Gerichtsprozess: Drei Schüsse aus Eifersucht

Am Landgericht beginnt der Prozess gegen Hassan A. Er hatte den Freund seiner Frau attackiert.
Sophie Burfeind |
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Am Tattag bleibt das Gebiet um die Zentnerstraße stundenlang gesperrt.
Leserfoto 2 Am Tattag bleibt das Gebiet um die Zentnerstraße stundenlang gesperrt.
Hassan A. spricht mit seiner Verteidigerin Ricarda Lang. Er muss sich wegen versuchten Mordes vor Gericht verantworten.
Petra Schramek 2 Hassan A. spricht mit seiner Verteidigerin Ricarda Lang. Er muss sich wegen versuchten Mordes vor Gericht verantworten.

Irgendwann reicht es dem Staatsanwalt. Er steht auf und ruft: "Sie lügen uns die ganze Zeit an! Wenn Sie so weitermachen, sind Sie der erste Geschädigte mit vier Kugeln im Bauch, den ich festnehmen lassen muss." Dann zitiert er aus einem Chatprotokoll: Ich will ein Baby von dir! Ich liebe dich! Du bist die Liebe meines Lebens. Er schaut den Angeklagten an: "Und Sie wollen uns weismachen, dass Sie kein Liebespaar waren?"

Es ist der erste Prozesstag vor dem Landgericht, jeder Platz in dem kleinen Gerichtssaal ist besetzt. Es ist eine zähe Verhandlung, der Vorsitzende Richter muss seine Fragen an das Opfer manchmal sieben Mal wiederholen, der 25-jährige Kamil S. (Name geändert) antwortet jedes Mal anders. Nur in einem wiederholt er sich: Eine Liebesbeziehung mit seiner Nichte Lailan A. habe er nicht gehabt. "Wir sind doch verwandt".

Dabei war eben diese Liebesbeziehung des 25-Jährigen mit der gleichaltrigen Lailan A. der Auslöser für das Eifersuchtsdrama im vergangenen April – das er nur knapp überlebte.

Streit um Sorgerecht als Auslöser?

Aber von Anfang an. Es war der 19. April 2016, am Nachmittag traf der Angeklagte Hassan A. (42) in der Zentnerstraße auf den neuen Freund (und Onkel) seiner Frau Lailan A. Das Ehepaar lebte getrennt, beide hatten in der Straße zeitlich versetzt einen Termin bei einer Gutachterin. Es ging um das Sorgerecht der beiden Kinder, elf Monate und vier Jahre alt, die sich seit Dezember in der Obhut des Münchner Jugendamts befanden.

Schon bei dieser ersten Begegnung kam es zu einem Streit, der in einem Café fortgesetzt wurde. Nach einiger Zeit verließ Hassan A. das Café, um von sich zu Hause eine Waffe zu holen. "Die hatte ich mir gekauft, weil ich mich von ihm bedroht gefühlt habe", sagt R., der grinsend auf der Anklagebank sitzt. Kamil S. wartete im Café. "Ich habe auf einen Freund gewartet", sagt S., der einen sehr aufgewühlten Eindruck macht.

Als Hassan A. wieder zurück war, sah Kamil S. in seiner Jackentasche den Griff einer Pistole. Er geriet in Panik und schreibt eine SMS an Lailan A.: Ruf die Polizei! "Haben Sie die Pistole zufällig gesehen? Oder hat er Ihnen damit gedroht?" Es ist eine der Fragen, die der Richter ihm sieben Mal stellen muss, weil S. keine eindeutige Antwort gibt.

In der Zentnerstraße kommt es dann zur Schießerei: Hassan A. feuert dreimal auf den 24-Jährigen, der sich nur mit Glück aus der Schusslinie retten kann. Einer der Polizisten schießt A. anschließend ins Bein, dieser hält sich daraufhin die Waffe an den Kopf und droht mit Selbstmord. Erst drei Stunden später, gegen 21 Uhr, gelingt es einer Spezialeinheit, den Täter zu überwältigen und festzunehmen.

War es versuchter Mord oder versuchter Totschlag?

Dass Hassan A. versucht hat, den Freund seiner Frau zu töten, darüber muss nicht mehr verhandelt werden. Die Frage, um die es geht, lautet: War es versuchter Mord oder versuchter Totschlag? Mord bedeutet für den Angeklagten eine weitaus drastischere Strafe.

Dass es versuchter Totschlag war – also ein "harmloserer" Tötungsversuch –, will die Verteidigerin mit einer Aussage des Angeklagten betonen, die sie zu Beginn der Verhandlung vorliest. Hassan A. habe sich von S. bedroht gefühlt, der auch seine Frau bedroht habe. "Er hat gedroht, dass er sie umbringt." Er habe helfen wollen.

Kamil S. widerspricht und erzählt von seinen Verletzungen. Dass er die Schulter nicht mehr bewegen könne, dass er sich seit dem Vorfall kaum noch aus dem Haus traue.

Nachdem der Staatsanwalt ihm klargemacht hat, dass er sich strafbar mache, wenn er vor Gericht lügt, überlegt er es sich noch mal anders: "Ja, wir waren ein Liebespaar."

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