Gauweiler soll den Tunnel bringen

MÜNCHEN - Einst waren sie Feinde. Doch inzwischen sind sie Polit-Freunde geworden: Christian Ude und Peter Gauweiler. Jetzt haben der SPDOB und der CSU-Parlamentarier einen Coup gelandet: Gauweiler soll die Verhandlungen über den Stammstrecken- Streit moderieren.
„So kann es nicht weitergehen“, meinte Gauweiler zu Ude. Für den OB ist der „schwarze Peter“ ideal: Er ist Top-Jurist, kennt als Ex-Kommunalreferent, Ex-Staatsminister und als CSU-Bundestagsabgeordneter alle Beteiligten. Und: Er sympathisiert mit den Tunnelgegnern. Gauweiler meint süffisant: Er nehme das Angebot „gerne“ an „sofern der Stadtrat – und insbesondere meine politischen Freude von der CSU-Stadtratsfraktion – dem zustimmen“.
Ude: „Die Moderation muss spätestens vor den Sommerferien beendet sein.“ Dabei müssten alle Fragen geklärt werden: Ob es eine Alternative zur Röhre gebe – von der Ertüchtigung des Schienennetzes bis zur Verlängerung der U 5 nach Pasing. Und wie die Mitfinanzierung der Kommune geklärt werden kann.
Granden der CSU schimpften zwarmunter auf Ude, aber bis jetzt gibt es kein Einladungs- Schreiben aus der Staatskanzlei oder von der Bundesregierung. Den soll er jetzt für ein Vieraugen-Gespräch bekommen, so die Staatskanzlei. Einen Moderator Gauweiler sieht Seehofer skeptisch: „Wir brauchen keinen Mediator, wir brauchen zusätzliches Geld – und das verschafft uns auch nicht der Mediator.“ Dagegen findet der CSU-Ratsfraktionschef Josef Schmid: „Ich heiße jeden Beitrag willkommen.“
Ude will die Stammstrecke retten. Er weiß: Ein Scheitern bliebe auch an ihm hängen. „Um ein Jahrhundertprojekt nicht zu gefährden“, wäre er auch bereit, zu zahlen. Aber nicht die ganze Restsumme von 350 Millionen, wie das die CSU fordert. „200 Millionen vom Bund statt 900 Millionen sind eine Provokation, kein Friedensangebot“, befindet Ude. Die Bahn müsse drauflegen und die Landkreise dabei sein. „Da muss ein sachlicher Schlüssel gefunden werden.“
Vielleicht löst sich der Streit aber auch auf. Nach Informationen von OB Ude soll ein noch anonymer Investor bereits verhandeln, einen Teil oder die ganze Restsumme von 350 Millionen zu zahlen.
Bei einer Runde in der Staatskanzlei vereinbarten Seehofer und die zerstrittenen CSU-Verbände München und Oberbayern, den Tunnel noch nicht zu beerdigen. Es soll noch einmal mit allen gesprochen werden.
Das Rückgrat der Region
Die Stammstrecke war für 240 000 Fahrgäste konzipiert – jetzt sind es 800 000 am Tag.
Die S-Bahn-Stammstrecke ist das Rückgrat der ganzen Region – und ihr Nadelöhr: Wie dringend der Ballungsraumdarauf angewiesen ist, merkt man am Chaos bei jedem Störfall im Tunnel. Angesichts des enormen Zuzugs in die gesamte Region wird sie immer wichtiger.
Am 15. Juni 1966 wurde der erste Rammstoß zum Bau des Stammstreckentunnels gemacht. Am 1. September 1971 wurde der Betrieb aufgenommen. Die Prognosen gingen von 240 000 Fahrgästen pro Tag aus. Nach einem Jahr waren es schon 400 000. Heute sind es 800 000 am Tag. Damit hat die Stammstrecke ihre Kapazitätsgrenzen erreicht. Da kann in den Spitzenzeiten nach Angaben der Bahn kein Zug mehr in die Röhre geschickt werden.
Deshalb wird spätestens seit den 80er Jahren über eine Alternative nachgedacht. Für die einen ist das eine weitere Stammstrecke, ein zweiter Tunnel. Für andere ist es ein Ausbau des S-Bahn-Südrings. Doch der ist mindestens genauso teuer wie eine zweite Röhre, steht in vielen Gutachten. Er fahre Haltestellen an, die Menschen aus dem Umland nicht bräuchten. Und es drohen Klagen von Anliegern der Ausbaustrecke.
Kritiker der Röhre sagen: drei Haltestellen (Hauptbahnhof, Marienhof, Ostbahnhof) seien zu wenig. Und außerdem bringe die Röhre nur drei Züge am Tag mehr aufs Gleis.
Doch diese Rechnung berücksichtigt nicht, dass die Region München weiter boomt: Bis zum Jahre 2015 wird es nach Hochrechnungen der Stadt allein im Umland plus 120 000 Einwohner und 77 000 Arbeitsplätze geben. Potenzielle Pendler – und für die reicht die vorhandene Kapazität von 1060 Zugfahrten am Tag auf 530 Kilometer Strecke, mit sieben Stammlinien und 148 Bahnhöfen nicht aus.
Deswegen drängen das Umland und viele Bürgermeister und Landräte auf den Bau der zweiten Röhre in München. Wie teuer die wird, weiß s keiner. Aus dem ursprünglichen 1,3 Milliarden Euro (Stand beim ersten Beschluss im Jahre 2006) sind inzwischen 2,2 Milliarden Euro geworden. Allein die Planung kostete bisher 70 Millionen.
Nach dem Aus für die Olympischen Winterspiele hieß es dann im vorigen Juli vomBundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU): Der Bund kann seinen Anteil von 900 Millionen Euro nicht zahlen. Bestenfalls schießt er 200 Millionen zu. Deswegen schlug Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) vor: Stadt und Land teilen sich halbe-halbe die restlichen 700 Millionen Euro. Die Bahn als Nutznießer gibt nur 100 Millionen Euro.
Und die Münchner CSU, die heute wegen der zweiten Stammstrecke gern auf OB Ude eindrischt, hat sich schon im Jahr 2009 von der zweiten Röhre verabschiedet.