Gourmet-Agent Winkler: Die Lizenz zum Testen
Fraß oder Festschmaus? Der Sternekoch isst in einer Münchner Mensa - und fällt ein überraschendes Urteil.
Die geheime Mission des Heinz Winkler ist gescheitert. Der Sternekoch sollte für die Abendzeitung die Mensa an der Arcisstraße testen. Unauffällig rein. Essen. Raus. Urteil. Fertig. Das war der Plan. Ein schlechter Plan.
Winkler gabelt ein Stück Schwein auf, schiebt es in seinen Mund, kaut und tut dann das, was er am besten kann: Er schmeckt. Schweigend. Mit vollem Mund spricht er nicht. Er könnte sein eigenes Wort ohnehin nicht hören bei all dem Gequassel um ihn herum: Da ist der Küchenchef, ein offenkundiger Winkler-Anhänger, der selig lächelt und viel redet, aber wenig sagt. Da ist die Presse-Dame des Studentenwerks, die erregt über den Finanzierungsplan des Jahres 2007 referiert. Und da ist die Fotografin, die sich auf einen Stuhl gestellt hat und auf ein Lächeln des Sternekochs wartet. Die Studenten schauen neugierig über ihre Tabletts. Winkler beißt in eine Krokette.
Der 59-Jährige kennt das Gefühl, im Mittelpunkt zu stehen. Er hat jede Auszeichnung abgeräumt, die ein Koch bekommen kann. Mit 14 Jahren begann er seine Lehre. Mit 31 erkochte er sich seinen ersten Stern, jünger als je ein anderer Koch. Heute hat er drei Sterne – mehr geht nicht. Als erster Koch Deutschlands erhielt er das Bundesverdienstkreuz. Wenn es so etwas gibt wie den deutschen König des Kochens, heißt er Heinz Winkler.
Aber in einer Uni war er noch nie. Und in einer Kantine hat er nur einmal essen müssen: bei einem Besuch bei der Bundeswehr. Und so spießt er den Gurkensalat mit konzentriertem Blick auf. Denn wenn Winkler etwas macht, macht er es richtig.
Vor ihm auf dem Tisch steht ein Plastiktablett mit verschiedenen Fächern. Darin liegt ein halb aufgegessenes Schweinesteak in brauner Soße, Kroketten, Brokkoli und Gurkensalat. Winkler öffnet dem Mund, das Gequassel verstummt: „Gut“, sagt er.
Der Küchenchef strahlt. Die Presse-Dame auch. Was für ein Lob! Die Fotografin drückt auf den Auslöser. Natürlich ist das Essen nicht perfekt. Winkler findet das Schnitzel zu trocken, „paniert bliebe es saftiger“. Die Soße wäre mit etwas Chili „aufregender“. Die Kroketten sind zwar nicht kross („das sind sie nur kurz nach dem Frittieren“), aber okay. Der Gurkensalat schmeckt, nun ja, „nach Gurkensalat“. Und der Brokkoli ist nicht al dente, aber „Brokkoli ist immer zu hart oder zu weich“.
Kein Urteil – eher ein Verteidigungplädoyer. Winkler bleibt mild, denn er weiß, wie schwierig es ist, für viele Menschen zu kochen. In sein Restaurant kommen 90 Gäste an einem Abend. Hier in der Mensa können es 3500 Studenten in drei Stunden sein. „Dass die das überhaupt hinbekommen, verdient Respekt.“
Winkler isst sein Schwein weiter und betrachtet die Mensa: den schwarzen Gummi-Fußboden, die nackten Betonpfeiler, die weißen Tische aus Spanplatten. Das gefällt ihm nicht. „Da müsste mal ein wenig Helligkeit rein.“
Die Fotografin will noch ein Bild. Sie bittet Winkler, sich neben zwei Studentinnen zu setzen. Der Sternekoch fängt sofort an, mit den Mädels zu plaudern. Die Fotografin seufzt. „Mann, kann der nicht mal in die Kamera lächeln?“
Läuft halt nicht immer alles nach Plan.
Takis Würger
Heinz Winkler und seine Residenz
Heinz Winkler ist ein deutscher Spitzenkoch. Er ist in Brixen in Südtirol auf einem Bauernhof aufgewachsen. Mit sieben kam er von zu Hause fort, mit acht trieb er Schafe auf die Berge. Mit 14 begann er eine Lehre als Koch. Seitdem schwingt er den Kochlöffel. Von 1979 bis 1991 war Winkler Küchenchef im Münchner Restaurant Tantris. Dort bekam er mit 31 Jahren seinen ersten Stern verliehen, als jüngster Koch aller Zeiten. Seit 1991 ist Heinz Winkler Inhaber und Küchenchef des Hotels „Residenz Heinz Winkler“ in Aschau im Chiemgau in der Nähe des Chiemsees.
Residenz Heinz Winkler, Kirchplatz 1, 83229 Aschau, Tel: 08052/1799; 8 Gänge kosten ca. 158 Euro