Glockenbach: Der Stadtrat kickt die Bolzplatz-Pläne

Die städtische Wohnungsgesellschaft sollte den Spielplatz bebauen. Dann regt sich Protest – und plötzlich sind alle Parteien dafür, den Plan zu überdenken    
von  Thomas Gautier und Rudolf Huber

Die städtische Wohnungsgesellschaft GWG sollte den Spielplatz bebauen. Dann regt sich Protest, es kommt zur Demo – und plötzlich sind alle Parteien dafür, den Plan zu überdenken

Isarvorstadt - Der Fußball schaut nicht gut aus. Dicke Strahlen dringen aus dem Leder. Man sieht: Den zerreißt’s gleich. Ein Ball wird zur Bombe – so drastisch stellt es ein Plakat an der Glockenbachwerkstatt in der Blumenstraße dar. Das Bild passt perfekt:

Der Streit um den bedrohten Bolzplatz in der Corneliusstraße ist wirklich explosiv. Am Montag demonstrierten Hunderte gegen die Pläne, ihn abzureißen. Seit kurzem plädieren auch die OB-Kandidaten der Grünen und der CSU, Sabine Nallinger und Josef Schmid, für den Erhalt. Aus dem Bolzplatz ist ein Politikum geworden.

Und plötzlich entschärft die SPD den Streit – sie legt die Abrisspläne einfach auf Eis!

Am Montagnachmittag erreicht die AZ den SPD-OB-Kandidaten Dieter Reiter am Telefon. Er habe sich in Sachen Bolzplatz gerade mit Oberbürgermeister Christian Ude beraten, sagt Reiter. Ergebnis des Gesprächs: Beide schlagen vor, die Pläne des Kommunalreferats noch einmal zu überprüfen.

Diesen Donnerstag sollte der Kommunalausschuss eigentlich darüber entscheiden, ob das Gelände an die GWG verkauft wird. Bei einem Ja hätte die städtische Wohnungsgesellschaft hier alles abgerissen und 20 neue, geförderte Wohnungen für 5,2 Millionen Euro gebaut – dafür hätte der Bolzplatz weichen müssen.

Jetzt sollen diese Pläne auf den Prüfstand. Praktisch heißt das: Ein Stadtrat reicht am Donnerstag im Ausschuss einen Antrag ein, der eine neue Prüfung verlangt. Kommunal- und Planungsreferat rechnen dann noch einmal durch, „wie eine Planung mit und ohne Bolzplatz“ aussähe, sagt Reiter. „Ich denke: Umsetzbar wären beide Varianten“.

Damit reagiert die SPD auf die wachsende Kritik von allen Seiten: Am Montag hatten 600 betroffene Eltern, Kinder und Unterstützer auf einer Demo gegen die Pläne der Stadt protestiert. Mit dabei: Fußballegende Paul Breitner. Am Dienstag um 15.30 Uhr haben die Sportfreunde Stiller ein Konzert in der Glockenbachwerkstatt angekündigt – gemeinsam mit „Blumentopf“-Rapper Florian Schuster und Kabarettist Dieter Hildebrandt.

Seit einigen Tagen machten sich auch Sabine Nallinger und Josef Schmid für den Bolzplatz stark. Die grüne OB-Kandidatin Sabine Nallinger forderte eben die neue Prüfung, die die SPD jetzt anbietet. Und CSU-OB-Kandidat Josef Schmid hielt die Freispielfläche für „unabdingbar notwendig“. Gerade wegen des Baus von familiengerechten Wohnungen gebe es einen zusätzlichen Bedarf an Spiel- und Freiflächen in diesem dicht bebauten Innenstadtbereich, schrieb er in einem Stadtratsantrag. Dafür müsse man eben auf ein paar neue Wohnungen verzichten.

Dass sich so viele Menschen für den Bolzplatz stark machen, habe ihn „überrascht“, gesteht Dieter Reiter der AZ. Der Protest sei „fast eine Bewegung“, doch „wenn die Bürger sich beteiligen, dann muss man das annehmen.“ Der Stadtrat brauche aber erst einmal eine „vernünftige Basis“ für eine neue Entscheidung – deshalb die neue Prüfung.

Die Münchner müssten sich aber auch grundsätzlich darüber Gedanken machen, was ihnen wichtiger sei, sagt Reiter – wollen sie neuen, bezahlbaren Wohnraum oder mehr Freizeitmöglichkeiten für die Kinder? „Niemand will den Kindern den ihren zustehenden Freiraum wegnehmen“, sagt Dieter Reiter. Die Frage aber sei hier: „Wie viele Quadratmeter sozialen Wohnungsbau müssen wir für den Bolzplatz opfern?“

Das wird eine Prüfung zeigen. Bis dahin heißt es wohl: Der Bolzplatz bleibt.

 

 

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