Gelöbnis auf dem Marienplatz: Wie laut darf der Protest sein?

Beim Bundeswehrgelöbnis ist Kritik erlaubt – nur nicht zu laut. Die Polizei kontrolliert und warnt: Wer Trillerpfeifen dabei hat, darf gar nicht erst zur Zeremonie. Die bayerische Verfassungsrichterin Angelika Lex hält das für rechtswidrig.
von  Abendzeitung
Wie laut darf der Protest sein? Darüber gibt es unterschiedliche Rechtsauffassungen.
Wie laut darf der Protest sein? Darüber gibt es unterschiedliche Rechtsauffassungen. © dpa

MARIENPLATZ - Beim Bundeswehrgelöbnis ist Kritik erlaubt – nur nicht zu laut. Die Polizei kontrolliert und warnt: Wer Trillerpfeifen dabei hat, darf gar nicht erst zur Zeremonie. Die bayerische Verfassungsrichterin Angelika Lex hält das für rechtswidrig.

Heute werden lauter Leute laute Leute sein: Beim Gelöbnis der rund 500 Bundeswehr-Rekruten von 14 bis 15 Uhr auf dem Marienplatz erwartet die Polizei hunderte Gegendemonstranten – mindestens 200 aus dem linksextremistischen oder autonomen Lager. Dass die ruhig dastehen, wenn Soldaten öffentlich ihren Eid auf das Grundgesetz schwören, ist unwahrscheinlich: „Sorgt für größtmöglichen Krach und Unruhe!“, steht auf der linken Homepage „autistici.org“. Auch die Friedensaktivisten des Bündnisses gegen das Gelöbnis wollen ihren Unmut „laut und vernehmbar“ kundtun.

Doch wie laut darf ein Protest sein? Die Polizei kündigte an: Wer eine Trillerpfeife oder Pressluftfanfare dabei hat und kontrolliert wird, muss diese abgeben. Das hält die Bayerische Verfassungsrichterin und Anwältin Angelika Lex für „rechtswidrig“ (siehe unten). Wer damit erwischt wird, den lassen die Beamten gar nicht erst zur Zeremonie. „Wer in der Absicht kommt, zu stören, erhält keinen Zugang“, sagt Polizeisprecher Peter Reichl – Ruhe im Zug!

Sind Buhrufe erlaubt? Oder Rasseln? „Das hängt vom Einzelfall ab“, sagt Reichl. „Der Einsatzleiter entscheidet – mit Augenmaß.“ Der Protest dürfe den Ablauf der Veranstaltung nicht stören. „Sobald man Reden oder Musik nicht mehr hört, schreiten wir ein.“ Das Gelöbnis ist auch für Bummler ein Ärger – der Marienplatz wird kurz vor der Veranstaltung gesperrt. Die Polizei setzt 1300 Beamte ein. „Wir werden so lange wie möglich versuchen, Einkäufern einen Weg freizuhalten“, sagt Reichl. An allen Zugängen kontrolliert die Polizei – und knöpft sich verdächtige Personen dort gleich vor.

"Eine präventive Sicherstellung von Trillerpfeifen ist rechtswidrig"

Die Sperrung des Marienplatzes betrifft auch Tausende Radler, die täglich zwischen Tal, Rindermarkt und Dienerstraße rollen – die müssen heute Nachmittag einen Umweg fahren. Wer sein Rad auf dem Platz abgestellt hat, muss (fast) keine Angst haben, dass es weggeräumt wird. „Wir planen das nicht“, sagt der Sprecher des Kreisverwaltungsreferats, Christopher Habl. Die Polizei könne allerdings einzelne Fahrräder aus Sicherheitsgründen abräumen – oder ein Stück zur Seite stellen.

Seit dem „Münchner Kessel“ ist die Rechtslage eigentlich klar: Der Bürger ist kein Untertan, er hat ein Recht auf freie Meinungsäußerung – das schließt kritische Unmutsbekundungen bei öffentlichen Veranstaltungen mit ein. Das sah der bayerische Ministerpräsident Max Streibl (CSU) noch anders und hatte das harte Durchgreifen der Polizei gegen Kritiker des Weltwirtschaftsgipfels am 6. Juli 1992 so erklärt: „Wenn einer glaubt, er muss sich mit Bayern unbedingt anlegen und er muss stören, dass wir dann etwas härter durchgreifen und hinlangen, das ist auch bayerische Art.“ Ein mutiger Amtsrichter erklärte diese „bayerische Art des Hinlangens“ jedoch für rechtswidrig: Ein Pfeifkonzert und lautstark skandierte Parolen erfüllen keine strafrechtlichen Normen.

Das bedeutet: Bei einer öffentlichen Veranstaltung wie dem Gelöbnis muss sich die Bundeswehr auch „Unmutsäußerungen“ und laute Kritik gefallen lassen. Dazu sagt die bayerische Verfassungsrichterin und Anwältin Angelika Lex: „Eine Durchsuchung zur vorsorglichen Sicherstellung von Trillerpfeifen ist deshalb eindeutig rechtswidrig und stellt eine Verletzung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung – zu dem auch die Äußerung von Protest gehört – dar. Offensichtlich sollen nur ,Jubelperser’ zu dem Ereignis zugelassen werden.“ In einem Urteil zur Rechtswidrigkeit des „Münchner Kessels“ steht: Sprechchöre, Johlen oder der Einsatz von Trillerpfeifen seien „keine unzulässigen Mittel der Meinungsäußerung“.

Thomas Gautier, Michael Backmund

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.