Gewaltexzess im U-Bahnhof – Hohe Haftstrafen nach 13 Jahren

MÜNCHEN - Mehr als 13 Jahre nach einem Gewaltexzess in einem Münchner U-Bahnhof sind zwei Männer wegen versuchten Mordes an einem Fahrgast zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden.
Das Münchner Landgericht verurteilte am Dienstag einen zur Tatzeit 18-Jährigen zu sieben Jahren Jugendstrafe und seinen knapp ein Jahr älteren Cousin zu fünf Jahren.
Die beiden Vettern hatten am 19. Juli 1996 mit einem schon früher verurteilten Freund einen jungen Schreiner niedergeprügelt und - getreten, weil er auf das Rauchverbot am Bahnsteig hingewiesen hatte. Der jüngere Angeklagte stieß dem Opfer ein Messer zehn Mal in den Oberkörper, wobei ein direkt aufs Herz gezielter Stich von der Brieftasche des damals 23 Jahre alten Opfers aufgehalten wurde.
Der Schreiner stürzte ins Gleisbett und konnte sich mit letzter Kraft auf den Bahnsteig hochziehen. Er musste mehrmals operiert werden und schwebte wochenlang in Lebensgefahr. Sein Blut habe mehrfach ausgetauscht werden müssen, schilderte die Vorsitzende Richterin Martina Köhler. Der Schreiner ist zu 60 Prozent schwerbehindert und zu 50 Prozent erwerbsvermindert.
Die beiden angeklagten Kosovo-Albaner entkamen damals in ihre Heimat. Sie wurden erst Dezember 2008 und im Herbst 2009 in der Schweiz und Italien festgenommen.
„Der Fall zeigt, dass es schon vor 13 Jahren Gewalttaten in der U- Bahn gab, wie sie heute Schlagzeilen machen“, sagte die Vorsitzende. Der Schreiner sei weitaus schwerer verletzt worden als der pensionierte Realschuldirektor, der Weihnachten 2007 in einem Münchner U-Bahnhof von zwei Heranwachsenden ebenfalls nach einer Ermahnung wegen des Rauchverbots mit Wucht gegen den Kopf getreten worden war. Die beiden Täter, die bundesweit als „U-Bahn-Schläger“ bekannt wurden, waren zu zwölf und achteinhalb Jahren Haft verurteilt worden.
Dass die jetzt angeklagten Schläger milder bestraft wurden, verdankten sie der Richterin zufolge dem Umstand, dass ihr Mittäter 1998 mit drei Jahren Jugendstrafe davon gekommen ist. Der Mazedonier hatte sich nach einem Jahr freiwillig gestellt. Im Prozess gegen die Cousins widersprach er als Zeuge deren Behauptung, sie hätten sich gegen einen Angriff des angeblich ausländerfeindlichen Schreiners gewehrt.
Das Urteil ging von niedrigen Beweggründen aus. Zwischen Anlass und Tat „bestand ein krasses Missverhältnis“, sagte die Richterin. Jugendrecht sei angewendet worden, weil nach übereinstimmender Einschätzung der Jugendgerichtshilfe und eines Psychiaters der Reifeprozess beider Angeklagten zur Tatzeit noch nicht abgeschlossen war. Das Urteil liegt um sechs und zwölf Monate unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Auf wesentlich mildere Strafen wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung plädierte die Verteidigung, die voraussichtlich Revision einlegen wird.
Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) begrüßte das Urteil. Die Entscheidung sei „ein wichtiges Signal in der Jugendgerichtsbarkeit“. Wenn sich Täter zunächst ihrer Strafe entzögen, bedeute das nicht, dass nicht später eine konsequente Sanktion erfolgen müsse. Gewaltbereiten jungen Menschen müsse deutlich vor Augen geführt werden, „dass Staat und Gesellschaft rigoros auf derart massive Grenzübertretungen reagieren“. Zuletzt sorgte der Fall Dominik Brunners für Schlagzeilen: Der Manager wurde im September am Münchner S-Bahnhof Solln von Jugendlichen zu Tode geprügelt, als er sich schützend vor vier Kinder stellte. Wegen versuchten Mordes müssen sich dieses Jahr in München außerdem drei Schüler aus der Schweiz verantworten, die im Sommer auf Klassenfahrt binnen einer halben Stunde fünf Menschen zusammengeschlagen hatten – sie wollten „ein bisschen Spaß“.
dpa