Gedränge: Weihnachts-Wahnsinn in der City

Einkaufen extrem: Samstagnachmittag in der Innenstadt. Wer’s eilig hat oder ein Problem mit Menschenmengen, macht sich hier unglücklich. Die Glühweinverkäufer freut’s.
von  Sophie Anfang

München - Die Schaufenster sind festlich geschmückt, von den Christkindlmarkt-Buden weht ein Weihnachtslied herüber, und in der Luft liegt der würzig-süßliche Geruch von Glühwein. Eigentlich ist alles perfekt festlich an diesem dritten Adventswochenende am Samstagnachmittag – doch für echte Weihnachtsstimmung ist es hier in der Fußgängerzone zu trubelig. Vor Buden und Geschäften drängen sich tausende Menschen. Einkaufen extrem.

Es regnet Schneematsch, die schönen weißen Flocken zerplatzen auf dem Asphalt. Die Anzahl der Einkäufer mindert das nicht. Ran an die Geschenke! Eine riesige Menschenmasse schiebt sich durch die Straßen, bewaffnet mit Regenschirm und mit entschlossenem Gang. Wer schon ein paar Tüten mitschleppt, schaut etwas entspannter, doch in den Gesichtern der meisten Einkäufer zeigt sich der flackernde Blick des Suchenden.

„Nur noch 14 Tage“, mahnt ein Schild im Schaufenster eines Kosmetikgeschäfts. Der Countdown zum Fest läuft - für Besinnlichkeit ist wenig Platz. Schließlich gibt es viel zu tun. „Mir fehlen noch Geschenke für meinen Vater, meine Mutter, meinen Bruder und meinen Freund“, vermeldet erschöpft eine junge Frau aus Rosenheim. Trotzdem geht sie jetzt erst mal einen Kaffee trinken.

Am Marienplatz treten sich Touristengruppen und Münchner gegenseitig auf die Füße. Vor großen Geschäften stehen zu bleiben, ist keine gute Entscheidung. Zwar wirbt der Apple Store auf Plakaten mit seinen „Express Shopping“-Möglichkeiten. Angesichts der meterlangen Menschenschlangen vor den Kassen scheint dies jedoch ein nur schwer einzuhaltendes Versprechen zu sein.

„Wahnsinn, was sich hier abspielt“: Ein älterer Herr bestaunt fasziniert das Geschehen an der Konsumfront. Und sagt: „Ich komm’ am Montag wieder!“

Ein paar Türen weiter ist man gut gerüstet für den Andrang. Zwar herrscht auch im Hugendubel krasses Gedrängel, doch zumindest an den Kassen muss man nicht anstehen. Das Buchgeschäft hat in jedem Stockwerk sein Personal verstärkt. Nur beim Einpackservice müssen die Kunden ein paar Minuten warten.

Ähnlich sieht es in den Kaufhäusern aus: Man ist gut vorbereitet. In manchen Geschäften weisen sogar automatische Durchsagen auf noch freie Kassen hin. Zwar ist jeder Laden, den man betritt, zum Bersten gefüllt, nur an den Kassen sieht man das nicht. Dort bildet sich nur ab und zu eine kleine Schlange.

„Das Geschäft läuft gut heute, die Menschen kommen seit in der Früh“, sagt eine ältere Verkäuferin eines Münchner Warenhauses. Sie habe gar nicht das Gefühl, dass die Kunden besonders im Stress seien: „Die Verkäuferinnen schon eher.“

Wer seit Stunden durch die Fußgängerzone stromert, ist tatsächlich weniger gestresst als ermattet. Wen wundert's beim Schneematsch, der seit Vormittag vom Himmel fällt und tiefe Pfützen hinterlässt. Wer keinen Regenschirm dabei hat, zieht seine Kapuze tief ins Gesicht oder sucht Schutz bei einem der Glühwein-Stände.

Das freut Carola Reuss. Sie war eine der ersten, die sich in München in das Glühwein-Buden-Geschäft gestürzt hat: „Sie seh’n ja selber, dass es super läuft. Die Leut' san glücklich, dass sie an Glühwein kriegen.“ Vor ihrem Standl drängen sich mit Tüten vollgepackte Einkäufer, die auf ihre abgeschlossenen Weihnachtseinkäufe anstoßen. Oder diejenigen, die hoffen, mit Hilfe des warmen Weins vielleicht doch noch auf eine zündende Geschenkidee zu kommen.

Es ist wirklich voll am dritten Advent. Doch ist das schon die große Weihnachtspanik? „Für den richtig großen Andrang ist es noch zu früh“, glaubt die freundliche Verkäuferin einer Boutique in der Sendlinger Straße. Sie ist seit mehreren Jahren im Geschäft, hat Routine im aufregenden Weihnachtsgeschäft: „Wir haben mal besser, mal schlechter verkauft als im letzten Jahr. Jetzt hoffen wir auf den kommenden Samstag“, sagt sie und reicht ihren Kunden ein paar Plätzchen.

Nur einem scheint der ganze Trubel ziemlich egal zu sein: dem Weihnachtsmann selbst. Der steht mit einer Hand voll „Hilfsweihnachtsmännern“ in der Fußgängerzone und feiert seinen Junggesellenabschied. Eigentlich heißt er Christian und ist aus Fulda. Um halb fünf Uhr morgens haben seine Kumpels ihn heute aus dem Bett geklingelt, um nach München zu fahren, ausgerechnet jetzt.

Ob sie Geschenke einkaufen wollen? „Nee, wir gehen erst mal ins Hofbräuhaus.“

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