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Glatteis in München: OB Dieter Reiter greift wieder zu umstrittener Methode – Naturschützer sind empört

Nach dem Schnee vom Wochenende sind viele Rad- und Gehwege in München vereist. Nun hat OB Dieter Reiter reagiert und das Salzverbot vorerst aufgehoben. Der BUND übt daran scharfe Kritik.
Jan Krattiger
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Ein Radfahrer mit einem Kind im Kindersitz fährt bei Winterwetter auf einem Radweg – der für die Verhältnisse dieser Tage in der Stadt fast noch gute Bedingungen bietet.
Ein Radfahrer mit einem Kind im Kindersitz fährt bei Winterwetter auf einem Radweg – der für die Verhältnisse dieser Tage in der Stadt fast noch gute Bedingungen bietet. © dpa

München - Nach fünf Tagen Eisesglätte auf den Münchner Rad- und Gehwegen hat es dem Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) offenbar gereicht: Wie er am Donnerstag mitteilte, hat er per dringlicher Anordnung den Einsatz von Streusalz auch abseits von Fahrbahnen für Autos erlaubt.

Das gilt vorerst bis zur nächsten Stadtrats-Vollversammlung am 31. Januar. Ihn hätten dazu "viele besorgte Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern erreicht", so Reiter. Er habe deshalb entschieden, dass "dort, wo ein sicheres Fortkommen für die Menschen nur mit dem Einsatz von Streusalz gewährleistet werden kann, notfalls auch Streusalz verwendet werden kann".

In München werden diesen Winter zum zweiten Mal Geh- und Radwege gesalzen

Das bedeutet: Anlieger dürfen dort Streusalz verwenden, wo sie für die Räumung verantwortlich sind. Und die Straßenreinigung soll "soweit erforderlich" alle Geh- und Radwege im Vollanschlussgebiet mit Streusalz behandeln.

Worauf Reiter auch hinweist: Es ist bereits das zweite Mal, dass er quasi per Befehl das Salzen anordnet, zuletzt war das Anfang Dezember der Fall. Der Stadtrat habe es bisher nicht gewollt, "in extremen Einzelfällen" den Einsatz von Salz zu erlauben – schon in der Dezember-Sitzung im Stadtrat hat Reiter das deutlich kritisiert.

Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hat das Salzen in München erlaubt.
Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hat das Salzen in München erlaubt. © imago

Der OB möchte deshalb das zuständige Baureferat erneut auffordern, dies in eine nächste Vorlage mitaufzunehmen, damit die Fachbehörde selber entscheiden könne und "kein unnötiger Zeitverlust entsteht". Das Baureferat bestätigt auf Anfrage, dass es das Thema einbringen, allerdings nicht der Stadtratsbefassung vorgreifen möchte.

Salzen in München auf Rad- und Gehwegen erlaubt: Naturschützer kritisieren OB-Entscheid

Diesen Entscheid des Oberbürgermeisters kritisieren nun die Naturschützer des BUND München mit harschen Worten: "Anstatt ordentlich und rechtzeitig zu räumen und auf umweltschonende Methoden zu setzen, verfügt der Münchner OB zum zweiten Mal, das Salzen auf Münchens Straßen und Wegen zu erlauben", so Martin Thür vom BUND München in einer Mitteilung am Montag.

Man sei "einigermaßen entsetzt über die Haltung des Oberbürgermeisters, der sich eine freiere Handhabe wünscht", so Thür. Es liege am "Timing und an den Prioritäten beim Winterdienst", wenn Fußgänger und Radfahrer mit Eisplatten zu kämpfen hätten.

Der BUND erinnert an den Grund, warum das Salzen eigentlich verboten ist: Es ist giftig für Pflanzen und Tiere, dies ließe sich entlang der besonders gesalzenen Autobahnen gut beobachten. Vielleicht habe man auch einfach verlernt, dass im Winter ein "verändertes Mobilitätsverhalten erforderlich" sei. Radfahrer sollten auf der Straße statt auf den Radwegen fahren und Fußgänger "so wie das früher üblich war" Spikes auf den Schuhen tragen. 

Vergangene Woche haben Radaktivisten und auch die Rathaus-Opposition CSU mit deutlicher Kritik ihrem Ärger über den mangelhaften Räumdienst Luft gemacht.

CSU-Stadträtin Sabine Bär: "Absolutes Muss, Radwege zu räumen"

Es sei ein "absolutes Muss, Radwege zu räumen", sagt CSU-Stadträtin Sabine Bär auf AZ-Anfrage. "Man kann noch so viele Millionen für neue Radwege ausgeben, wenn man sie im Winter nicht räumt, riskiert man das Leben der Münchner Bürger, das ist fahrlässig."

