Geld wird knapp! Münchner Sportvereine drängen auf Öffnung

München - Die Folgen des Lockdowns vor allem für Kinder und Jugendliche bereiten Pia Kraske, Geschäftsführerin des Eisenbahner-Sportvereins ESV München, große Sorgen: "Bei den Kindern gibt es ein Zeitfenster, in dem sie für Sport zu begeistern sind. Das ist etwa im Vorschulalter. Wenn diese Zeit vorbei ist, dann ist das Fenster geschlossen. Das kann man nicht mehr nachholen."
Als größter Breitensportverein in München hat der ESV mit weiteren 13 großen bayerischen Sportvereinen ein Positionspapier an die Politik formuliert. Am heutigen Freitag findet eine Videokonferenz zwischen Sportminister Joachim Herrmann (CSU) und den Vereinen statt, die hinter diesem Positionspapier stehen. Darin fordern sie einen Stufenplan, der eine Öffnung schrittweise zulässt. Der Vorschlag: Ab dem 1. März soll es eine Sonderöffnung für Kinder und Jugendliche für Sport im Freien geben.
Während der Osterferien soll Kinderbetreuung durch Vereine erlaubt sein. Spätestens ab dem 19. April sollen auch Erwachsene wieder Vereinssport treiben dürfen - gestaffelt nach der bayerischen Corona-Ampel unter bestimmten Auflagen. Bei einer Inzidenz von unter 35 fordern die Vereine ab dem Frühjahr Sport ohne Einschränkungen, unter Einhaltung der Hygieneauflagen.
Große Vereine haben große Probleme
Gerade für die großen Vereine ist die finanzielle Situation prekär. Die hohen laufenden Ausgaben für Hallen und Personal stehen stark sinkenden Mitgliederzahlen gegenüber. Staatliche Hilfen können bislang dieses Defizit nicht auffangen. Der ESV München hatte vor der Pandemie etwa 8.100 Mitglieder, nun liegt die Mitgliederzahl bei rund 6.800. Weil im Moment nicht absehbar ist, wann der Vereinssport wieder möglich ist, melden sich keine neuen Mitglieder an.
Daher fordern die Vereine zusätzliche Fördermittel in Form von einer Pro-Kopf-Pauschale für verlorene Mitglieder. Beppo Brem, Kreisvorsitzender des Bayerischen Landessportverbands (BLSV), vertritt die Interessen von rund 600 Sportvereinen in München. Er unterscheidet zwischen kleinen und großen Vereinen: "Die Situation ist für die Großen aus finanzieller Sicht schwieriger, denn sie haben hohe laufende Kosten."

Das heiße aber nicht, dass die kleinen Vereine nicht leiden würden. "Alle Vereine haben eine soziale Aufgabe. Sie werden getragen vom Ehrenamt. Die Menschen engagieren sich dort mit Leidenschaft." Auch bei den kleinen Vereinen sei die Befürchtung groß, dass die Mitglieder irgendwann abspringen werden. In der Stadt sei die Vereinstreue üblicherweise geringer als auf dem Land. "Leider sehen die Menschen in der Stadt die Vereine oft eher als Dienstleister an. Aber das ist nicht immer der Grund für eine Kündigung. Viele Eltern sind in Kurzarbeit und haben finanzielle Engpässe", erklärt sich Beppo Brem die Situation. Dafür habe er natürlich Verständnis.
Unverständnis vom Vorsitzenden der Rudergesellschaft München
"Die Prioritäten, die die Politik setzt, sind einfach nicht plausibel", sagt Willi Bock, Vorsitzender der Rudergesellschaft München. "Friseure und Nagelstudios dürfen wieder öffnen. Sport im Freien ist aber nicht erlaubt. Das versteht keiner mehr." Er habe keine Bedenken, dass das Rudern wieder unter sicheren Bedingungen stattfinden könne. Während der ersten Pandemiewelle habe der Verein bereits ein gutes System entwickelt. "Über Doodle-Listen haben wir uns so organisiert, dass die Mitglieder gestaffelt zur Anlage kommen. Es haben sich Zweier-Teams gebildet, die immer zusammen geblieben sind." Die Rudergesellschaft zählt derzeit 430 Mitglieder, davon 180 Kinder und Jugendliche.
Die Warteliste für Schnupperkurse sei lang. Mit Kündigungen habe der Verein bislang nicht zu kämpfen. Dennoch, die Ausgaben für die Hallenmieten und Boote seien sehr hoch, die finanzielle Lage sei sehr angespannt. "Wir finanzieren uns neben den Kurseinnahmen zu einem großen Teil durch Spenden. Die sind radikal zurückgegangen. Um 90 Prozent." Unter einem Mitgliederschwund hat auch der TSV 1860 München bisher nicht zu leiden.
"Unsere Mitglieder sind sehr loyal", berichtet Vereinsmanagerin Viola Oberländer. 20.000 Fußballfans sind passiv Mitglied, aber auch 3.000 aktive Sportler sind Mitglied bei den Löwen. "Bis jetzt haben wir noch keine riesigen finanziellen Verluste." Aber auf sozialer Ebene seien die Folgen der Maßnahmen sehr zu bedauern. Die Boxabteilung zum Beispiel habe viele Jugendliche mit Migrationshintergrund aufgefangen. "Für sie ist der Verein wie eine Familie", bedauert Viola Oberländer die Situation der jungen Mitglieder.
FT München Gern macht in der Krise sogar Gewinn
Familiär geht es auch bei der FT München Gern zu. Ein kleiner Verein, der finanziell sogar eher einen Gewinn als einen Verlust aus der derzeitigen Situation zieht. Die Mitglieder halten dem Klub bislang die Treue, denn die persönliche Bindung zum Verein ist sehr stark, wie Präsident Michael Franke berichtet.
"Wir haben geringe Ausgaben, da wir bis auf eine Nebenbeschäftigung komplett ehrenamtlich aufgestellt sind. Außerdem wurden uns von der Stadt die Mieten für die Schulsportanlagen erlassen. Weil unsere Mitglieder uns treu sind, stehen wir finanziell eher besser da." Sie hätten sogar ein Mitglied dazu gewonnen, fügt Michael Franke lachend hinzu. Doch wie lange die Treue halte, wenn es weiterhin keine Perspektiven gebe, das könne er nicht sagen.

Laut Aussage des auch für Sport zuständigen Innenministeriums sind Lockerungen in Aussicht. Im Rahmen der Sportministerkonferenz am vergangenen Montag sei ein Stufenplan für bundesweit einheitliche Öffnungsschritte beschlossen worden, heißt es aus dem Ministerium. Eine Arbeitsgruppe erarbeite derzeit zusammen mit dem Gesundheitsministerium, dem Bayerischen Landes-Sportverband und weiteren Vertretern des organisierten Sports ein Konzept für die Umsetzung in Bayern. Es sei das Ziel, konkrete Perspektiven zu schaffen. Mit dem Frühling naht damit wieder Hoffnung für die Sportvereine und ihre Mitglieder, wieder ihrer Leidenschaft nachzugehen.