Geothermieanlage für München: Naturschutz oder Klimaschutz?

Beim Virginia Depot will die Stadt München eine Geothermie-Anlage bauen. Doch dort lebt eine bedrohte Eidechsenart. Der Stadtrat muss sich entscheiden.
von  Christina Hertel
In München sind Zauneidechsen vom Aussterben bedroht, mahnt der LBV. Darum müsse ihr Lebensraum am Virginia-Depot geschützt werden.
In München sind Zauneidechsen vom Aussterben bedroht, mahnt der LBV. Darum müsse ihr Lebensraum am Virginia-Depot geschützt werden. © Foto: Christian Stierstorfer, LBV

München - München will klimaneutral werden. Und München will das Grün in der Stadt schützen. Wie schwierig es ist, diese Ziele zu vereinbaren, zeigt die Debatte um das Virginia-Depot – ein Areal im Norden der Stadt, auf dem gefährdete Tierarten leben.

Und wo die Stadt auf einem südöstlichen Teilstück eine Geothermie-Anlage, eine Schule, eine Asylunterkunft und ein Gewerbegebiet bauen will.

Für unabhängige Wärmeversorgung: Acht Hektar des Biotops sollen bebaut werden

Bis Mitte der 90er Jahre hatte die Bundeswehr hier westlich der Schleißheimer Straße im Stadtteil Lerchenau ein Lager. Dann wurde es abgerissen. Doch das Gelände blieb umzäunt und so konnte sich die Natur die Fläche zurückerobern. Dieses 20 Hektar große Biotop darf nicht bebaut werden. Für einen acht Hektar großen Bereich südlich davon gilt das nicht. Und für dieses Areal macht die Stadt nun Pläne.

München will bei der Wärmeversorgung von Kohle und Gas unabhängiger werden. Dafür kann die Stadt auf einen "besonderen Bodenschatz" zurückgreifen: "Heißes Thermalwasser in bis zu 2.800 Metern Tiefe", heißt es in einer Beschlussvorlage aus dem Wirtschaftsreferat. Gemeint ist: Geothermie.

München: Heißes Thermalwasser soll Geothermie-Anlage rechtfertigen

Die Stadtwerke und BMW sicherten sich bereits vor Jahren vom Freistaat die Erlaubnis, im Münchner Norden nach der Tiefenwärme bohren zu dürfen. Die Unternehmen wollen dafür kooperieren. Das ehemalige Militärgelände Virginia-Depot sei dafür der einzige geeignete Standort im Norden, heißt es vom Wirtschaftsreferat.

Allerdings gibt es noch andere Gebäude, die die Stadt hier unterbringen will: eine Berufsschule für Kfz-Berufe mit Sportplatz, eine Unterkunft für Geflüchtete und neue Flächen für ein Unternehmen aus der Automobilbranche, das BMW beliefert. Seit fünf Jahren laufen die Gespräche, es gehe um rund 400 Arbeitsplätze, sagt Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner (CSU).

Statt Geothermie-Anlage: Grüne und SPD wollen die Zauneidechse retten

Und noch dazu leben im Süden des Geländes Zauneidechsen, die als besonders schützenswert gelten. Die Frage ist nun, wie die Stadt diese Bauten anordnet. Eigentlich soll der Stadtrat darüber diesen Mittwoch entscheiden. Doch voraussichtlich vertagt er die Entscheidung.

Denn die ÖDP wünscht sich mehr Bedenkzeit. Allerdings zeichnet sich bereits ab, dass Grüne und SPD auf die Gewerbeflächen verzichten und so die Zauneidechse schützen wollen – anders als es das Wirtschaftsreferat vorschlägt. In der Variante, die das Wirtschaftsreferat bevorzugt, würde der Lebensraum der Eidechse von dem Geothermiewerk und der Schule bebaut. Im Norden sollen sich das Gewerbe und die Asylunterkunft befinden.

Stadtwerke gegen Naturschützer: In allen Varianten müssen alle auf etwas verzichten

Die Stadtwerke fürchten bei dieser Lösung allerdings einen jahrelangen Rechtsstreit mit den Naturschützern, heißt es in den Unterlagen. Anders als in früheren Stellungnahmen sprechen sich die Stadtwerke deshalb dafür aus, das Bohrloch von der Energiezentrale räumlich zu trennen. Die Energiezentrale ist der Ort, wo die Wärme durch einen Wärmetauscher ans Fernwärmenetz abgegeben wird.

Sie soll in dieser Variante im Norden liegen – dort, wo eigentlich die Gewerbeflächen geplant sind. Funktionieren kann das nur, indem das Bohrloch und die Energiezentrale durch eine Trasse verbunden werden, durch die das heiße Thermalwasser fließt. Auf diesem Weg kühlt das Wasser aber bereits ab, es geht also Energie verloren.

CSU will Eidechsen versetzen lassen

Außerdem koste es acht bis zehn Millionen Euro mehr, die Geothermie-Anlage auf diese Weise zu bauen, sagt Baumgärtner. "Diese Kosten fließen in die Fernwärmepreise für alle Münchner mit ein." Der CSUler glaubt zudem, es sei unbedenklich, die Eidechsen zu versetzen.

"Es ist eine schwierige Abwägung, ein großes Tetris-Spiel", sagt SPD-Stadträtin Simone Burger. Einen Rechtsstreit, der das Geothermieprojekt auf Jahre verzögern könnte, will sie nicht riskieren.

Mona Fuchs (Grüne): "Das muss uns Naturschutz wert sein"

Und Grünen-Chefin Mona Fuchs findet: Die Variante mit der Thermalwasserstraße sei zwar aufwendiger – "doch das muss uns der Naturschutz im Virginia-Depot wert sein."

Dem ÖDP-Chef Tobias Ruff reicht das nicht. Wenn Stadtwerke und BMW bei der Geothermie-Anlage kooperieren, sollte auch der Auto-Konzern Flächen abgeben, fordert er. Zum Beispiel könnte die Asylunterkunft aus seiner Sicht auch auf einem Parkplatz von BMW ganz in der Nähe untergebracht werden. Auf diese Weise könnte noch mehr Natur erhalten werden.

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