GDL-Streik in München: Volle Fernbusse und leere Taxis

Chaos? Fehlanzeige. Auf den ersten Blick herrscht rund um den Münchner Hauptbahnhof Gelassenheit. Die Verärgerung offenbart sich im Detail.
von  dpa
So sah es am Samstag am Hauptbahnhof aus. Die Bilder vom Bahnstreik in München
So sah es am Samstag am Hauptbahnhof aus. Die Bilder vom Bahnstreik in München © dpa

München - Am Zentralen Omnibusbahnhof in München warten Fahrgäste auf den Bus nach Innsbruck. Ein Mann im grauen Cashmerepullover sagt: "Wir wollen zum Gardasee und steigen in Innsbruck um. Wir mussten spontan umdisponieren, aber das mit dem Bus ist super. Viel billiger auch."

Er schaut seine Frau an: "Das machen wir jetzt immer! Eigentlich müssten wir den Lokführern danken."

Ein Bus nach Zürich fährt an der Schlange vorbei. Er ist bis auf den letzten Platz besetzt. Wegen des Lokführerstreiks fallen am Samstag die meisten Fernzüge aus. "Gestern ist unser Server zusammengebrochen, weil so viele auf unserer Webseite waren. Und auch hier im Laden war's brechend voll, die Leute standen bis draußen an", sagt ein Ticketverkäufer von Flixbus.

Heute sei es nicht mehr so wild, aber noch immer "ein bisschen voller als sonst". Je mehr Sitzplätze in den Fernbussen verkauft würden, desto mehr müssten die Passagiere zahlen.

Das sei aber immer so - einen Streik-Zuschlag gebe es nicht. Tausend Schritte weiter, vorm Münchner Hauptbahnhof, stehen drei Taxifahrer vor ihren Autos in der Sonne und rauchen. "Also, bei mir tut sich gar nichts", sagt der eine. "Ich bin jetzt seit drei Stunden unterwegs und habe 63 Euro gemacht. Noch weniger als sonst." Sein Kollege nickt: "Wenn nichts ankommt, kannste ja auch nichts fahren."

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In der Bahnhofshalle warten fünf Verkäuferinnen hinter Butterbrezn und Semmeln auf Kunden. "Also heute ist es wirklich ruhig", sagt eine von ihnen. "Normalerweise haben wir hier alle gut zu tun. Aber heute Morgen kommt hier fast überhaupt keiner." Lautsprecherdurchsagen übertönen ihre Worte.

Im Minutentakt verkündet eine Frauenstimme Ausfälle: "Der RE nach Passau fällt leider aus. Der Grund dafür ist der Streik der GDL." Wenig später: "Der ICE nach Essen fällt leider aus. Der Grund dafür ist der Streik der GDL." Kurz darauf: "Der RB Richtung Donauwörth fällt leider aus.

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Der Grund dafür ist der Streik der GDL." Sie lässt keinen Zweifel daran, wer hier die Schuld trägt. Zwei Frauen sitzen auf ihren Koffern und unterhalten sich. Sie wollen nach Kassel, nach Hause. "Wir haben schon im Hotel gefragt, ob wir verlängern können, aber das geht nicht. Also, wenn unser Zug nicht fährt, müssen wir uns etwas überlegen. Bis Montagmorgen hier auf dem Bahnhof zu bleiben wäre jedenfalls recht ungemütlich." Sie kichern. "Excuse me, the train to Vienna, does it go?" fragt ein älterer Herr eine Bahnmitarbeiterin. Sie geht zum Fahrkartenautomaten und fängt an zu tippen.

"That's Wien?" Der Mann nickt, die Mitarbeiterin tippt weiter. "Yes, it's going", sagt sie und strahlt. Er bedankt sich. An einem mobilen Informationsstand der Bahn gibt es auch Kaffee. Ein Dutzend Menschen stehen darum herum, Tickets in den Händen. Der DB-Mitarbeiter schaut abwechselnd auf die Tickets, sein Smartphone und die Gesichter seiner Kunden. Mit ruhiger Stimme erteilt er Auskunft. Eine Etage tiefer, im Durchgang zur S-Bahn, verlieren sich einige Passanten. Ein Tabakverkäufer kommt aus dem Hinterzimmer hervor, kaut den Rest seiner Semmel und zieht die Schultern hoch.

"Es ist gar nichts los. Ich stehe hier seit drei Stunden und hatte vielleicht zehn Kunden. Eigentlich könnte heut' auch schließen."

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Sein Lächeln verschwindet. "Das ist schon eine Frechheit! Was da alles dranhängt, das machen die sich ja gar nicht klar." Auf dem S-Bahngleis starren die Fahrgäste auf ihr Smartphone oder die Anzeigetafel. "Ich suche gerade den Notfallplan der Deutschen Bahn", sagt eine junge Frau und scrollt auf der DB-Website nach unten. "Der hängt hier ja nicht.

Aber online ist der auch nicht gerade einfach zu finden. Ich muss nach Dachau und überlege gerade hin und her, ob es klüger ist, auf die S-Bahn zu warten oder mal hoch zu den Regionalzügen zu gehen." Sie entscheidet sich schließlich fürs Warten auf die S-Bahn. Bei den Autovermietungen auf der Galerie am Hauptbahnhof stehen sechs Leute an.

"Es ist vielleicht ein bisschen mehr los als sonst, aber das große Geschäft ist das heute bei weitem nicht", sagt ein Mitarbeiter. Zwei Frauen sagen: "Wir haben uns sofort dazu entschlossen, ein Auto zu mieten, als wir vom Streik gehört haben. Wir fahren eigentlich total gerne Bahn, aber dass jetzt so ein ganzes Wochenende über gestreikt wird, ist schon krass."

Aber die Bahn könne ja nichts dafür. "Deshalb werden wir sie beim nächsten Mal auch wieder nehmen."

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