Geld-Dynastie Finck: Eine schrecklich feudale Familie

Das drohende Aus für den Franziskaner regt viele auf. Hinter dem Immobilien-Deal steckt das Imperium von August von Finck (85). Grund genug, die Historie der Münchner Geld-Dynastie Finck genauer auszuleuchten.
Karl Stankiewitz |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Um den Fortbestand des Franziskaner-Wirtshauses darf man sich Sorgen machen. Eine zentrale Figur hinter diesem Immobilien-Geschäft ist der
Münchner Multi-Unternehmer August von Finck, hier 2008 mit seiner Frau Francine.
imago Um den Fortbestand des Franziskaner-Wirtshauses darf man sich Sorgen machen. Eine zentrale Figur hinter diesem Immobilien-Geschäft ist der Münchner Multi-Unternehmer August von Finck, hier 2008 mit seiner Frau Francine.

Es ist ein Immobilien-Deal, der viele Münchner berührt. Genauer gesagt: aufregt. Das von Edi Reinbold seit 50 Jahren betriebene Traditionswirtshaus „Franziskaner“ soll einer Shopping-Mall weichen – das hat sie alle auf den Plan gerufen: Traditionalisten und Stadtgestalter, Leberkas-Liebhaber und Lokalpolitiker. Reinbold wiederum hat den Löwenbräukeller kaufen dürfen, der ihm die Zukunft als Wiesnwirt sichern dürfte.

Beide Immobilien (und noch viel mehr) gehören zum Imperium von August von Finck, dem Patron einer bemerkenswerten Münchner Geld-Dynastie. Für die AZ hat der Münchner Autor Karl Stankiewitz, Jahrgang 1928, die Geschichte der Familie hier skizziert.

 

Hinter der offenbar bevorstehenden Vertreibung des „Franziskaner“ steckt die Macht des großen Geldes. Kaum ein anderer deutscher Multi-Konzern, abgesehen von der Deutschen Bank, verkörperte diese Macht offensiver und verschwiegener als das Bankhaus Merck, Finck und Co. sowie die daraus hervorgegangene „Aktionärsgruppe von Finck“.

Dahinter wiederum verbirgt sich die Geschichte einer Münchner Familie, die einmal verfügen konnte über Ländereien, Banken, Stahlwerke, Versicherungskonzerne, Energieunternehmen, Brauereien, Brennereien, Markthallen, Kühlhäuser, Eisenbahnen – und die weiter mitmischt im Big Business. So viel geballter Reichtum bedeutet natürlich auch politische Macht – die Stadt und der Freistaat haben sie immer wieder erleben müssen.

Jedenfalls stand August Finck, dessen geadelter Vater Wilhelm Peter die Allianz und die Münchner Rückversicherung mitgegründet hat, mit seiner 1924 ererbten Bankmacht immer auf der Seite der politischen Macht.

Schon 1931 hatten er und andere Wirtschaftsführer beim berüchtigten Treffen im Berliner „Kaiserhof“ dem aufstrebenden Parteiführer Hitler 35 Millionen Reichsmark für den Wahlkampf zugeschanzt und 1933, ganz privat, weitere drei Millionen.

Lesen Sie hier: Gastro-Branche kämpft gegen Franziskaner-Aus

Als Mitglied der NSDAP und des Generalrats der Wirtschaft durfte er sich 1938 die Wiener Rothschildbank aneignen – und seine kapitalistische Gemischtwarenhandlung maximieren, nachdem seine Privatbank schon früher nebenbei Aktienpakete der Vereinigten Werkstätten und einer Vorläuferin der Lufthansa gekauft hatte.

Vier Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg war der „Mitläufer“ wieder obenauf. Still, aber erfolgreich betrieb er die Vermehrung seines Vermögens, insbesondere seines sagenhaften Grundbesitzes.

Rund 2000 Hektar besaß er allein im Bauerwartungsgebiet am Stadtrand Münchens. Einen Teil, ein 457 818 Quadratmeter großes, bei der Bodenreform zunächst enteignetes Grundstück, hat ihm der Freistaat für nur eine Mark pro Quadratmeter zurückgegeben, obwohl Fachleute einen mindestens hundertfachen Preis geschätzt hatten. Die verantwortlichen Politiker der CSU wollten halt „einen riskanten Prozess vermeiden“.

Ein Hans im Glück war der August auch im Kredit- und Wertpapiergeschäft. „Jeden Morgen, wenn Herr von Finck aufsteht, ist er um eine Million reicher geworden,“ so eine Hochrechnung des SPD-Landtagsabgeordneten und späteren Münchner Oberbürgermeisters Georg Kronawitter, der dabei auf die Bibel zurückgriff: „Den Seinen gibt’s der Herr im Schlafe.“

In seiner Autobiographie berichtet Kronawitter, wie er 1970 einen Kleinbauern in Schutz nahm, der sich als Opfer der Finck’schen Bodenspekulation fühlte, wie es dann im Landtag zu einem Untersuchungsausschuss kam, wie ein Minderheitsbericht der SPD zahlreiche Unregelmäßigkeiten beim Verkauf wertvollen Bauernlandes feststellte, wie der kleine David gegen den großen Geldmacher zu Felde zog und bald mit einer Millionenklage bedroht wurde. Die wurde zwar vom Gericht abgeschmettert, doch Kronawitter durfte nicht mehr aus dem Bericht seiner Partei zitieren.

August von Finck gehörte etwa auch ein Stück vom Kochelsee. Durch einen Trick war er Miteigentümer des staatseigenen Gewässers geworden: Der „Reichsrat der Krone Bayerns“ hatte einfach das Ufer ausgraben und ausschachten lassen. Durch umfangreiche Rechtsgutachten über mögliche Schadensersatzansprüche geschreckt, musste die Gemeinde Kochel auf die längst geplante Uferpromenade verzichten. Spaziergänger wurden auf die verkehrsreiche Staatsstraße umgeleitet.

