„Geist ist geiler als Geiz“

Tausende Schüler demonstrieren in München gegen Bildungsnotstand und zeigen ein neues politisches Gegen G8, Lehrermangel und Leistungsdruck. Selbst Gewerkschaften, Eltern und SPD laufen der Demo hinterher
von  Abendzeitung
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Illustration © Petra Schramek

MÜNCHEN - Tausende Schüler demonstrieren in München gegen Bildungsnotstand und zeigen ein neues politisches Gegen G8, Lehrermangel und Leistungsdruck. Selbst Gewerkschaften, Eltern und SPD laufen der Demo hinterher

Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Bildung klaut.“ 1500 waren es, sagt die Polizei. Mehr als 3000, sagen die Veranstalter – auf jeden Fall erlebte München gestern die größte Schülerdemo seit Jahren.

Für bessere Bildung, gegen das G8, gegen Studiengebühren und gegen das dreigliedrige Schulsystem: Demos gab’s im ganzen Bundesgebiet, in München rief die „Schülerinitiative München“ zum Schulstreik auf.

Parkas und Kapuzen dominieren den Geschwister-Scholl-Platz. Im Regen stehen aber auch einige Eltern, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) solidarisiert sich, und selbst die SPD springt auf den Demo-Zug auf.

"Wir wollen nicht, dass unsere Kinder leiden"

„Wir streiken, weil G8 scheiße ist, weil wir viel zu lange Unterricht haben, und jede Woche Prüfungen haben, der Druck ist fast nicht auszuhalten“, sagt Petra Müller (15) vom Bert-Brecht-Gymnasium. Andrea Kirsch ist Mutter, und auch sie demonstriert, „weil auch wir Eltern dieses Schulsystem nicht mehr mittragen können. Wir leiden auch darunter, und wir wollen nicht, dass unsere Kinder leiden.“

Fabian Schwärzler (19) vom Klenze-Gymnasium weiß genau, warum er hier ist. Er findet, dass der Staat eigentlich genug Geld hätte, um für bessere Bildung zu sorgen. „Aber statt das Geld in Schulen zu stecken, wird der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr finanziert.“

Mit der Meinung steht er nicht alleine da: „Bildung statt Panzer“, steht auf einem der selbstgemalten Papptafeln bei der Demo.

Der Platz vor der Uni ist gut gefüllt: Bunte Transparente „Bildung für alle, alle für Bildung“ oder „Geiz ist geil, Geist ist noch geiler“. Auch Hans Ulrich Pfaffmann, bildungspolitischer Sprecher der SPD, im Landtag steht im Getümmel: „Ich bin hier, weil wir uns mit den Forderungen nach kleineren Klassen und für Bildungsgerechtigkeit solidarisch erklären.“ Der Leistungsdruck für Gymnasiasten sei seit Einführung des G8 unverantwortlich. Außerdem beklagt Pfaffmann den Lehrermangel.

„Wir sind hier trotz Verweisandrohungen, trotz Einschränkung und Repression“, sagt Fabian Bennewitz kämpferisch. Seit neun in der Früh steht er da. „Aber streiken ist ein Grundrecht, auch für Schüler, und nicht erst nach 16 Uhr“, ruft der Sprecher der Schülerinitiative durchs Megafon.

Die Demonstration führt über die Leopoldstraße, Arcis- und Theresienstraße bis zum Wittelsbacherplatz vor das Kultusministerium. Vor dem Gisela-Gymnasium, es liegt an der Strecke, wird es noch ein mal laut: „Rauf mit der Bildung, Runter mit der Rüstung“, skandieren die Demonstranten. Dabei springen sie in die Luft oder ducken sich zu Boden. Ein bisschen Show darf schon sein. bei der Demo.

"Das Bildungssystem ist unter aller Kanone"

Einige Passanten fühlen mit den Schülern: „I find’ des richtig, was die machen, weil des Bildungswesen is ja unter aller Kanone“, sagt eine Frau, die auf die Tram wartet.

„Zuerst hatte ich Angst zu streiken, aber jetzt wo ich hier bin, weiß ich, dass es richtig ist“, erzählt Alexander Sammer (18) von der Willy-Brandt-Gesamtschule. Viele Schulen hatten den Schülern mit Verweisen gedroht, falls sie streiken sollten.

Die Schüler des Gisela-Gymnasiums haben noch einigermaßen Glück. Ihnen droht nur eine Nacharbeit in schriftlicher Form. In der müssen sie begründen, warum sie gestreikt haben. Das dürfte ihnen nicht schwer fallen.

Francesca Matthey

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