GBW-Ausverkauf: Diese Mieter wehren sich

Rund 20.000 Münchner Mieter fürchten um ihre Wohnung: Wird die GBW an ein privates Unternehmen verkauft, drohen drastische Mieterhöhungen. Die Betroffenen wollen kämpfen.
von  Myriam Siegert
Anita Scherb (76), GBW-Mieterin am Karl-Marx-Ring in Neuperlach: „Riesensauerei!“ Fünf Kinder hat Anita Scherb in ihrer Wohnung groß gezogen. „Seit 41 Jahren wohnen wir hier. Wir waren die ersten Mieter im Haus. Früher waren das hier Sozialwohnungen. Seit die Sozialbindung weggefallen ist, haben wir schon zwei Mieterhöhungen von je 20 Prozent gehabt."
Anita Scherb (76), GBW-Mieterin am Karl-Marx-Ring in Neuperlach: „Riesensauerei!“ Fünf Kinder hat Anita Scherb in ihrer Wohnung groß gezogen. „Seit 41 Jahren wohnen wir hier. Wir waren die ersten Mieter im Haus. Früher waren das hier Sozialwohnungen. Seit die Sozialbindung weggefallen ist, haben wir schon zwei Mieterhöhungen von je 20 Prozent gehabt." © Petra Schramek

MÜNCHEN - Der geplante Verkauf von Bayerns größter Wohnbaugesellschaft GBW durch die Bayerische Landesbank versetzt die Mieter in Angst: Bayernweit betrifft das 83.000 Mieter, in München sind es 20.000 Mieter in 10.000 Wohnungen. Horst Seehofer versicherte zwar diese Woche „sozialen Schutz“ für die Mieter – darauf vertrauen mögen aber die wenigsten.

Greift ein Privatunternehmen zu und erhöht die Mieten, können sich das viele Betroffene nicht mehr leisten. Viele Mieter schließen sich zu Mietergemeinschaften zusammen und es läuft derzeit eine große Unterschriftenaktion vom „Bündnis Bezahlbares Wohnen“, OB-Kandidat Dieter Reiter (SPD), Deutscher Mieterbund und Mieterverein (AZ berichtete). Darin wird die Bayerische Staatsregierung aufgefordert, die GBW-Aktien zu übernehmen und die Mieter durch konkrete Zusatzverträge abzusichern.

Extra-Tipp: Weitere Infos zur Unterschriftenaktion finden Sie unter: www.bezahlbares-wohnen.de


Albert Nether (75), Rentner, GBW-Mieter am Karl–Marx-Ring in Neuperlach:

„Wir wohnen seit 40 Jahren hier. Das Haus wurde 1972 gebaut, wir gehörten zu den ersten Mietern. Für unsere 74 Quadratmeter zahlen wir 466 Euro kalt. Das Schlimmste, was uns Mietern passieren kann, wäre der Verkauf an eine Kapitalgesellschaft, die einerseits nichts in die Wohnungen investiert und andererseits die Mieten erhöht. Es ist klar, dass so ein Unternehmen möglichst hohe Gewinne abschöpfen will. Den Ankündigungen von Herrn Söder, dass beim Verkauf alles sozialverträglich ablaufen wird, glauben wir nicht. Wir haben eine Mietergemeinschaft gegründet und kämpfen mit dem Mieterverein um Zusatzvereinbarungen. Zum Beispiel wollen wir ein lebenslanges Wohnrecht für Mieter über 65, und wenigstens 10 Jahre Wohnrecht für solche, die jünger sind. Wir möchten außerdem erreichen, dass die derzeit zulässige Mieterhöhung von 20 Prozent alle drei Jahre auf 15 Prozent gesenkt wird. Damit wäre uns schon geholfen.“


Renate Tietze (74), Rentnerin, GBW-Mieterin am Karl-Marx-Ring in Neuperlach: „Ich wohne hier seit 1975 und ich liebe meine Wohnung. Es ist schön grün, man hat in der Nähe, was man braucht. Außerdem habe ich meine Freunde und Bekannten hier, mein Sohn und die Enkelkinder wohnen auch ganz in der Nähe. Ich habe große Angst, dass ich hier ausziehen muss, wenn die Mieten noch mehr steigen. Wir hatten ja schon zwei Mieterhöhungen um 20 Prozent. Die Renten steigen aber kaum. Mein Auto habe ich schon abgemeldet. Ich spare, wo ich kann. Ich wüsste nicht, wo ich in München eine bezahlbare Wohnung finden soll. Und auch der Umzug kostet einen Haufen Geld. In all den Jahren wurde an den Wohnungen nichts renoviert. Nur die Fenster waren so marode, dass sie ausgetauscht werden mussten. Die Fußböden, Küche und Bad habe ich selbst renoviert.“


Jana Wüst (22), Studentin, GBW-Mieterin in der Konradinstraße in Untergiesing: „Ich wohne erst seit einem halben Jahr hier. Ich bin zum Studium nach München gekommen und habe ewig nach einer Wohnung gesucht, die ich mir leisten kann. Ich war so froh, als ich endlich etwas gefunden hatte. Die Wohnung hier teile ich mir mit einem Mitbewohner. Wir zahlen für 54 Quadratmeter 580 Euro kalt. Auch als WG ist es schwierig, etwas zu finden, viele Vermieter wollen keine Wohngemeinschaften. Ich bin wirklich erschrocken, als ich gehört habe, dass verkauft werden soll. Ich fürchte, dass wir hier ausziehen müssen, entweder wegen Renovierungen oder weil die Mieten so erhöht werden, dass wir uns die Wohnung nicht mehr leisten können. Wir haben hier auch viele Rentner, ein paar Alleinerziehende, eine Nachbarin ist pflegebedürftig. Alles Leute, die keine Großverdiener sind. Für die wäre das mindestens genauso schlimm.“


Anita Scherb (76), GBW-Mieterin am Karl-Marx-Ring in Neuperlach: „Seit 41 Jahren wohnen wir hier. Wir waren die ersten Mieter im Haus. Früher waren das hier Sozialwohnungen. Seit die Sozialbindung weggefallen ist, haben wir schon zwei Mieterhöhungen von je 20 Prozent gehabt. Die nächste ist schon angekündigt. In den Wohnungen wurde aber nichts renoviert. Wenn das so weitergeht, können wir uns das nicht mehr leisten. Man sieht es an den Wohnungen im Haus, die frei werden. Die werden komplett saniert und sind dann viel teurer. Ich habe fünf Kinder großgezogen und wir bekommen nur die Rente von meinem Mann. Wir hoffen immer noch, dass die Stadt die Wohnungen kauft, aber man weiß ja, dass die Kommunen kein Geld haben. Ich finde, das alles ist eine Riesensauerei. Wie immer muss der kleine Mann die Fehler der Großen ausbaden. Im Moment setzen sich viele Politiker für uns ein. Nach dem Wahlkampf sind wir bestimmt wieder vergessen. Es wäre schlimm, wenn man Eigentumswohnungen machen würde. Bei Eigenbedarf müssten wir innerhalb von einem Jahr raus. Aber wohin? Selbst die Altenheime sind ja unbezahlbar.“

 

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