Gegen Leerstand in München: Check per Stromrechnung

München - Nein, es reicht den Mieteraktivisten der Linken in München nicht, was die Stadt in Sachen Bekämpfung von Leerstand unternimmt. Nach wie vor gebe es zu viele Hauseigentümer, die entspannt warten, bis ihr leerstehender Wohnblock so zusammenfällt, dass man ihn nur noch abreißen kann. Und das gerne hinauszögern, bis die Bodenpreise weiter steigen - weil beim Verkauf dann noch mehr herauszuholen ist.
Trotz Wohnungsnot: Viel Leerstand in München
Die Haushaltsbefragung des Mikrozensus habe 2018 ergeben, dass in München hochgerechnet 47.000 Wohnungen leer stehen könnten. "Das wären so viele, wie in ganz Bogenhausen stehen", sagt Linke-Stadtrat Stefan Jagel, "und wir gehen davon aus, dass 25.000 davon länger als drei Monate unbewohnt sind, viele seit Jahren."
"Unerträglich" sei das bei knapp 10.000 Wohnungslosen. Beispiele haben die Linken und ihr Mieteraktivist Christian Schwarzenberger schon genug aufgelistet.
Darunter die zehn Münchner Wohnhäuser, zu denen die Stadt letztes Jahr Antworten liefern musste - etwa in der Steinheilstraße in der Maxvorstadt, in der Zietenstraße in Milbertshofen oder in der Herzog- und Occamstraße in Schwabing. Jetzt will Stadtrat Stefan Jagel "den Druck auf die grün-rote Stadtregierung erhöhen" - mit einem neuen Antragspaket.
Linke möchte eine Anzeigepflicht für leerstehende Wohnungen
Zum einen will die Fraktion, dass Immobilieneigentümer in Zukunft selbst der Stadt melden müssen, wenn ihr Objekt nicht innerhalb von drei Monaten nach einem Bewohnerauszug wieder bewohnt wird.
"Mit dieser Anzeigepflicht wollen wir die Beweislast zulasten der Eigentümer umdrehen und dafür sorgen, dass die Stadt in jedem Fall von einem Leerstand erfährt", sagt Jagel. Wer sich nicht daran hält, soll "mit einer Geldbuße von bis zu 500.000 Euro pro Wohneinheit" belegt werden, heißt es in dem Antrag. In Hamburg beispielsweise sei eine solche Anzeigepflicht schon seit 2013 im Wohnraumschutzgesetz verankert.
Auch aus Städten wie Dortmund, Essen oder Bochum wollen sich die Linken eine Strategie abschauen: Dort werden Leerstände mittels Stromzählerdaten erfasst. München soll das künftig auch tun, in Kooperation mit den Stadtwerken.

Wohnungen ganz ohne Stromvertrag oder die erkennbar keinen Stromverbrauch haben, können so einfach als leerstehend identifiziert werden. Eine Karte soll dann jährlich "blockscharf" veröffentlichen, in welchen Straßen Wohnungen über drei Monate oder über 24 Monate leer stehen.
Stadt solle eine "Taskforce Leerstand" einsetzen, so die Linke
Fälle wie beim sogenannten Dönerhaus im Westend, das nach 15 Jahren Leerstand völlig marode abgerissen wurde, soll es in München nicht mehr geben dürfen, findet die Linke.

Eine Bürgerversammlung hatte damals mehrheitlich eine Enteignung gefordert, die Stadtverwaltung aber sah ihre Hände gebunden. SPD-OB Dieter Reiter solle sich deshalb beim Städtetag und Freistaat dafür stark machen, dass das bayerische Zweckentfremdungsgesetz massiv verschärft wird. Dann soll, wer billige Mietwohnungen abreißt, automatisch auch wieder neue in örtlicher Nähe schaffen müssen - mit einer Eingangsmiete nicht über 11,50 Euro pro Quadratmeter.
Beispiel in München: Agnesstraße 48 mit 15 leeren Wohnungen
Und auch eine Beschlagnahmung solle möglich werden. Hamburg und Berlin etwa hätten in ähnlichen Fällen leerstehenden Wohnraum vorübergehend beschlagnahmt, auf Kosten des Eigentümers instandgesetzt und wieder vermietet - durch ein Treuhandmodell.
Im Kampf gegen den Leerstand gehe auch viel Schlagkraft verloren, weil bei der Stadt unterschiedliche Referate beteiligt sind, die sich abstimmen müssen. Die Verwaltung solle deshalb einen eigenen Stab als "Taskforce Leerstand" einsetzen, in dem Mitarbeiter aus dem Sozial-, Planungs- und Kommunalreferat sitzen.

Im Fall des "Literatenhauses" in der Agnesstraße 48, wo seit eineinhalb Jahren 15 Wohnungen komplett leer stehen, soll Stadtbaurätin Elisabeth Merk (parteilos) eine Instandsetzung nach den Paragrafen 177 und 175 im Baugesetzbuch anordnen, fordert Stefan Jagel - damit die Bausubstanz nicht noch schlechter wird.
"Die Verwaltung hat dieses Instrument in den letzten zehn Jahren nie angewendet", sagt Jagel, "weil sie nach eigenen Angaben lieber auf 'konsensuale Lösungen' setzt. Das hat aber hier zu keinem Erfolg geführt."