Giftalarm am Flughafen: 69 Mitarbeiter erkrankt

Mehrere Mitarbeiter der Sicherheitsfirma SGM landen sogar in Klinik. Schuld sind offenbar Sprengstoff-Suchgeräte: Sie dünsten Formaldehyd aus!
von  Nina Job
Für die Passagier- und Handgepäck-Kontrollen am Flughafen sind „Luftsicherheitsbeauftragte“ zuständig.
Für die Passagier- und Handgepäck-Kontrollen am Flughafen sind „Luftsicherheitsbeauftragte“ zuständig. © dpa

München - Am Flughafen München hat der Einsatz von neuen Kontrollgeräten für die Suche nach Sprengstoffrückständen offenbar zu einer Krankheitswelle beim Sicherheitspersonal geführt. Laut Regierung von Oberbayern haben 69 Mitarbeiter gesundheitliche Beschwerden gemeldet. Die Mitarbeiter klagten über Übelkeit, Schwindel, Atemwegsreizungen und Kopfschmerzen. Mehrere mussten sogar stationär im Krankenhaus behandelt werden. Mittlerweile wurden alle neuen Geräte stillgelegt.

Am 1. September ist eine neue EU-Regel in Kraft getreten, die für mehr Sicherheit im Flugverkehr sorgen soll. Sie besagt, dass das Handgepäck von Fluggästen nicht nur manuell nachkontrolliert werden kann, sondern auch mithilfe von Sprengstoffspürgeräten. Außerdem können Fluggäste stichprobenartig mit den Spürgeräten überprüft werden.

Die Sicherheitsgesellschaft am Flughafen München (SGM) mietete daraufhin 43 Geräte vom Typ „Quantum Sniffer QS-B220“ an. Dieses Gerät zeigt bereits geringe Spuren von Sprengstoff an. Außerdem erkennt es Drogen wie Koks, Heroin, LSD und Amphetamine. Der Sniffer analysiert sogenannte Wischproben, die vom Passagier oder von Gegenständen genommen werden. Ende August nahmen die SGM-Mitarbeiter die Geräte im Terminal I in Probebetrieb.

Doch schon kurz nach dem ersten Einsatz klagten die sogenannten Luftsicherheitsbeauftragten über Übelkeit, Schwindel und Kopfschmerzen. Auch am nächsten Tag wurde es nicht besser. Daraufhin wurden die Sniffer zunächst nicht mehr benutzt. Zum 1. September wurden sie allerdings erneut eingesetzt – und wieder klagte das Personal über Probleme.

Merkwürdig: Dieser Gerätetyp ist an zahlreichen anderen deutschen und europäischen Flughäfen im Einsatz. „Nach unseren Kenntnissen ist es sonst nirgendwo zu Problemen gekommen“, so Ines Schantz von der Regierung von Oberbayern.

Die SGM ließ die Geräte von der Flughafenfeuerwehr überprüfen, die aber keinen technischen Defekt feststellte. Schließlich untersuchte die Dekra zwei Geräte. Heraus kam, dass sie „bedenkliche Konzentrationen von flüchtigen organischen Verbindungen, insbesondere Formaldehyd, ausdünsten“, so die Sprecherin der Regierung von Oberbayern.

Die Sniffer wurden aus dem Verkehr gezogen, stattdessen andere Geräte vom Typ „Itemiser 4DX“ eingesetzt. Doch auch diese verursachten heftige gesundheitliche Probleme. Flughafen-Kontrolleure konnten nicht mehr weiterarbeiten. Mehrere wurden in die umliegenden Krankenhäuser nach Freising, Erding, Landshut und Pfaffenhofen gebracht.

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Dort wurden Vergiftungserscheinungen mit Hautausschlag und Zungenbläschen diagnostiziert. Einige der Betroffenen mussten sogar stationär im Krankenhaus bleiben. Am 29. September wurden schließlich auch diese Geräte stillgelegt – nachdem ein Mitglied des Betriebsrats einen Selbstversuch gewagt hatte und ebenfalls erkrankt war.

Bei einer Überprüfung eines Itemisers stellte sich heraus, dass er sich durch den Gebrauch überhitzt und verformt hatte. Schadstoffausdünstungen wurden nicht festgestellt. Weitere Untersuchungen wurden veranlasst.

SGM-Mitarbeiter vermuten nun, dass sie es übertrieben haben mit den Kontrollen. Statt nur stichprobenartig prüften sie jeden fünften bis zehnten Passagier auf Sprengstoff und Drogen. Die Geräte liefen fast ununterbrochen. Die Landshuter Staatsanwaltschaft ermittelt wegen eines Betriebsunfalls gegen Unbekannt.

Nina Job

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