G 8: Ein Drittel der Schüler braucht Nachhilfe

MÜNCHEN - Eine große Studie zeigt auf: In der 9. Klasse ist der Druck extrem hoch, 80 Prozent haben keine Zeit für Hobbys mehr. Die Landes-Eltern-Vereinigung bezeichnet die Situation als "als sozialen Sprengstoff".
Seit seiner Einführung ist das achtstufige Gymnasium (G 8) ein Streitpunkt, 2011 macht der erste Jahrgang Abitur: Eine Studie der Landes-Eltern-Vereinigung der Gymnasien in Bayern (LEV) zeigt, wie brutal der Stress für die Schüler geworden ist: Ein schlechtes Zeugnis für die Bildungspolitik in Bayern – viele Schüler brauchen Nachhilfe, das Familienleben leidet. LEV-Geschäftsführer Thomas Lillig spricht von „sozialem Sprengstoff“.
Lernen, lernen, lernen – seit der Einführung des G8 dreht sich nach Einschätzung des LEV das Leben in vielen Familien nur noch um die Schule. „Durch die Umstellung des Systems haben wir einen enormen Druck auf die Schüler gebracht“, sagt Lillig. Das zeige auch die aktuelle Umfrage, an der insgesamt 35000 Väter und Mütter teilgenommen haben. Zentraler Kritikpunkt: Die Fülle an Lernstoff, die laut LEV im Unterricht nicht zu bewältigen sei. „Nach der Schule sind viele Schüler nicht in der Lage, die Hausaufgaben alleine zu machen“, sagt Lillig. „Dabei ist es doch die Aufgabe der Schule, Grundverständnis zu vermitteln.“
Das führt zum Brennpunkt Nachhilfeunterricht: Laut der Umfrage brauchen immer mehr Schüler im G8 Nachhilfeunterricht – in der 5.Klasse bereits jeder achte. Der größte Nachholbedarf zeigt sich in der neunten Klasse: „Hier nimmt ein Drittel der Schüler in einem Fach oder mehreren Fächern Nachhilfeunterricht – vor allem in Mathematik und Latein.“
Laut LEV ein deutliches Zeichen für die Überforderung der G8-Schüler. Hinzu kommt die Feststellung, dass sich nicht jede Familie Nachhilfeunterricht leisten kann. „Es darf sich nicht am Geldbeutel der Eltern entscheiden, welche Schule das Kind besucht“, mahnt Lillig. Er befürchtet einen „verkappten Prozess hin zur Privatisierung der Bildungsfinanzierung“.
Zur finanziellen kommt die psychische Belastung. Auf die Frage, ob sich für ihr Kind schulbedingte Stresssituationen ergeben, antworteten fast 84 Prozent der Eltern zwischen fünfter und zehnter Jahrgangsstufe mit „Ja“. Zeit für Hobbys? Fehlanzeige in 80 Prozent der Familien.
„Wir haben von Anfang an gemahnt, Lehr- und Stundenpläne zu kürzen, doch keiner hat den gordischen Knoten getrennt“, ärgert sich Thomas Lillig. Er fordert vom Kultusministerium ein Umdenken bei der Lehrplangestaltung: Sinnvoll wäre, Wirtschaft und Universitäten mit ins Boot zu holen“, erklärt Lillig. „Die Frage muss sein: Was müssen unsere Kinder am Ende können?“
Der Schulminister Ludwig Spaenle hat versprochen, das Ergebnis der Elternumfrage zu prüfen: „Die Probleme, die hier zu Tage gefördert werden, werden wir angehen." Gleichzeitig startet das Kultusministerium eine eigene Umfrage an bayerischen Gymnasien. Es soll darum gehen, wie die neue Oberstufe des achtjährigen Gymnasiums vor Ort umgesetzt wird. V. Assmann