Fußball als Medizin: So hilft ein Münchner Flüchtlingen

Nach ihrer Ankunft in München fällt es jungen Flüchtlingen besonders schwer, sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden. Olaf Butterbrod bietet ihnen einen Start ins neue Leben – auf und neben dem Fußballplatz
von  Niels Bula
Olaf Butterbrod (links) kickt mit minderjährigen Flüchtlingen zuvor in der Osterwaldstraße
Olaf Butterbrod (links) kickt mit minderjährigen Flüchtlingen zuvor in der Osterwaldstraße © Niels Bula

München - Es gießt wie aus Kübeln. Strahlte eben noch die Sonne, bedecken nun Pfützen den Sportplatz auf dem Gelände der Bayerischen Landesbank (BayernLB) in der Osterwaldstraße. Doch einer neunköpfigen Truppe auf einem Hartplatz scheint das nicht viel auszumachen. Im strömenden Regen macht sie sich für das anstehende Training warm. „Habt ihr alle einmal aufs Tor geschossen?“, ruft Trainer Olaf Butterbrod seiner Fußballmannschaft zu und beginnt mit den Laufübungen.

Das war vor etwa einem Jahr. Sein Team ist inzwischen von der Osterwaldstraße auf das Trainingsgelände des ESV Neuaubing umgezogen. Das musste sein, denn: Butterbrods Mannschaft ist eine besondere Mannschaft. Sie besteht aus Flüchtlingen.

Und diese besondere Mannschaft hat nun eine neue Heimat gefunden: Dem ESV Neuaubing fehlte eine Fußballmannschaft – und Butterbrods Team wollte gern im Ligabetrieb des Bayerischen Fußballverbandes antreten. Seitdem geht es für seine Mannschaft bergauf. „In der Winterpause mussten wir sogar eine zweite Mannschaft anmelden – wegen des großen Zuspruchs“, erklärt Butterbrod. „Heute haben wir mehr als 50 Spieler mit Spielerpass.“

Noch vor ein paar Jahren war nicht abzusehen, dass sich das Projekt in diese Richtung entwickeln würde. Seit 2012 trainiert Butterbrod regelmäßig mit jungen Männern, die aus Ländern wie Afghanistan, dem Irak, Südafrika, Somalia und Eritrea stammen. Sie kamen größtenteils als minderjährige und unbegleitete Flüchtlinge - das heißt ohne ihre Familie – nach München. Der 44-jährige Journalist und Mitarbeiter des Strategischen Marketings der BayernLB engagierte sich zuvor in einem Waisenhaus in Tansania und kickte auch dort schon gemeinsam mit Kindern. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland wollte er auch in München etwas bewegen.

Olaf Butterbrod spielt Fußball seit seiner Kindheit nun verbindet er es mit Engagement. Foto: Niels Bula

Die BayernLB stellte ihm dafür zunächst einen Platz auf ihrem eigenen Sportgelände in der Osterwaldstraße zur Verfügung und die karitative Initiative des Bayerischen Rundfunks, „Sternstunden e.V.“, vermittelte ihm Kontakte zu jungen Flüchtlingen. Es kamen auch Anrufe von der Stadt, die ihm neue Spieler für seine Mannschaft schickte, erzählt Olaf Butterbrod. "In München hatte sich inzwischen auch herumgesprochen, dass es hier ein ganz nettes Fußballangebot gibt."

So hatte auch Hamid nach seiner Ankunft in Deutschland von dem Fußballtraining erfahren. Seit März vergangenen Jahres ist er hier in Deutschland, erzählt der 20-Jährige. Gern wäre er Fußballprofi und würde für den FC Bayern München auflaufen.

In seinem Heimatland Eritrea sah Hamid keine Lebensgrundlage und nahm daher die gefährliche Reise nach Deutschland auf sich. Die Schicksale und Geschichten seiner Spieler bewegen Butterbrod. Viele sind auf dem Weg ihrer Flucht gefoltert worden, erzählt er. So konnten zwei Jungen aus seiner Mannschaft bei ihrem ersten Training nicht ins Tor gehen, weil ihre Arme durch Folter verletzt waren. Trotzdem stehen genau diese Dinge beim Training nicht im Mittelpunkt, meint Butterbrod. Die Jugendlichen können ihre Probleme für einen Moment beiseite schieben und sich nur auf den Sport konzentrieren. „Fußball ist die beste Medizin. Es macht Spaß zu sehen, wie die Jungs mal vergessen können.“

"So lernen die Jugendlichen die Sprache schneller"

Doch nicht nur auf dem Fußballplatz begleitet Butterbrod die Flüchtlinge. Auch neben dem Training verbringt er Zeit mit ihnen. Ob Ausstellungs- oder Theaterbesuche, gemeinsames Kochen, oder Fußballschauen beim TSV 1860 München – Butterbrod will seinen Spielern das Leben in München nahebringen. Dazu lädt er auch Freunde und Kollegen ein. So wird den jungen Menschen das Deutschlernen erleichtert, ohne dass es „mit dem Holzhammer“ geschieht. „Wenn sie gezwungen sind Deutsch zu sprechen, dann schaffen sie es auch. Es ist Wahnsinn, wie schnell Jugendliche lernen“, sagt Butterbrod begeistert.

Dabei ist es ihm aber auch wichtig, nicht nur als aufopferungsvoller Helfer wahrgenommen zu werden. „Ich bin hier nicht der Jesus, der mit 50 Euro-Scheinen lang geht oder der sich die Zeit nimmt, Fußball zu spielen. Ich kriege auch total viel.“ Seine neuen Kontakte würden ihn für die Probleme in dieser Welt sensibilisieren, sagt Butterbrod. „Es schärft das Bewusstsein, dass es Menschen wie du und ich sind. Menschen, die Pech gehabt haben, in einem Folterstaat, wie Eritrea geboren zu sein, aber freundlich, engagiert und ehrlich sind.“

Am heutigen Dienstag betritt Butterbrod mit seiner Mannschaft erstmals eine größere Bühne. In einem Freundschaftsspiel trifft der ESV Neuaubing auf den Regionalligisten Unterhaching. Das Spiel kann ab 20.15 Uhr im Free TV auf Sport1 verfolgt werden.

Junge Flüchtlinge in München

Laut Informationen der Stadt wurden 2015 fast 5000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Bayerns Landeshauptstadt betreut. Im Jahr davor waren es noch etwa 2600. Für die Versorgung der Jugendlichen nimmt die Stadt München Geld- und Sachspenden entgegen. Näheres dazu erfahren Sie hier. Auch Organisationen wie „diakonia“ oder „Caritas“ nehmen Geld- und Sachspenden entgegen. Bei der Stelle für Bürgerschaftliches Engagement werden Menschen gesucht, die selbst ehrenamtliche Arbeiten übernehmen wollen (engagement.soz(at)muenchen.de).

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