Für immer weggesperrt: Grinsend in den Knast

Nach dem Kraillinger Doppelmord haben die Richter gesprochen: Der Onkel (51) der toten Mädchen wird zu lebenslanger Haft verurteilt – nach einem bizarren Prozesstag.
Torsten Huber |
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Zu lebenslanger Haft verurteilt: Thomas S.
dpa Zu lebenslanger Haft verurteilt: Thomas S.

 

München - Jetzt ist es vorbei. Am Montag  um 16.15 Uhr ist der spektakulärste Mordprozess der jüngeren Geschichte im Münchner Landgericht zu Ende gegangen – mit einem Urteil, das härter nicht hätte ausfallen können. Der Postbote Thomas S. (51) wird für den Mord an seinen Nichten Sharon (†11) und Chiara (†8) zu lebenslanger Haft verurteilt. Zudem stellen die Richter – wie von der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage beantragt – eine besondere Schwere der Schuld fest. Damit ist eine Freilassung nach 15 Jahren ausgeschlossen; S. darf sich auf 25 Jahre im Knast einstellen. Die Höhepunkte eines bizarren Prozesstages:

DIE REAKTION


Thomas S. schüttelt nur den Kopf, grinst breit und legt während der Urteilsbegründung des Vorsitzenden Richters Ralph Alt sogar den Kopf auf den Tisch. Für ihn ist das Urteil offenbar ungeheuerlich. Bis zum Schluss behauptet er: „Ich bin unschuldig.“ Seine letzten Worte vor der Urteilsfindung sind: „Mir glaubt doch eh keiner.“

DIE WIRREN LÜGEN


Am Montagmittag hat der Angeklagte noch erneut Beweisanträge gestellt. Er behauptet, die Polizeifotos, auf denen eine Wunde an seiner Nase zu sehen ist, die ihm seine Nichte im Todeskampf zugefügt haben soll, seien von der Polizei manipuliert worden: „Die angebliche Wunde hat jemand aufs Foto gemalt. Ich hatte nie eine Verletzung an der Nase.“ Auch seine Mär von einer gestohlenen Blutampulle hält er aufrecht: „Mir wurde in Stadelheim Blut abgenommen. Das ist verschwunden, um damit den Tatort zu manipulieren.“ Richter Alt schmettert alle acht Beweisanträge ab: „Die Spuren am Tatort wurden vor Ihrer Festnahme gesichert.“ Staatsanwalt Florian Gliwitzky findet die Äußerungen des Angeklagten so abwegig, „dass man laut zu lachen anfangen müsste, wenn es nicht so traurig wäre“. Sogar die Verteidiger von S. distanzieren sich in ihrem Schlussvortrag von der Aussage ihres Mandanten. Auf die Forderung eines konkreten Strafmaßes verzichten sie. In seinem Plädoyer geht Staatsanwalt Gliwitzky auf die Tatplanung, Tatwaffen, Spurenlage und Motiv ein. Die Beweislage sei eindeutig.

DIE DREI TATWAFFEN


Der Staatsanwalt schildert, wie ein Seil, eine Kurzhantel und ein Küchenmesser zu Mordwerkzeugen wurden.
Das Seil: Den Kassenbon dafür stellt die Polizei im Auto des Angeklagten sicher. Am 7. März 2011, 17 Tage vor der Tat, hat Thomas S. das Seil für 3,64 Euro in einem Baumarkt gekauft. Auf dem Bon ist der Fingerabdruck des Angeklagten.
Die Kurzhantel, auf der die Polizei Spuren von S. findet, stammt aus dem Haushalt des Angeklagten. Dies bestätigt sogar dessen Sohn.
Das Messer stammt aus der Tatwohnung. Dies nimmt Thomas S. laut den Ermittlern vom Küchentisch, als er merkt, dass sich die beiden Mädchen heftig wehren. S. habe auch geplant, die Mutter der Mädchen zu töten, damit es nach erweitertem Selbstmord aussehe: „Er wusste, dass sie jeden Mittwoch in der Musikkneipe ist und gegen zwei Uhr nachts nach Hause kommt“, sagt der Ankläger. Nach der Tötung der Kinder habe S. seiner Schwägerin auflauern und sie töten wollen – mit einem Stromschlag in der Badewanne. Aber die Mutter kam deutlich später als erwartet. Darum habe S. den Plan verworfen. Das Spurenbild in der Wohnung spricht gegen ihn. Seine DNA und sein Blut sind überall. Das Motiv sei laut Gericht die „finanzielle Lage“ des Angeklagten gewesen. Mit einem Hausbau habe er sich übernommen. Über 100000 Euro Schulden hat der Postbote. Die Zwangsversteigerung stand bevor. Durch den Tod der Schwägerin und deren Kinder sei die Frau des Angeklagten zur Alleinerbin der elterlichen Immobilien geworden.

DIE REVISION


S. hat eine Woche Zeit, um Revision gegen das Urteil einzulegen. Dann ginge der Fall zum Bundesgerichtshof (BGH). Im Gegensatz zur Berufung wird der BGH den Fall nicht erneut aufrollen und auch keine Beweise neu erheben. Das Urteil würde lediglich auf Verfahrensfehler geprüft.

 

 

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