Getränke in Münchner Supermärkten vergiftet: Angeklagte will sich nicht zu Vorwürfen äußern

München - "Laut, aufdringlich und unangenehm" – so beschreibt Luise T. (57, Name geändert) die Stimme in ihrem Kopf. Eine Stimme, die sich schadenfroh über ihr Unglück gefreut und gehöhnt habe: "Ich kann dich zum Mörder machen." Das hätte fast funktioniert. Die 57-Jährige soll laut Staatsanwalt Daniel Meindl im Frühling 2020 versucht haben, wahllos Menschen zu vergiften. Zu diesem Zweck habe sie sich im Internet mit Gamma-Butyrolacton (GBL), sogenannten K.-o.-Tropfen, versorgt.
Tödliche Dosis: Angeklagte versetzte Spezi-Flaschen mit GBL
Die auch als Liquid Ecstasy bezeichnete Flüssigkeit gab sie in Spezi-Flaschen, die sie dann in zwei Münchner Supermärkten ins Regal stellte. Es hätte also jeden Käufer der Getränke treffen können. Die Dosis des GBL war bei den Taten hoch genug, um zu töten. Zwei Frauen (34, 42) mussten behandelt werden. Auch einem 48-Jährigen soll es schlecht gegangen sein. Bei zwei vergifteten Flaschen ist noch unbekannt, wer sie gekauft hat.
Die Strafkammer des Landgerichts unter dem Vorsitz von Elisabeth Ehrl muss jetzt klären, ob die Frau dauerhaft in der Psychiatrie untergebracht werden muss. So wie es der Staatsanwalt in dem Sicherungsverfahren beantragt hat. Dafür hat sich das Gericht bis 10. Dezember Zeit genommen.
Vergiftete Getränke in Supermärkten: Angeklagte war bereits zweimal in der Psychiatrie
Ihre Mandantin werde keinerlei Angaben zur Sache machen, erklärt ihre Verteidigerin Birgit Schwerdt. Auch über ihr Motiv schweigt sich Luise T. deshalb beim Prozessauftakt am Dienstag aus. Nur einmal rutscht ihr zu den Taten doch eine Bemerkung heraus: "Ich bin sehr erschrocken über die Antragsschrift."
Weiß sie nicht, was sie getan hat? Die Frau war bereits einmal zwangsweise in die Psychiatrie eingewiesen worden, weil sie das Auto ihres Vaters mit einer Axt bearbeitet hatte. Sie erinnert sich nicht daran.
Zu ihrer Person gibt die 57-Jährige aber bereitwillig Auskunft. So berichtet sie von ihrer Schulzeit, ihrem Psychologiestudium und verschiedenen Auslandsaufenthalten unter anderem in den USA als Au-pair – und dass sie mit ihren Eltern kaum geredet habe.
Vater und Mutter starben vor drei beziehungsweise vier Jahren. Einer ihrer beiden Brüder sei zudem 2012 an Lungenkrebs gestorben. 2018 sei sie selber an Krebs erkrankt und operiert worden. Schizophrenie sei erstmals 1998 bei ihr diagnostiziert worden.
Hat die Angeklagte bereits 2018 Getränke vergiftet?
Dass die Frau im Juni 2020 gefasst werden konnte, ist auch einer Unvorsichtigkeit der 57-Jährigen zu verdanken. Nachdem sie die Flaschen im Regal abgestellt hatte, bezahlte sie bargeldlos mit EC-Karte. So fand die Polizei ihren Namen heraus. Dazu kam, dass sie an den Flaschen DNS-Spuren hinterlassen hatte.
Die Ermittler fanden zudem heraus, dass Luise T. für zwei andere Fälle verantwortlich sein könnte: 2018 soll sie bei einer Ausstellungseröffnung im Gasteig Apfelschorle vergiftet haben. Zwei sieben und zehn Jahre alte Kinder wurden bewusstlos, nachdem sie davon tranken. Sie werden als Nebenkläger in dem Prozess vertreten, müssen aber wohl nicht selber vor Gericht erscheinen.