Giesinger Messer-Mörder: Wer hat diesen Mann gesehen?
Mord in Giesing: Die Polizei fahndet nach ihrem Stalker – am Donnerstag um 10 Uhr hätte der Fall vor Gericht verhandelt werden sollen.
Seit Jahren lebte Tsin-ieh L. in ständiger Angst vor ihrem Ex-Freund. Roland B. terrorisierte die 45-Jährige trotz richterlicher Kontaktverbote über Jahre hinweg. Am Dienstagnachmittag tauchte er erneut bei der Architektin in Obergiesing auf und erstach sie im Hauseingang.
Roland B., ebenfalls ein Architekt, ist regelrecht besessen von der Vorstellung, seine Ex-Freundin eines Tages zurückzugewinnen. Heute hätte er sich erneut wegen Stalking vor dem Amtsgericht München verantworten müssen. Für 10 Uhr am Donnerstag ist der Prozess im Saal A 127 angesetzt. Doch der Platz auf der Anklagebank bleibt wohl leer.
Der Täter sticht mit einem langen Küchenmesser zu
Denn Roland B. ist seit der Bluttat auf der Flucht. "Er gilt als dringend tatverdächtig", sagt Kriminaloberrat Markus Kraus, Chef der Münchner Mordkommission.
B. hat laut Polizei am Dienstagnachmittag seine Ex-Freundin mit einer etwa 25 Zentimeter langen Klinge im Eingangsbereich eines Mietshauses in der Bayrischzeller Straße erstochen. Eine Nachbarin sieht den Mann davonlaufen. Das Messer wirft er in der Nähe des Hauses weg. Er rennt zur nahegelegenen U-Bahn Untersbergstraße. Dort verliert sich die Spur.
Die Polizei bittet um Hinweise. Zeugen, die Roland B. gesehen haben, sollen sich im Polizeipräsidium unter der Telefonnummer 089/29100 melden.
"Er hat die Trennung nie verwunden"
Nur knapp ein Jahr waren die beiden Architekten ein Paar. Dann gab Tsin-ieh L. ihm den Laufpass. Sechs Jahre liegt das zurück. Doch Roland B. ließ nicht locker. "Er hat die Trennung nie verwunden", sagt Kriminaloberrat Markus Kraus. Immer wieder stellt er ihr nach.
Die gebürtige Thailänderin erwirkt deshalb zwischen 2012 und 2014 vor Gericht gegen ihren Peiniger mehrere Kontaktverbote. Tsin-ieh L. zieht von Wolfratshausen nach München Obergiesing um. "Der 44-Jährige hielt sich zunächst an Auflagen", sagt Markus Kraus.
Doch dann spricht er die 45-Jährige auf der Straße an, entgegen den Auflagen. Er bittet um ein Gespräch. Die Architektin lehnt ab. Tsin-ieh L. flüchtet zu einer Freundin. Sie will nicht, dass der 45-Jährige ihre neue Adresse herausbekommt. Vergeblich.
Im August letzten Jahres taucht Roland B. plötzlich wieder auf
Ein paar Tage später steht Roland B. in der Bayrischzeller Straße. Er schleicht um das Mietshaus herum, in dem die 45-Jährige wohnt. Noch am selben Abend beginnt erneut der Telefonterror. Der Stalker ruft alle paar Minuten an. In den folgenden Tagen taucht er immer wieder bei der Architektin auf.
Ende August 2015 erwirkt Tsin-ieh L. beim Amtsgericht München ein weiteres Kontaktverbot. "Der 45-Jährige wurde wegen Verstoß gegen das Gewaltschutzgesetz zu einer Geldstrafe verurteilt", sagt Staatsanwalt Florian Weinzierl.
Das Gericht erlässt zudem die Auflage, dass der Stalker sich seinem Opfer oder dessen Wohnung nicht mehr als 100 Meter nähern dürfe. Zudem ist ihm der Kontakt beispielsweise über Telefon oder E-Mail untersagt. Allerdings befristet das Gericht das Kontaktverbot bis Februar 2016.
Verfolgt, Reifen zerstochen, Türschloss beschädigt
Roland B. verfolgt sein Opfer trotzdem weiter. Nur etwa zwei Wochen nach dem Urteil beginnt der Psychoterror von vorne. Er lauert seiner Ex-Freundin auf, wenn sie morgens das Haus verlässt, und ruft sie an manchen Tagen im Minutentakt an, oft bis tief in die Nacht.
Er geht ihr nach bis zur U-Bahn, verfolgt sie mit dem Radl. Manchmal schleicht er ihr sogar bis in den Supermarkt nach und ruft auch immer wieder bei ihr in der Arbeit an.
Jemand zersticht an Tsin-ieh L.s Rad die Reifen, das Schloss ihrer Wohnungstür wird mit Klebstoff sabotiert. Tsin-ieh L. erstattet schließlich Anzeige bei der Polizei gegen Unbekannt. "Es ist allerdings nicht nachgewiesen, dass der 45-Jährige dafür verantwortlich ist", sagt Markus Kraus.
Die Polizei war machtlos gegen den Stalker
Tsin-ieh L. holt sich Rat beim Kommissariat für Opferschutz. Polizisten besuchen Roland B. in seiner Wohnung und machen ihm unmissverständlich klar, dass er die 45-Jährige in Ruhe lassen müsse. Die Gefährderansprache, so der Fachbegriff, erfolgte im Herbst letzten Jahres, zeigt aber nicht viel Wirkung. Denn der Stalker macht einfach weiter.
Viel mehr können Polizei und Staatsanwaltschaft zum Schutz der Frau nicht tun. Es habe keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass es schon zu Gewaltanwendung gekommen sei, sagt Staatsanwalt Florian Weinzierl. Daher habe es auch keine Möglichkeit für einen Haftbefehl gegeben. "Wenn nichts passiert, ist es halt oftmals auch schwierig, was zu machen", so Markus Kraus.
In ihrer Verzweiflung bittet Tsin-ieh L. die Nachbarschaft um Hilfe. Im April verteilt die Architektin an ihre Nachbarn Handzettel, in denen sie darüber berichtet, dass sie bedrängt werde. Sie bittet eindringlich darum, die Eingangstür des Mietshauses geschlossen zu halten und ihr Bescheid zu sagen, wenn sich fremde Personen im Haus aufhalten.
Tsin-ieh L. hat gespürt, dass sie in Lebensgefahr schwebt, dass der Stalker ihr auflauern könnte.
Wer Angaben zum Aufenthaltsort des Tatverdächtigen oder sonstige Angaben zu seiner Person machen kann, wird gebeten sich mit dem Polizeipräsidium München unter 089 / 29 10 - 0 oder jeder anderen Polizeidienststelle in Verbindung zu setzen.