Gewalt gegen Homosexuelle: Münchens Schwule in Sorge

Die Zahl der Übergriffe auf Homosexuellenimmt zu – auch im Glockenbachviertel.Jetzt hat sich ein Aktionsbündnis gegründet,das gegen Diskriminierungen vorgehen will
MÜNCHEN Für Schwule und Lesben ist das Glockenbachviertel seit Jahren ein heimischer Hafen. Doch seit der Stadtteil mehr und mehr zur Partymeile mutiert ist, fühlen sich viele dort nicht mehr so wohl wie früher. Und vor allem: nicht mehr so sicher.
„In München erleben wir derzeit, dass im Kern der schwulen Szene, dem Glockenbachviertel, die Anzahl der verbalen und psychischen Übergriffe stark ansteigt“, sagt Christopher Knoll vom Sub, dem Schwulen Kommunikations- und Kulturzentrum. Früher sei das Viertel ein „Schutzraum für Schwule“ gewesen. „Viele haben das Gefühl, dass das nicht mehr so ist.“
Jetzt haben zahlreiche Verbände der Münchner Szene ein „Aktionsbündnis für Solidarität“ gegründet. Sie wollen auf Diskriminierungen aufmerksam machen und Übergriffe dokumentieren. Denn in der Kriminalstatistik ist laut Polizei „ein Recherche-Begriff wie homosexueller Hintergrund“ nicht zulässig – aus Datenschutzgründen.
Dafür sind vom Sub allein im vergangenen Jahr 61 Fälle von Gewalt gegen Homosexuelle registriert worden. Fälle wie der vor gut drei Wochen, als ein Mann in der Klenzestraße zuerst als „schwule Sau“ beschimpft und dann verprügelt wurde. „Wir haben das Gefühl, dass im Glockenbachviertel etwas umbricht“, sagt Knoll.
Auch bei der städtischen Koordinierungsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen beobachtet man, wie sich der Stadtteil verändert. „Das Sicherheitsgefühl der Szene im Glockenbachviertel hat abgenommen“, sagt Ulrike Mößbauer. Pöbeleien gegen Schwule und Lesben habe es zwar früher auch gegeben. „Aber es nimmt zu.“
Dietmar Holzapfel, Wirt der Deutschen Eiche, ist ein Urgestein der Szene. Er selbst ist zwar noch nicht schwulenfeindlich angegangen worden, hat in letzter Zeit aber häufiger von solchen Situationen gehört. Das Glockenbach sei eben der neue Kunstpark-Ost. „Da passiert es schon öfters, dass junge Leute vom Land, die nicht großstädtisch sozialisiert sind, Probleme damit haben, dass Schwule Hand in Hand gehen.“
Die veränderte Kneipen- und Besucherstruktur macht auch Bernd Müller, Chefredakteur vom Szene-Magazin Leo, dafür verantwortlich, dass sich das Klima geändert hat. „Wenn man Hand in Hand über die Müllerstraße geht, kostet das wieder Kraft.“ Das habe man in den letzten 20 bis 30 Jahren so nicht gekannt.
Bei Alexander Miklosy, dem zuständigen Bezirksausschuss-Chef, reichte es, dass er mit seinem Lebenspartner untergehakt ging. „Die blöden Schwuchteln“ mussten sich die beiden deshalb vor einiger Zeit anhören. „Es gibt Stimmen in der Szene, die sagen, dass sie sich nicht mehr so sicher und so wohl fühlen“, weiß auch Miklosy.
Was noch zusätzlich für Beunruhigung sorgt ist eine angebliche „Überfallserie“ auf Lokale im Viertel. Sub-Berater Christopher Knoll hat von insgesamt sieben Raubüberfällen beziehungsweise Einbruchsversuchen gehört. Die Polizei kann auf Nachfrage nur zwei davon bestätigen: einen brutalen Raub in der Colibri-Bar und einen Überfall in der Prince Bar. „Die Täter haben mich zusammengeschlagen“, erzählte ein Kellner (33) der AZ. „Ich hätte genauso gut tot hinterm Tresen liegen können.“ Die Polizei appelliert: Wer Opfer einer Straftat wurde, soll sich in jedem Fall an sie wenden. Auch wenn es um Beleidigungen geht. Nur so könnten Entwicklungen frühzeitig erkannt und auch darauf reagiert werden.
Julia Lenders, rah