Gabriele Bernhardt: "Nur so kann der Sumpf ausgetrocknet werden
München - Unseriöse Firmen schädigen den Ruf einer ganzen Branche – sehr zum Ärger derer, die korrekt arbeiten und faire Preise verlangen. Die Wettbewerbszentrale, eine Selbstkontrollinstitution für fairen Wettbewerb, versucht, den schwarzen Schafen das Handwerk zu legen. Die 54-jährige Gabriele Bernhardt ist Rechtsanwältin und Syndikus der Zentrale gegen unlauteren Wettbewerb. Doch die Juristen stoßen an ihre Grenzen. Auch sie fühlen sich von der Polizei allein gelassen, wie Bernhardt der AZ im Interview verraten hat.
AZ: Frau Bernhardt, Sie plagen sich seit vielen Jahren mit unseriösen Schlüsseldiensten herum. Warum ist es so schwierig, gegen die vorzugehen?
GABRIELE BERNHARDT: Es ist sehr aufwendig, jeden einzelnen Fall zu prüfen. Zumal die Firmen und Subunternehmer häufig ihre Firmennamen wechseln. Dazu kommt, dass bei vielen Polizisten immer noch die Kenntnis fehlt, dass es sich hier meist um ein gut organisiertes System einiger Weniger handelt, die im großen Umfang andere abzocken. Es passiert leider immer wieder, dass Geprellte, die Anzeige erstatten wollen, von Polizisten weggeschickt werden. Nach dem Motto: Sie haben ja unterschrieben.
Muss man die Rechnung überhaupt unterschreiben?
Eine Rechnung muss grundsätzlich nicht unterschrieben werden!
Kann ich mich weigern, sofort zu bezahlen?
Ja! Der Unternehmer kann nicht von mir verlangen, dass ich sofort bezahle oder ein bestimmtes Zahlungsmittel verwende. Der Dienstleister ist außerdem verpflichtet, mich über die Kosten zu informieren, bevor er anfängt. Unseriöse Firmen machen das natürlich nicht. Ich kann das Unternehmen sogar wieder wegschicken, wenn mir die genannten Kosten zu hoch erscheinen oder wenn die vorher keinen Preis nennen wollen. Ich habe ein gesetzliches Widerrufsrecht bei Geschäften, die außerhalb der Geschäftsräume geschlossen werden.
Was unternimmt die Wettbewerbszentrale gegen die schwarzen Schafe?
Wir prüfen alle Fälle, von denen wir erfahren und sprechen zunächst Abmahnungen aus. Wenn die Dienstleister gegen die Abmahnung verstoßen, prozessieren wir – notfalls bis zum BGH.
Was kostet das einen Abgemahnten?
Das sind pauschal immer 267,50 Euro.
Darüber lachen die doch nur!
Ja, das ist das Traurige. Bei einem einzigen Einsatz verdienen die mit ihren Wucher-Preisen das X-Fache.
Haben Sie vor Gericht schon mal gewonnen?
Wir haben schon viele Prozesse gewonnen, zuletzt vor dem OLG Köln. Momentan ist auch ein Rechtsstreit beim Kammergericht Berlin anhängig. Aber leider bleiben wir oft auf unseren Kosten sitzen, da der Gegner nicht mehr greifbar ist oder den Offenbarungseid leistet.
Kann ich bei der Suche im Internet erkennen, ob die Firma seriös ist?
Sehr schwierig! Ich rate auf jeden Fall davon ab, die ersten fünf, die erscheinen, anzurufen. Ein kleiner, ortsansässiger Betrieb würde nie so inserieren. Da erscheinen nur die großen Vermittlerfirmen. Aber auch bei den nachfolgenden Einträgen können Sie nicht sicher sein. Es gibt schwarze Schafe, die die Adressen von lokalen Ladengeschäften benutzen, aber woanders sitzen.
Also bleibt nur, sich vor dem Notfall eine Firma zu suchen?
Genau. Suchen Sie sich ein Ladengeschäft in der Nähe, notieren Sie die Nummer. Den Zettel kann man sich unter den Fußabstreicher legen.
Was kann ich tun, wenn ich schon unterschrieben und gezahlt habe?
Gehen Sie zur Polizei und erstatten Sie Anzeige wegen Wuchers. Bestehen Sie darauf. Wurden Sie genötigt, sofort zu zahlen, erstatten Sie auch noch Anzeige wegen Nötigung. Wenn auf der Rechnung eine Steuernummer steht, informieren Sie auch das zuständige Finanzamt. So kann man die piesacken, falls die auch noch die Steuern hinterziehen.
Die meisten denken vermutlich, dass es nichts bringt, den Schlüsseldienst im Nachhinein zivilrechtlich zu verklagen. Schließlich muss man dann erst mal einen Anwalt zahlen.
Ja, das ist leider so. Es ist ein Trauerspiel. Nur, wenn möglichst viele Geprellte Strafanzeige erstatten, kann der Sumpf irgendwann trockengelegt werden. Die Staatsanwaltschaft in Kleve hat im vergangenen Jahr zwei mutmaßliche Hintermänner solch eines Schlüsseldienst-Firmengeflechts verhaften lassen. Die Zentrale saß in Geldern. Rund 700 Anzeigen aus ganz Deutschland lagen vor. So kann es auch gehen.
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