Wer mit dem Ruderboot auf dem fast nie bewohnten Grundstück des Barons anlegen wollte, wurde durch ein Schild „Vorsicht Legbüchsen“ auf seine minderen Bürgerrechte verwiesen. Ein „Swim in“ von Demonstranten nützte zunächst auch nichts.

Ähnliches geschah hoch über Partenkirchen. Der Bund Naturschutz pochte auf einen Artikel der bayerischen Verfassung und wollte den Barmsee, den er als „schönsten oberbayerischen Gebirgssee“ bezeichnete, für die Öffentlichkeit frei bekommen. Fast das gesamte Ufer aber gehörte von Finck. Um den See endlich ganz für sich allein zu haben, ließ er Stacheldrahtzäune und Verbotsschilder montieren sowie rundum dicht wachsende Fichten und Erlen anpflanzen.

Privat war der Patriarch auf schrullige Art knauserig. Er fuhr VW-Käfer, ließ sich die Haare vom billigen Dorffriseur schneiden, rauchte Strohzigaretten, verweigerte seinen Angestellten bequemere Stühle und beantragte für die Sanierung seines Schlosses in Ambach 74 000 Mark Zuschuss aus dem Topf der Denkmalpflege.

Seine Macht und Herrlichkeit demonstrierte er indes zum 100. Geburtstag seines Bankhauses Merck, Finck & Co im Jahr 1970, indem er für eine Viertelmillion Mark das Münchner Nationaltheater mietete, 120 hübsche Mädchen Kaviarhäppchen servieren sowie das Londoner Royal Ballett für die Geldaristokratie der Republik tanzen ließ.

Es war dies aber nur ein „Betriebsfest der größten deutschen Firmen“, wie der Organisator verriet. Volkswagen, Siemens, AEG, Bayer, BASF, Hoechst, Allianz, Münchner Rück, RWE, Hermes Kredit und Neckermann – alle waren sie mit ihren Topleuten vertreten, dazu noch die Führung der CSU sowie Uschi Glas.

Drei Jahre später setzte der Bank- und Bodenherrscher, der zeitweise als reichster Deutscher galt, zum Angriff auf den Energiemarkt an. Die Isar-Amper-Werke gehörten ihm eh schon, jetzt wollte er noch beim halbstaatlichen Bayernwerk einsteigen. Strompreiserhöhungen waren bereits angekündigt, als der Deal doch noch platzte. Zu viel Ärger im Land. Nicht nur die Oppositionsparteien SPD und FDP, sondern auch die Medien fragten: Wer herrscht eigentlich in Bayern – die CSU oder die feudale Familie Finck?

Mögliche Antwort: beide. Nach dem Tod des 81-jährigen Krösus am 22. April 1980 auf Schloss Mönchsfeld bei München übernahm der zweitälteste seiner vier stets kurz gehaltenen Söhne, der 1930 in München geborene August, das riesige Kapitalkombinat. Doch der Junior, Gustl genannt, übernahm sich. Der teure Zukauf von Löwenbräu und des Schweizer Konzerns Mövenpick brachte das Unternehmen ins Wackeln. Als 1988 Freund Franz Josef Strauß als letzter Hoffnungsträger des Clans verstorben war, verzweifelte August Finck jr. an der bundesdeutschen Politik: „Die werden uns noch vernichten.“

Aus Panik oder Berechnung stieß er gleich mal einige Beteiligungen ab. Am 1. Oktober 1990 „verscherbelte er in einer Nacht-und-Nebel-Aktion“ (so das „Manager Magazin“) seine Anteile an der drittgrößtem deutschen Privatbank für einige hundert Millionen Euro an einen britischen Konkurrenten, die Großbank Barcley. Diese wurde in den USA wegen Betrugs an Investoren verurteilt, die Münchner Anteile hat sie inzwischen an einen indischen Mischkonzern weitergereicht. Der Gustl schied aus dem Bankgeschäft aus. Er verzog sich 1999, ärger noch als sein Vater die Öffentlichkeit scheuend, ins Schweizer Schloss Leinfelden, das einst Jakob Fugger und der Bischof von Konstanz bewohnt hatten, und vermehrte das Vermögen weiter.

Zeitweise gehörten ihm eine Sektkellerei und Anteile am Bauriesen Hochtief, die er gewinnbringend nach Spanien verkaufte, sowie an der Waffenschmiede Oerlikon-Bührle. Am Hauptsitz in Grasbrunn herrscht Schweigen Während die 1820 gegründete Bank, die immer noch den Namen Finck im Firmenschild führt, mit Stammsitz München und 350 Mitarbeitern über eine private Bankengruppe in Luxemburg 2012 für eine Milliarde Euro an den Investor Al-Thani in Katar verkauft wurde und ihren Schwerpunkt nach wie vor in der „Beratung und Verwaltung von größeren und großen Vermögen mit privatem und/oder unternehmerischem Hintergrund“ sieht, operiert die Hauptverwaltung Finck heute in Grasbrunn bei München – und hüllt sich in Schweigen: Es gibt keine Stellungnahme zu dem schwer wiegenden Eingriff ins Münchner Stadtbild, der die Münchner bis weit ins Rathaus hinein so zornig gemacht hat.

Dieser Bericht stützt sich u.a. auf das Buch „Mein eigener Weg“ von Georg Kronawitter und auf das „Weißblaue Schwarzbuch“ von Karl Stankiewitz, beide im Volk-Verlag erschienen.

 

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.