Für positive Ziele: Renitente Rentnerinnen kämpfen gegen rechts

Die Damen mit den grauen Haaren und den markigen Schildern sind auf Demos – und tanzen am Kulturstrand.
von  Jasmin Menrad
Engagieren sich (v.l.): Rolf, Jutta, Mangala, Sabine und Dorothee am Kulturstrand.
Engagieren sich (v.l.): Rolf, Jutta, Mangala, Sabine und Dorothee am Kulturstrand. © min

München - Dorothee (75) wurde in der der Nazizeit geboren, ihr Vater wurde ins Gefängnis gesteckt, die Familie musste flüchten. "Das hat mein Leben belastet", sagt sie auf dem Rand der Bühne vom Kulturstrand sitzend. "Mein Vater", erzählt sie, "hat psychische Probleme bekommen, weil er sich Vorwürfe gemacht hat, dass er erst so spät gegen die Nazis aktiv geworden ist."

Dorothee will nicht erst aktiv werden, wenn es zu spät ist. Deshalb ist Dorothee eine Oma gegen rechts. "Wir sind kein Verein. Oma gegen rechts zu sein, ist eine Einstellung", sagt Sabine (54), die Gründeroma in München.

Die Bewegung entstand Ende 2017 in Wien gegen die Regierungsbildung mit der rechtspopulistischen FPÖ. Anfang 2018 traten die Frauen dann in Deutschland in Erscheinung. Dabei "müssen die bedrohlichen Entwicklungen wie Antisemitismus, Rassismus, Frauenfeindlichkeit und Faschismus erkannt, benannt und im Konkreten auch der politische Widerstand und die Bewusstseinsbildung organisiert werden", heißt es auf der Homepage omasgegenrechts.de.

Buttons weisen sie als Omas gegen rechts aus

Mitmachen kann jeder, auch Opas oder Enkel. Wobei eine Oma gegen rechts schon was Besonderes ist. "Der Begriff 'Oma' und unser Alter schützt uns, die Menschen sind höflicher. Nur manche sagen, dass wir doch gar keine Omas seien und zu jung für Enkel", sagt Dorothee.

Kurz nachgezählt in der fröhlichen Runde: Zusammen haben die anwesenden Omas und der Opa 13 Enkel. Die vier Frauen und Rolf (69) tragen Buttons, die sie als Omas gegen rechts ausweisen.

"Das erregt schon Aufsehen und wir kommen mit den Menschen ins Gespräch, auch, weil wir die Buttons nicht nur auf Demos tragen, sondern auch beim Bäcker oder Spaziergehen", sagt Sabine, die noch am kommenden Montag und die Woche darauf als DJ Sugar ab 17 Uhr unter dem Motto "Omas tanzen gegen rechts" beim Kulturstrand am Vater-Rhein-Brunnen Tango, Salsa, aber auch Rock und Pop auflegt.

Dorothee: "Ich habe schon in Wackersdorf getanzt"

Tanzfreudig sind die Omas zwar alle, aber noch lieber kommen sie mit den Menschen ins Gespräch. So entspinnt sich am Vater-Rhein-Brunnen schnell eine lebhafte Diskussion über Antisemitismus und Israel-Kritik, den sogenannten Islamischen Staat und über soziologische Theorien, nach denen Opfer später oft Täter werden.

"Wir wollen nicht nur gegen etwas sein, sondern uns auch für positive Ziele einsetzen", sagt Sabine. Deshalb hat sie auch "Omas Aktiv" gegründet. Denn die Omas sind für bezahlbares Wohnen, für bunte Vielfalt und für Frieden – oder suchen auf der Seite omas-aktiv.de einen Partner zum Tangotanzen.

"Ich habe schon in Wackersdorf getanzt", sagt Friedensaktivistin Dorothee. So positiv die Friedensaktivistin denken möchte, hat sie aber auch Angst. "Die Rechten werden in den Regierungen vieler Länder immer stärker", sagt sie.

Auch deshalb treffen sich die Omas am Sonntag um 12 Uhr auf dem Odeonsplatz bei der "Ein Europa für alle"-Demo. Sie sind leicht an ihren Schildern und dem grauen Haar zu erkennen. Das braucht's aber nicht unbedingt, um gegen rechts zu sein.

Lesen Sie hier: Rechte Gewalt in München - Wer sind die Opfer?

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