Gertis Kult-Lokal vor dem Aus!

Weil sich die Haus-Bewohner beschweren, wollen die Vermieter das Lokal loswerden. Chefin Gerti Guhl (64) will aber weitermachen. Einer ihrer Unterstützer: Regisseur Rosenmüller.
MÜNCHEN Für viele ist die „Fraunhofer Schoppenstube” eine Insel. Ein uriger, echter Rückzugsort mitten im sonst so durchgestylten München. Doch jetzt droht dem Nachtlokal, das selbst von der New York Times empfohlen wurde, das Aus. „SOS! Wir brauchen eure Hilfe!”, steht seit Ostermontag auf der Facebook-Seite der Kultstätte. 1973, also vor fast 40 Jahren, übernahm Gerti Guhl die Wirtschaft in der Fraunhofer Straße mit ihrem Mann Werner. Seit dessen Tod im Jahr 2007 ist sie die alleinige Chefin, das Herz und die Seele des Lokals. „Nun wollen die Vermieter ihr zum Ende des Jahres kündigen! Die Schoppenstube soll schließen”, ist auf der Internetseite zu lesen.
Gerti Guhl, fast 65 Jahre alt, ist traurig und wütend, als die AZ bei ihr anruft. „Mir geht’s schlecht”, sagt sie und ihre Stimme bricht. Schon sieben Monate nach dem Tod ihres Mannes hätten die Vermieter ihr die Kündigung nahegelegt, erzählt sie. Aber das kam für sie nicht in Frage. „Ich habe meinem Mann am Krankenbett doch versprochen, dass ich das Lokal in seinem Sinn weiterführe.”
Und das tat sie. Noch immer wird dort nachts gesungen. Noch immer fühlen sich der 93-jährige Stammgast bei ihr genau so wohl wie die jungen Nachtschwärmer.
Jahrelang sei nach dem ersten Vorstoß der Haus-Eigentümer Ruhe gewesen. Bis vor Weihnachten, als es wieder ein Gespräch mit dem Vermieter gab: „Er hat gesagt: ,Wir haben vor, das Lokal in ein Büro umzuwandeln’”, sagt die Vollblut-Wirtin. Im Mai oder Juni könnte die schriftliche Kündigung kommen, habe es geheißen.
Zuletzt klingelte das Telefon bei Gerti Guhl vorgestern, also am Ostermontag. Da wollte der Vermieter einen Termin für ein Treffen vereinbaren.
Seither ist sie in heller Aufregung: „Die nehmen mir mein Lebenselixier weg”, sagt sie. „Die reißen mir das Herz raus. Meine Gäste sind doch meine Großfamilie!”
Die – das ist ein Münchner Brüderpaar, das namentlich nicht in der Zeitung genannt werden will. Einer der Vermieter sagt der AZ am Telefon: „Die Leute, die drüber wohnen, beschweren sich dauernd bei uns.” Deshalb müssten sie jetzt durchgreifen. „Man hört’s im ganzen Haus.” Er nennt die Schoppenstube eine „Boazn”. Ob und wann die Kündigung kommt? „Wir verhandeln gerade”, bleibt er im Vagen, schickt aber hinterher: „Wir müssen jetzt handeln.”
Gerti Guhl kann das alles nicht verstehen. „Ich bemühe mich immer, dass es ruhig ist.” Das Lokal sei doch schon seit Jahrzehnten da. Die Bewohner hätten also immer gewusst, wer ihr Nachbar ist. „Ich möchte diesen lieben und schönen Ort erhalten.” Die Vermieter sollten doch eher stolz sein, „ein so tolles, international bekanntes Lokal im Haus zu haben.” Ein Lokal, dem gerade erst mit einem Dokumentarfilm im Kino ein Denkmal gesetzt wurde (AZ berichtete).
Einen Kompromiss könnte sie sich allerdings vorstellen. Das Ende am Ende des Jahres 2014. Dann könne sie in Rente gehen. „Und vorher noch 40-jähriges Jubiläum feiern.” An Unterstützern für ihre Sache mangelt es nicht. Auf Facebook formiert sich der Widerstand. Gäste planen erste Demos. Ihre Online-Kommentare reichen vom ungläubigen „Ja san die narrisch?” bis zum kämpferischen „Auf die Barrikaden, Leute!”
Prominenter Unterstützung darf sich Gerti gewiss sein. Regisseur Marcus H. Rosenmüller, der sein Diplom an der Filmhochschule bei ihr feierte, sieht das Ganze so: „Wenn die Schoppenstube geschlossen wird, wird nicht sie zu Grabe getragen, sondern mal wieder ein Stück von München.”