Fünf Monate kein Geld, weil das Amt bummelt
Ein Rentner wartet seit Januar darauf, dass sein Wohngeld bewilligt wird. Das Sozialreferat schiebt das auf „personelle Engpässe“
München - Georg Bremer lebt nicht auf großem Fuße. 30 Quadratmeter hat seine Wohnung in Obergiesing, er hat eine kleine Rente und bezieht seit Jahren Wohngeld. Jedes Jahr muss der Antrag wieder gestellt werden – doch in diesem Jahr ließen ihn die Behörden monatelang warten.
Konkret kam fast fünf Monate lang keinerlei Reaktion von der Wohngeldstelle - und auch kein Geld. „Dieser Zustand ist unzumutbar“, sagt er. „Das betrifft ja nur Geringverdiener. Und die sind auf dieses Geld angewiesen.“
Wohngeldberechtigt sind Menschen, die keine Hartz IV bekommen, aber ein geringes Einkommen haben (siehe Kasten). Bremer bekam zuletzt 100 Euro. 237 Euro kostete seine Wohnung, er bekommt 549 Euro Rente. Sein Wohngeld sollte Ende Januar auslaufen, deswegen schickte er bereits Anfang September 2010 den neuen Antrag.
Anfang Januar 2011 dann sandte Bremer eine Ergänzung: Seine Wohnung war verkauft worden, der neue Vermieter sanierte und will nun statt 237 Euro 439 Euro Miete. Daraufhin bekam Bremer Antwort: Man benötige weitere Unterlagen und Angaben. Solche Briefe enthalten auch immer den Hinweis, dass der Antragsteller eine „Mitwirkungspflicht“ hat, falls er dieser nicht nachkomme, könne sein Antrag „ganz oder teilweise abgelehnt werden“.
Bremer wirkte also mit und schickte weitere Angaben ein. Das war am 22. Januar 2011,. Danach kam das große Schweigen. Mehr als vier Monate lang hörte Bremer gar nichts - und bekam auch kein Wohngeld, seines lief ja Ende Januar aus. „Ich habe das durch Unterstützung meiner Familie überbrücken können – was machen die Menschen, die eine solche Hilfe nicht haben?“, fragt Bremer. „So lange Wartezeiten habe ich noch bei keiner anderen Behörde erlebt.“
Normalerweise beträgt die Bearbeitungszeit, so behauptet das Sozialreferat, sechs bis acht Wochen.
Schon 2009 gab es es Ärger wegen monatelanger Wartezeiten. Nach der damaligen Wohngeldreform hatte es eine Flut von neuen Anträgen gegeben. Nach öffentlichem und politischem Druck versprach die Stadt, Abhilfe zu schaffen. „Um die offenen Anträge abzubauen, haben wir befristet eine Reihe von Stellen zugeschaltet“, sagt Fabian Riedl, Sprecher der Sozialreferats. Inzwischen sei man „mit der Wohngeldsachbearbeitung auf dem Laufenden.“ Kein Probleme also?
Bremer hat das anders erlebt. Schriftlich beschwerte er sich am 9. Juni – also viereinhalb Monate nach seinem unbeantworteten Schreiben. In dem Fax droht er auch damit, sich an den Mieterverein und die Öffentlichkeit zu wenden. Am gleichen Tag setzte die Sachbearbeiterin ein Antwortschreiben auf: Darin forderte sie weitere Unterlagen, von denen im Januar nicht die Rede gewesen war. Bremer machte in einem Brief vom 14. Juni seinem Ärger über die Vorgehensweise der Behörde Luft.
Drei Tag später kam dann ein Entschuldigungsschreiben vom Vorgesetzten der Sachbearbeiterin.
Zu den angeforderten Unterlagen wolle sich die Wohngeldstelle separat äußern, er wolle aber sein „Bedauern über die unverhältnismäßig lange Bearbeitungszeit ihres Anliegens aussprechen“, heißt es da. Die Verzögerung liege aber nicht an den Sachbearbeiterinnen, sondern stehe „im Zusammenhang mit schwierigen stadtweiten Strukturveränderungen im Wohngeld.“
Er führt weiter aus, dass eine der zwei Sachbearbeiterinnen im Oktober 2010 in Rente gegangen sei, die Nachfolgerin aber erst Ende April 2011, also sieben Monate später, eingearbeitet war. In der Zwischenzeit hatte eine Sachbearbeiterin „die Wohngeldstelle im Sozialbürgerhaus alleine zu bewältigen – auch wenn sporadisch Aushilfskräfte eingesetzt wurden“.
Beim Sozialreferat will man aber von strukturellen Problemen nichts wissen, schon gar nicht von „stadtweiten“. Das Sozialreferat rechnet auf AZ-Anfrage vor: Noch im Juni 2009 hatte man über 5000 offene Fälle, ein Jahr später nur noch gut 3000, inzwischen nur noch 1968. „Die durchschnittliche Bearbeitungszeit liegt bei sechs bis acht Wochen. Wir bedauern die Fälle, in denen es uns aufgrund von personellen Engpässen nicht gelingt, diesen Standard zu halten“, sagt Sprecher Fabian Riedel.
Wie groß das Ausmaß ist, ist unklar. In Internetforen tauschen sich Betroffene über die Münchner „Trödel- und Bummelbehörde“ aus. Und laut dem Entschuldigungsbrief an Georg Bremer sind das zumindest für das Sozialbürgerhaus Giesing-Harlaching „Rückstände in nicht unerheblichem Maße.“
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