"Es wird schlecht mit Patienten umgegangen": Revolution für ärztliche Versorgung in München?

Andere Städte machen es bereits vor. Nun will das "Gesundheitskollektiv" auch in München die ärztliche Versorgung verbessern. Das junge Kollektiv hat schon sehr konkrete Ideen, wie das hier aussehen könnte.
von  Jan Krattiger
Das Gesundheitskollektiv, eine Gruppe von Münchnerinnen und Münchnern, die das Gesundheitssystem verbessern wollen.
Das Gesundheitskollektiv, eine Gruppe von Münchnerinnen und Münchnern, die das Gesundheitssystem verbessern wollen. © Geko Muc

München - An einem kleinen Tisch im Baader Café trifft die AZ zwei Medizinstudentinnen mit großen Plänen: Viktoria Kranz (28) und Cosima Nather (24) sind beide Teil des Münchner Gesundheitskollektivs, das sich auf die Fahne geschrieben hat, das Gesundheitssystem zu verändern, weg davon, wie es sich jetzt zeigt, mit seinem Fokus auf Wirtschaftlichkeit und Effizienz.

Die Folge davon: "Es gibt krasse Hierarchien, oft ein schlechtes Arbeitsklima und es wird schlecht mit Patient:innen umgegangen", sagt Cosima Nather.

Neues Kollektiv aus München will Gesundheitszentrum für alle

Vor eineinhalb Jahren entstand die Idee, das Gesundheitskollektiv zu gründen. Impuls dafür war die "Kritische Medizin München", eine Gruppe von eher links orientierten Medizinstudenten, die seit rund fünf Jahren aktiv sind. Im letzten Sommer gründeten dann rund 15 Personen, neben (angehenden) Ärzten auch Informatiker, Juristen oder Psychotherapeuten, den Verein "Gesundheitskollektiv München".

Auch bei der Großdemo gegen rechts im Januar in München war das Gesundheitskollektiv dabei.
Auch bei der Großdemo gegen rechts im Januar in München war das Gesundheitskollektiv dabei. © Geko Muc

Der verfolgt ein ziemlich konkretes Ziel: Ein solidarisches Gesundheitszentrum für alle in einem Stadtviertel einzurichten, das medizinisch unterversorgt ist. In München zum Beispiel: das Hasenbergl oder Milbertshofen. Denn obwohl die ärztliche Versorgung stadtweit gesehen sehr gut ist, konzentriert sie sich auf die reicheren Viertel.

"Frage des Systems": So will dieses Kollektiv die ärztliche Versorgung in München revolutionieren

Das ist eine Frage des Systems, sagt Viktoria Kranz vom Kollektiv: "Die Art der ärztlichen Vergütung setzt Anreize dafür, in reichen Stadtteilen mit mäßig kranken Leuten zu arbeiten, die auch noch viel in Eigenleistung dazugeben."

Darum die Idee, in den unterversorgten Vierteln aktiv zu werden. Aber auch die Art der gesundheitlichen Versorgung will das Kollektiv neu denken: Weg vom Hausarzt, zu dem man tendenziell erst geht, wenn es schon ein bisschen zu spät ist, hin zum Gesundheitszentrum. "Die Idee ist, dass verschiedene Berufsgruppen unter einem Dach auf Augenhöhe zusammenarbeiten und jeder seine Stärken einbringen kann", sagt Kranz. Das komme den Patienten und den Mitarbeitern zugute.

Mit dazu sollen Angebote gehören, die man nicht direkt mit dem Arztbesuch verbindet. "Das könnte zum Beispiel ein Nachbarschaftscafé sein oder ein anderer Treffpunkt für den Austausch im Viertel", sagt Cosima Nather.

Ein Vorbild für München: Das "Geko" in Neukölln

Eines der Vorbilder ist das "Geko" in Neukölln, Berlin. Dieses Stadtteil-Gesundheitszentrum bietet neben allgemeinmedizinischer Versorgung, Beratung, Therapie, aber auch Nachbarschaftsprojekte und Sport- und Spielangebote. In Hamburg und Leipzig gibt es ebenfalls bereits solche von Vereinen getragenen, solidarisch organisierten Gesundheitszentren.

Tatsächlich findet man sogar in München Einrichtungen, die in die vom Gesundheitskollektiv verfolgte Richtung gehen: Im Hasenbergl und in Riem gibt es Gesundheitstreffs der Stadt, die vor allem beratend tätig sind.

Ein Anknüpfungspunkt für das Gesundheitskollektiv: "Mit dem Gesundheitstreff im Hasenbergl sind wir schon in Kontakt", sagt Cosima Nather. "Was uns da aber fehlt, ist die kassenärztliche Primärversorgung. Und wir würden das noch mehr mit Stadtteilarbeit verbinden."

Gesundheitskollektiv will jetzt Bedarf in München analysieren

Das Gesundheitskollektiv will mit seinem Vorhaben aber nicht sein "eigenes kleines Ding machen", wie Cosima Nather sagt. Sondern "zeigen, wie man Gesundheitsversorgung anders gestalten kann". Ebenfalls noch wichtig zu erwähnen: Das Kollektiv will mit einer Clearingstelle zusammenarbeiten, damit Menschen ohne Krankenversicherung behandelt werden können.

Als konkreten nächsten Schritt will das Gesundheitskollektiv jetzt erstmal ganz genau die Situation in München analysieren und schauen, wo der Bedarf nach einem solchen Gesundheitszentrum am höchsten ist. Bis die Utopie des Kollektivs vielleicht auch in München Wirklichkeit wird, braucht es noch einen langen Atem. Dessen sind sich Viktoria Kranz und Cosima Nather bewusst. Da hilft, dass es in anderen Städten bereits seit Jahren solche gibt - und die gut funktionieren und im Viertel gut ankommen.


Mehr Informationen zum Gesundheitskollektiv, seinen Plänen und Fördermitgliedschaften unter www.geko-muc.de

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