Geisterradler-Opfer aus dem Koma erwacht

Er kann noch nicht sprechen – aber schon etwas schreiben. Seine Familie und die Ärzte sind überrascht - Orhan, S (74)., das Geisterradler-Opfer, ist aus dem Koma erwacht.
von  Thomas Gautier
Radlopfer Orhan S. (74) ist nach dem Unfall mit einem Geisteradler aus dem Koma erwacht.
Radlopfer Orhan S. (74) ist nach dem Unfall mit einem Geisteradler aus dem Koma erwacht. © Katharina Alt, privat

München - Orhan S. kann nicht sprechen, stehen oder selbstständig atmen. Dafür kann er sehen, ein bisschen schreiben – und er erkennt er seine Frau. In seinem Zustand ist das eine ganze Menge. Nach sechs Wochen im Koma ist der 74-Jährige wieder wach.

Seit etwa zehn Tagen liegt der Rentner auf der Aufwach-Station der Schön-Klinik in Bad Aibling (Kreis Rosenheim). Dort erholt er sich langsam von seinem schweren Unfall – den er gar nicht richtig mitbekommen hat .

Am 30. Mai gegen 23 Uhr wird Orhan S. auf der Hansastraße von einem Geister-Radler. Vor den Augen seiner Frau Ülkü und einer Freundin umgefahren. Der Rentner umrundet ein parkendes Auto auf dem Gehsteig und setzt gerade seinen Fuß auf den Radweg, da rammt ihn der Radler (30) in der Dunkelheit frontal. Laut Zeugen war der Laimer auf der falschen Seite unterwegs – ohne Licht, was er bestreitet. Der pensionierte Grundschullehrer aus dem Westend knallt mit dem Kopf auf den Asphalt. Ab da ist er bewusstlos. Als die Sanitäter ihn versorgen, flüchtet der Radfahrer.

Erst nach einer Woche stellt er sich bei der Polizei. Die Fahrerflucht, die Vorwürfe, die Angst und die Verzweiflung seiner Familie bekommt Orhan S. nicht mit. Er liegt auf der Intensivstation des Klinikums Rechts der Isar mit Gehirnblutung im Koma. Die Ärzte operieren ihn mehrere Male, um den Druck auf das Gehirn zu senken. Orhan S. überlebt. Die Ärzte aber bereiten die Familie darauf vor, dass er wohl massive Hirnschäden davontragen wird.

Jetzt ist er wieder bei Bewusstsein – und es geht ihm den Umständen entsprechend sehr gut, sagt sein Sohn Cenk S. „Sogar die Ärzte sind positiv überrascht.“ Am Anfang habe Orhan S. gar nicht gewusst, wo er ist und was mit ihm passiert ist, sagt der Sohn. „Er hat sich gefragt: Was ist hier los? Das hat man an seinem Blick und an seiner Gestik erkannt.“ Erst durch seine Familie erfuhr Orhan S., was mit ihm geschehen war.

Sein Vater wisse auch noch, wer seine Frau und seine drei Kinder seien. „Darüber sind wir sehr glücklich“, so Cenk S. Jeden Tag sind Ülkü S. und zwei seiner Söhne, die in München leben, bei ihm. Orhan S. ist dann „zwei bis drei Stunden“ wach, sagt Cenk S. „Das ist schon relativ lang.“

Dennoch ist sein Vater nicht mehr wie früher: Sein linkes Auge kann er nicht aufmachen. Schlucken sei unmöglich, atmen kann Orhan S. nur mit Hilfe eines Schlauchs, den ihm die Ärzte in die Luftröhre eingesetzt haben. Auch Sprechen kann der Rentner noch nicht, „aber er kann etwas auf einen Block schreiben. Es ist zwar noch etwas zittrig, aber wir erkennen, was er meint. Manchmal zeichnet er ein Fragezeichen.“

In den nächsten Monaten soll Orhan S. all das wieder lernen, was nach dem Unfall verlorenging. Die Klinik im Kreis Rosenheim ist darauf spezialisiert, Koma-Patienten wieder auf die Beine zu bringen. In seinem Fall ist das wörtlich zu verstehen. Orhan S. muss auch das Gehen wieder lernen.

 

 

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.