Gleisausbau im Osten von München: Stadt wehrt sich gegen hohe Lärmschutzwände

Die Bahn will im Osten von München Gleise ausbauen. Als Lärmschutz sollen sechs Meter hohe Wände dienen. Die Stadt wehrt sich gegen diese Pläne.
von  Christina Hertel
Ein Bahnübergang in Daglfing. Der Zugverkehr vor Ort – vor allem der Güterverkehr – ist immer wieder Anlass für Unruhe im Viertel.
Ein Bahnübergang in Daglfing. Der Zugverkehr vor Ort – vor allem der Güterverkehr – ist immer wieder Anlass für Unruhe im Viertel. © imago

München – Mehr als 2,5 Millionen Lkw fahren jedes Jahr auf der Autobahn über den Brenner Richtung Italien oder zurück. Hintereinander gereiht würde das eine Schlange ergeben, die sich mehr als einmal um den Äquator erstreckt. Das hat die Deutsche Bahn ausgerechnet. Sie will diesen Verkehr zwischen München und Verona von der Straße auf die Schiene bringen.

Im Norden beginnt die neue Strecke in Trudering, in einem Wohngebiet. Die Bahngleise sollen dafür viergleisig ausgebaut werden. Die Anwohner fürchten schon lange den Lärm und die Erschütterungen der Güterzüge, die mit 100 Stundenkilometern an ihren Häusern vorbei fahren sollen.
Die Stadt dringt deshalb auf einen guten Lärmschutz. Zustimmen will das Rathaus dem Projekt nur, wenn die Bahn die Gleise unter die Erde in einen Tunnel verlegt.

Doch viel ausrichten konnte die Stadt bislang nicht. Statt einem Tunnel will die Bahn Lärmschutzwände bauen. Doch jetzt will das Rathaus einen neuen Anlauf starten und erwirken, dass sich das Parlament in Berlin noch einmal mit dem Bahnprojekt beschäftigt. Denn es gibt neue Details zu den verschiedenen Varianten.

Gleisausbau und Lärmschutzwände in München: Situation für Anwohner soll verbessert werden

Die Deutsche Bahn hat Anfang des Jahres ihre "Feinvariantenuntersuchung" abgeschlossen. Das Planungsreferat hat die Ergebnisse inzwischen geprüft. So geht es aus einem Entwurf einer Beschlussvorlage aus dem Referat hervor. Darin schlägt Planungsreferentin Elisabeth Merk (parteilos) unter anderem vor, dass sich Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) an sämtliche Bundestagsabgeordnete aus dem Raum München wenden soll, um sich weiterhin gegen den ebenerdigen Ausbau zu wehren.

Grundsätzlich möglich ist laut der Unterlage aus Sicht der Bahn sowohl der Ausbau an der Oberfläche als auch der Tunnel. Beide Varianten würden der Bahn zufolge die Situation für die Anwohner verbessern – schließlich gibt es bislang gar keinen Lärmschutz. Doch fest steht auch: Wenn der viergleisige Ausbau an der Oberfläche kommt, wird der Münchner Osten an dieser Stelle sicherlich kein Schmuckstück mehr: Auf freier Strecke wäre die Trasse dann 28 Meter breit, an den Stationen zirka 33,4 Meter.

Zwischen zwei und sechs Meter hohe Schallschutzwände würden nicht nur neben den Gleisen, sondern auch zwischen ihnen errichtet – und zwar auf einer Länge von 4,5 Kilometern Länge. Ein Tunnel würde sich dagegen über eine Länge von ungefähr 2,6 Kilometern erstrecken. Lärmschutzwände erfordert die Tunnelvariante nur vor und hinter dem Eingang auf einer Länge von insgesamt etwa 1,7 Kilometern, schreibt das Planungsreferat.

München: 741 Millionen Euro und sechs Jahre Bauzeit für die Wände

Die exakten Kosten nennt die Bahn bislang nicht. Grob ist wohl mit 741 Millionen für den Ausbau an der Oberfläche und 1,77 Milliarden für den Tunnel zu rechnen. Allerdings stammen diese Zahlen aus dem Jahr 2022. Hinzu kommt zudem ein Risikoaufschlag, dessen Höhe noch nicht bekannt ist. Und folgende Bauzeiten veranschlagt die Deutsche Bahn: 13,5 Jahre für den Tunnel und sechs Jahre für den ebenerdigen Ausbau. Der Verkehrsexperte der SPD-Fraktion Nikolaus Gradl bezweifelt allerdings, dass der Ausbau mit den Schallschutzmauern wirklich so viel schneller geht. Hält die Deutsche Bahn daran fest, kann er sich vorstellen, dass die Stadt Klage erhebt.

Schließlich habe sie Nachteile, sollte der Tunnel nicht kommen. Zum Beispiel plant München bei der Trasse in Daglfing ein großes Neubaugebiet. Mit einem Tunnel könnte die Stadt näher an die S-Bahn-Gleise heranbauen, sagt Gradl. Auch das Planungsreferat befürchtet, so geht es aus dem Beschlussentwurf hervor, "eine enorme Trennwirkung", ein "Zusammenwachsen der bestehenden Stadtviertel mit den Neubauquartieren" werde verhindert.

Außerdem hält auch das Planungsreferat die Absage der Bahn an einen Tunnel für ungerecht: Schließlich sollen im Inntal 38 Kilometer der 54 Kilometer langen Strecke in Tunneln geführt werden. Auch zwischen Erlangen und Nürnberg wird ein 7,5 Kilometer langer Tunnel gebaut.

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