Bär betont außerdem, dass das nicht nur für den Winter, sondern auch für den Herbst gelte, wenn die vielen Blätter auf den Radwegen oft eine Gefahr darstellen können.

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Schneereste frieren über Nacht wieder fest: Gefährliche Eisflächen bilden sich

Andreas Schön vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) München ist zu jeder Jahreszeit mit dem Fahrrad unterwegs und kennt darum die Probleme mit der Räumstrategie, die die Stadt anwendet. So werden die Rad- und Fußgängerwege zwar auch wie jetzt nach dem Schneewochenende rasch geräumt und oft auch großzügig mit Split behandelt. Sie sind dann aber nicht komplett frei von Schnee, so dass die Reste über Nacht wieder anfrieren und so gefährliche Eisflächen und Spurrinnen zurückbleiben.

Der übrig gebliebene Rollsplit tut dann sein übriges, um eine Radfahrt schnell zur Rutschpartie werden zu lassen. Mit den Methoden, die die Stadt aktuell einsetzt, könne es aber kaum besser werden. "Das ist ein strukturelles Problem", sagt er. Das heißt konkret: Die Stadt müsste laut Schön entweder mit Sole oder Salz großflächiger ran, so wie jetzt von OB Reiter dekretiert. Oder sie müsste nach der ersten Räumrunde den verbliebenen Schnee wegmachen, bevor er festfrieren kann, so wie man es jetzt stadtweit beobachten kann.

Baureferat in München: Nicht genug Personal im Einsatz

Dafür habe das zuständige Baureferat allerdings nicht genug Personal im Einsatz. Die Stadt habe sich vor einigen Jahren für die Minimalvariante entschieden beim Räumdienst der Radwege, so Schön. Wie das Baureferat auf AZ-Anfrage mitteilt, seien insgesamt jeweils "über 1000 Mitarbeitende und mehr als 600 Fahrzeuge" unterwegs.

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Es gebe aber keine gesonderte Auflistung, wie viele das jeweils für die Fahrbahnen, Rad- oder Gehwege sind. Nur so viel: "Die Anzahl der Räumeinsätze auf Radwegen liegt zum Teil 50 Prozent über der Anzahl der Räumeinsätze auf Fahrbahnen."

Was das grundsätzliche Problem beim aktuellen Winterdienst ist, wird auf der städtischen Meldeplattform "München unterwegs" deutlich. Dort heißt es auf den Hinweis eines Radfahrers auf einen vereisten Radweg, eine "restlose Beseitigung des Schnees" sei nicht möglich und es sei "unvermeidlich, dass eine Restschneedecke verbleibt". Diese könne auch durch weitere Räumeinsätze nicht beseitigt werden.

Und nun? Bereits im November hatte das Baureferat angekündigt, in zwei Pilotprojekten auf ausgewählten Fahrradstraßen zu salzen und dann auch neue Räumfahrzeuge zu testen. Die kommen allerdings frühestens nächsten Winter zum Einsatz.

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97 Kommentare
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  • Knoedel am 16.01.2024 20:01 Uhr / Bewertung:

    Wo ist das Problem beim Salzen?
    Salz ist vegan und nachhaltig.
    Somit sollte es unantastbar sein.

  • Wickie712 am 16.01.2024 17:17 Uhr / Bewertung:

    Ist doch BIO-Salz, also salzen. Wenn immer gesgat wird, dass die Straße gesalzen wird, dann fehlt ja der Radweg und Gehweg, schließlich sind es Bestandteile einer Straße.

    Pflanzen am Fahrbahnrand, wie Bäume, macht das Salz gar nichts aus. Auch nicht, wenn die Radwege gesalzen werden.
    Sooft wie der Räumdienst zum salzen über die Hauptstraßen fahren, da fallen die paar Radwege auch nicht auf.

  • Wolff am 16.01.2024 09:54 Uhr / Bewertung:

    Tja, liber BUND, wer ist denn dafür verantwortlich, dass nicht "ordentlich und rechtzeitig geräumt" wurde? Wer bestimmt denn in München? Ob das wohl die Grünen sind? Das kommt halt davon, wenn Leute ihren Job nicht machen können. Ich frage mich nur noch, ob der Verlust jeglichen gesunden Menschenverstands eine Voraussetzung oder eine Folge einer Beschäftigung in der Stadtverwaltung ist...

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