"Gehe da todsicher nicht hin": Anwohner schimpfen wegen neuen Supermarkt-Plänen am Isartor in München

München - Drei junge Männer stehen ratlos vor den verschlossenen Glastüren. All die Regale, die sich bis vor Kurzem noch auf der großen Fläche dahinter befanden, sind verschwunden. Eigentlich wollten sich die Berufsschüler in der Lidl-Filiale gerade etwas zu essen für die Mittagspause kaufen, wie immer. "Weil es hier günstig ist", erklärt einer von ihnen.
Doch das müssen sie künftig woanders tun, wie sie durch ein großes blaues Plakat am Eingang erfahren – auf dem steht, dass Lidl seine Filiale an diesem Standort in der Zweibrückenstraße am 31. Januar geschlossen hat.
Lidl am Isartor in München macht dicht: War die Baustelle vor der Haustür Schuld?
Auf AZ-Anfrage zu den Hintergründen bleibt Lidl sehr vage: Man sei in der Geschäftstätigkeit grundsätzlich nicht auf eine kurzfristige Entwicklung ausgerichtet, sondern denke langfristig und wirtschaftlich. "Vor diesem Hintergrund überprüfen wir fortlaufend, ob unsere Filialstandorte den Ansprüchen der Kunden und unseren gerecht werden – so auch bei unseren insgesamt 46 Filialen in München", teilt eine Sprecherin mit. Dabei sei Lidl zu dem Entschluss gekommen, die Filiale an der Zweibrückenstraße 8 dauerhaft zu schließen.
Zur Frage, welchen konkreten Ansprüchen der Standort nicht genügen konnte, möchte Lidl keine weiteren Angaben machen. Offensichtlich ist aber, dass sich seit Jahren eine Baustelle direkt vor der Filiale befindet. Die Stadtwerke verlegen hier unter anderem eine Fernkältetrasse und verbauen neue Tramgleise. Voraussichtlich im Frühjahr 2025 soll der Tramverkehr zwischen Max-Weber-Platz und Isartor wieder aufgenommen werden, teilt die MVG mit.

Während dieser Bauarbeiten konnten die Lieferfahrzeuge der Gewerbetreibenden noch bis Ende April 2023 in der Zweibrückenstraße parken. Seitdem befinde sich die Baustelle laut Mobilitätsreferat allerdings in einer neuen Bauphase – in der an der Zweibrückenstraße keine Liefermöglichkeit mehr besteht. Die Ersatzlieferzone befindet sich in der Morassistraße um die Ecke – und daran soll sich künftig auch nichts mehr ändern.
Der Grund: "Zur Vergrößerung der Flächen für den Fuß- und Radverkehr" fällt die Lieferzone direkt vor dem Discounter dauerhaft weg, teilt das Mobilitätsreferat mit. Für den Lidl ist die Anlieferung also deutlich komplizierter geworden.

Der CSU-Fraktionsvorsitzende Manuel Pretzl sah das schon vor zwei Jahren kritisch. In einem Antrag im Mai 2022 sprach er von einem "Schildbürgerstreich". "Faktisch wird eine Belieferung der Filiale nahezu unmöglich gemacht. Damit besteht die Gefahr einer Schließung des Marktes, der für die weniger betuchten Anwohner der Innenstadt vor Ort fußläufig erreichbar eine wichtige Einkaufsmöglichkeit darstellt", schrieb er damals.
Er forderte, dass die Anlieferzone für den Lidl-Markt auch nach dem Umbau der Zweibrückenstraße unmittelbar vor dem Eingang genehmigt und durch eine entsprechende Markierung gesichert wird. Doch das Mobilitätsreferat lehnte Pretzls Antrag im August 2023 ab und erteilte auch keine Ausnahmegenehmigung, weder für die morgendliche, noch für die abendliche Lieferung. "Insbesondere wegen der fehlenden Dringlichkeit und der bei einer Ausnahmegenehmigung entstehenden Verkehrssicherheitsrisiken", steht im Antwortschreiben an Pretzl.
Lidl-Filiale in der Zweibrückenstraße in München schließt: "Schlechte Nachricht für die Anwohner"
Inzwischen ist Pretzls Befürchtung, dass der Discounter schließen könnte, also tatsächlich eingetreten. "Wir bedauern das sehr", sagt Pretzl am Montag der AZ. "Das ist eine schlechte Nachricht für die Anwohner", sagt auch Benoît Blaser (Grüne), der Vorsitzende des Bezirksausschuss Ludwigsvorstadt und Isarvorstadt zur AZ. "Wichtig ist, dass die Nahversorgung gewährleistet ist", findet er.

Tatsächlich wird es wohl auch künftig an dieser Stelle einen Supermarkt geben. Lidl teilt in einer Stellungnahme zur Filialschließung mit: "Das Ladenlokal ist bereits nachvermietet und wird in den nächsten Wochen für die Anforderungen des zukünftigen Nutzers umgebaut."
Vor Ort hält sich das Gerücht, dass hier bald der Biomarkt Denns einziehen wird. Eine diesbezügliche Anfrage der AZ dementiert die Biosupermarktkette nicht. Sie antwortet einfach gar nicht. "Das ist ein ganz anderes Preisniveau", sagt Pretzl. "Wir brauchen auch in der Innenstadt Einkaufsmöglichkeiten für Leute mit kleinem Geldbeutel."

Manche Anwohner schimpfen, weil der Lidl weg ist: "Wir haben genug Bio hier."
Manche Anwohner freut diese Nachricht so gar nicht. "Da gehe ich todsicher nicht hin", sagt eine 66-jährige Frau in der Morassistraße zur AZ. Sie wohnt gleich um die Ecke und findet: "Wir haben genug Bio hier." In der Altstadt etwa gibt es Basic Markt, im Rosental das Reformhaus Vitalia. Der Lidl sei immer voll gewesen, erzählt die Anwohnerin.
"70 Prozent der Kunden waren ältere Leute", lautet ihre Einschätzung. Der nächstgelegene Supermarkt ist nun der Edeka in der Breiterhof Passage, eine teurere Alternative. Der Filialleiter sagt der AZ, dass er keinen großen Unterschied merke, seitdem Lidl weg ist.

Die 66-jährige Anwohnerin erzählt, dass sie jetzt im Penny am Gärtnerplatz einkaufen geht – auch wenn der Weg dahin weiter für sie ist. Einen weiteren Discounter gibt es außerdem noch in der Rumfordstraße, hier hat Norma eine Filiale. Hier wird man in Zukunft vielleicht auch die drei Berufsschüler finden, die günstig mittagessen wollen.