Gertraud Burkert: "Mir fehlen die Träume!"

Sie war im Rathaus beliebt und anerkannt – über die Fraktionsgrenzen hinweg. Doch 2005 musste Gertraud Burkert ihr Amt als Münchner Bürgermeisterin aus gesundheitlichen Gründen niederlegen. Die AZ hat nachgefragt, wie es ihr im Ruhestand geht.
von  Abendzeitung
Ein schöner Termin aus alten Zeiten: Gertraud Burkert, damals noch Bürgermeisterin, schmust ein Löwenbaby.
Ein schöner Termin aus alten Zeiten: Gertraud Burkert, damals noch Bürgermeisterin, schmust ein Löwenbaby. © Petra Schramek

Sie war im Rathaus beliebt und anerkannt – über die Fraktionsgrenzen hinweg. Doch 2005 musste Gertraud Burkert ihr Amt als Münchner Bürgermeisterin aus gesundheitlichen Gründen niederlegen. Die AZ hat nachgefragt, wie es ihr im Ruhestand geht.

AZ: Sie haben mal gesagt, Bürgermeisterin von München zu sein, ist der schönste Job der Welt – fehlt er Ihnen?

GERTRAUD BURKERT: Der Job fehlt mir nicht mehr, ich habe ihn ja zwölf Jahre lang ausüben dürfen. Am Schluss war ich so erschöpft, dass es schwer wurde, ihn richtig auszufüllen. Da war es an der Zeit aufzuhören – ohne Trauer. Was mir aber schon fehlt, sind die Träume davon, was man macht, wenn man im Ruhestand mehr Zeit hat. Und am Schluss stellt man fest, dass die nicht erfüllbar sind – das ist traurig.

Was waren das für Träume, die Sie begraben mussten?

Zum Beispiel, dass man im Ruhestand alle die Bücher liest, die man schon lange lesen wollte. Doch in Wirklichkeit wächst der Bücherberg weiter. Oder dass man mehr reist. Man hat letztlich einfach nicht so viel Zeit, wie man meinte zu haben. Ich verstehe das jetzt auch als Appell: Wenn jemand etwas dringend tun will, dann soll er es jetzt machen. Im Alter funktioniert das nicht mehr so.

Warum haben Sie denn so wenig Zeit?

Zum einen ist es natürlich so, dass man im Alter langsamer wird – und die Dinge vielleicht auch gründlicher macht. Dazu kommt, dass ich viele Ehrenämter behalten habe. Außerdem bin ich die Oma vom Dienst – ich habe fünf Enkel. Die zwei Jüngsten sind fast täglich bei uns. Da ist man ganz schön ausgelastet, auch wenn die Begegnung mit Kindern eine Bereicherung ist. Einen Traum habe ich mir aber doch verwirklicht: Mich mittags eine Stunde hinzulegen – das genieße ich sehr.

Sie haben 2005 aus gesundheitlichen Gründen Ihr Amt niedergelegt, nachdem Sie im Urlaub zusammengebrochen sind. Wie geht es Ihnen jetzt?

Es geht besser – einen 15-Stunden-Tag könnte ich aber nicht mehr hinlegen. Ich werde nächstes Jahr 70 - dass es mal hier weh tut und mal da ist wohl normal.

Hatten Sie damals vielleicht auch ein Burn-Out-Syndrom?

Die Herz-Probleme, wegen denen ich aufgehört habe, sind leider geblieben. Aber sie haben sich nicht verschlimmert. Da war schon dieses Gefühl, dass ich nicht mehr konnte. Ich weiß nicht, ob das ein Burn-Out ist. Wer weiß schon, was zuerst ist: die Henne oder das Ei.

Wie aktiv verfolgen Sie die Rathauspolitik noch?

Ich kann’s nicht lassen, den Münchner Teil der Zeitungen doch recht gründlich zu lesen. Und man fragt schon auch alte Kollegen nach ein paar Hintergrund-Infos. Aber ich will mich nicht einmischen. Es heißt nicht umsonst: Auch Ratschläge sind Schläge.

Interview: Julia Lenders

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