende E-Roller von Privatfirmen geht, sind Sie aber machtlos.
Ja, da erreichen wir leider gar nichts. Da hat ja auch die Stadt keinen Einfluss. Besser läuft es bei Themen, die das städtische Sozial-, Gesundheits-, Bau- oder Kreisverwaltungsreferat betreffen. Wenn wir Vertreter in unsere Fachausschüsse laden, beziehen sie das, was wir ihnen raten, in ihre Beschlussfassungen für den Stadtrat ein.

Wie oft treffen sich die Seniorenvertreter der einzelnen Viertel, und was machen sie?
Im Stadtteil trifft man sich mindestens zwei bis vier Mal im Jahr, um die Themen des Viertels zu besprechen. Wie die Kollegen ihre Arbeit darüber hinaus gestalten, wie viel Zeit sie investieren, das hängt von ihnen selber ab.

Wie schaut das konkret aus?
Manche Kollegen bieten selber Beratungssprechstunden an, etwa zum Thema Altersarmut, zu Pflege oder Miete, da gibt es ja immer mehr Sorgen unter Rentnern. Oder sie bieten Computerkurse an. Andere organisieren Ausstellungen, Vorträge, Altenheimbesuche, knüpfen Kontakte zu Kindergärten, damit Senioren und Kinder etwas gemeinsam veranstalten. Manche unterstützen die Nachbarschaftshilfe, helfen bei Erledigungen oder bei der Postdurchsicht. Da sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt.

Nach der Einwohnerzahl in den Vierteln können 186 Aktive in die Seniorenvertretung gewählt werden. Aktuell sind aber nur 158 im Amt. Warum?
Wir sind mit 170 gestartet nach der letzten Wahl. Einige sind weggezogen oder haben das Amt aufgegeben, manche sind auch gestorben. Es sind also viele Plätze zu besetzen. Wir müssen jetzt etliche neue engagierte Leute gewinnen.

In welchen Vierteln fehlt es besonders an Mitmachwilligen?
In der Altstadt, der Ludwigs-/Isarvorstadt und dem Westend - schon deshalb, weil dort weniger Rentner leben, da spüren wir die Verdrängung der Alten durch die Gentrifizierung. Auch in Schwabing mangelt es.

Und am Stadtrand, wie in Feldmoching, wo Sie wohnen?
Bei mir im Viertel läuft es gut, weil ich viele direkt anspreche. Wir sollten acht Plätze besetzen, dafür werden wohl acht bis zehn Leute kandidieren. Das ist gut, denn wir haben noch viel zu tun.


186 aktive Ruheständler gesucht

Mehr als 348.000 Menschen in München sind 60 Jahre oder älter. Für sie gibt es in jedem der 25 Stadtbezirke mehrere gewählte ehrenamtliche Seniorenvertreter (ein Vertreter pro 2000 60-plus-Einwohner im Viertel). Aktuell besteht die Seniorenvertretung aus 158 Männern und Frauen. Der Kandidat oder die Kandidatin, der oder die im eigenem Stadtbezirk die meisten Wählerstimmen bekommen hat, wird Mitglied des Seniorenbeirats - das ist das zentrale Beratungs- und Beschlussorgan der Seniorenvertretung. Vertreter und Beiräte werden jeweils für vier Jahre gewählt, die nächste Wahl findet am 26. Juni statt, wahlberechtigt sind dann alle Münchner über 60 Jahren. Der aktuelle Seniorenbeirat hat 27 Mitglieder (25 aus den Stadtbezirken plus zwei mit ausländischer Nationalität). Vorsitzender ist Reinhard Bauer. Dazu gibt es mit Irmtraud Nies, Gerhard Krug und Ingrid Seyfarth-Metzger drei Stellvertreter.

Mitglieder des Seniorenbeirats erhalten pauschal eine monatliche Aufwandsentschädigung von rund 100 Euro, dazu gibt es rund 70 Euro pro Sitzung (je nach Art der Sitzung variiert dieser Betrag).

Sie möchten kandidieren? So bewerben Sie sich

Bis 28. Februar können sich Kandidatinnen und Kandidaten für die Wahl zur Seniorenvertretung bewerben. Stadtweit können 186 Personen in 25 Stadtbezirken gewählt werden. Die Wahlperiode dauert vier Jahre und beginnt im September 2022.

Kandidieren kann jeder, der bis zum Wahltag (26. Juni) 60 Jahre alt ist und bis dahin mindestens ein halbes Jahr seinen Hauptwohnsitz in München hat (also seit 26. Dezember 2021). Auch Bürger ohne deutschen Pass können kandidieren. Die Kandidatur gilt für den Münchner Stadtbezirk, in dem man gemeldet ist. Wer zum ersten Mal kandidiert, braucht zuvor zehn Unterstützer-Unterschriften aus dem eigenen Stadtbezirk. Der Kandidat, der im Stadtbezirk die meisten Wählerstimmen bekommt, wird Mitglied im Seniorenbeirat. Zusätzlich werden bis zu sechs ausländische Seniorinnen und Senioren ins Gremium gewählt.

Hier gibt's Bewerbungsunterlagen:

  • Sozialreferat Abteilung Altenhilfe und Pflege, St.-Martin-Straße 53, Infothek im EG, Mo-Fr, 9 bis 15 Uhr
  • Geschäftsstelle des Seniorenbeirats Burgstraße 4, Zimmer 105, Mo-Do, 9 bis 15 Uhr, Tel.: 233-211 66 und 233-211 67 
  • in allen Alten- und Service-Zentren (www.muenchen.de/asz)
  • in der Stadtinformation im Rathaus am Marienplatz.

Der Wahlvorschlag kann per Post geschickt werden an:

  • Geschäftsstelle des Seniorenbeirats, Burgstraße 4, 80331 München, Zimmer 105
  • Sozialreferat, Abteilung Altenhilfe und Pflege, St.-Martin-Straße 53, 81669 München.

Der Wahlvorschlag kann auch persönlich abgegeben werden in der Geschäftsstelle des Seniorenbeirats, Burgstraße 4, Zimmer 105, Mo- Do, 9 bis 15 Uhr.

Die Unterlagen müssen spätestens am 28. Februar um 24 Uhr vorliegen. Achtung: Der Poststempel gilt nicht. Am 28. Februar besteht zudem die Möglichkeit, die Unterlagen in den Sonderbriefkasten im Rathaus (Rathauspforte am Marienplatz, Eingang Fischbrunnen) bis 24 Uhr einzuwerfen.

Weitere Informationen zur Kandidatur finden Sie hier.

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