Friedrich Bauer: Es ist ein Wahnsinn, was wir jeden Tag leisten sollen

Der 60-Jährige lässt Pflege-Mitarbeiter auch mit dem E-Bike losdüsen, damit sie schneller bei Patienten sind.
Interview: Eva von Steinburg |
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"Die Pflege vor Ort, die muss laufen", sagt Friedrich Bauer (60).
Petra Schramek/privat "Die Pflege vor Ort, die muss laufen", sagt Friedrich Bauer (60).

Hier ist es anders als bei den meisten ambulanten Pflegediensten der Stadt. Bei der "Hauskrankenpflege Bauer" gibt es kaum Personal-Fluktuation. Das lobt sogar der bekannte Pflegeexperte Claus Fussek ausdrücklich.

München - "Die Pflege vor Ort, die muss laufen", sagt Friedrich Bauer (60). Der Franke ist examinierter Krankenpfleger. Sein kleiner Pflegedienst hat rund 30 angestellte Pflegerinnen und Krankenschwestern, die seit mehr als zehn Jahren bei ihm arbeiten. Drei Mitarbeiterinnen sind sogar seit über 20 Jahren Teil des Teams.

Von der Auenstraße aus düsen alle mit zwölf kleinen "Hauskrankenpflege"-Autos oder per E-Bike durchs Glockenbachviertel – zu ihren Patienten.

AZ: Herr Bauer, überall bei den Münchner Pflegediensten wird gekündigt. Wie halten Sie ihre Mannschaft zusammen?
FRIEDRICH BAUER: Wir sind über die Jahre zusammengewachsen. Bei uns kann sich einer auf den anderen verlassen im Arbeitsleben. Ich finde, man darf nicht zu viel Druck auf die Mitarbeiter ausüben.

Bauer: "Es ist ein Wahnsinn, was wir jeden Tag leisten sollen" Aber der Zeitdruck ist doch da?

Es ist ein Wahnsinn, was wir jeden Tag leisten sollen. Doch die Krankenkassen, der Gesetzgeber und der Medizinische Dienst machen schon genug Druck.

Wie vermeiden Sie in der ambulanten Pflege Stress?
Wir machen weniger Besuche pro Tag und versuchen so den Stress zu reduzieren. Bei uns sind es zehn bis zwölf Besuche maximal. Wir schauen jeden Tag, was genau sinnvoll ist. Eher specken wir manchmal bei der Bürokratie ab.

Machen Sie denn Team-Building?
Nichts Hochtrabendes. Ich schaue einfach, dass die Arbeit für jeden meiner Mitarbeiter passt. Wir gehen auch mal zum Kegeln oder in den Biergarten.

Bauer: "Einige meinen, ihre Pflegerin soll eine bayerische Schwester sein"

Wie behandeln Sie Schwierigkeiten im Dienst?
Sechs bis achtmal im Jahr ist Supervision, also Erfahrungsaustausch – mit einer Sozialpädagogin von außen, das entlastet! Dabei geht es auch um komplizierte Patienten, die das Windelnwechseln verweigern oder mit Gegenständen werfen.

Ein Teil hat einen psychiatrischen Hintergrund.
Andere sind übermäßig anspruchsvoll oder meinen, ihre Pflegerin soll eine bayerische Schwester sein, keine Pflegerin aus dem Ausland.

80 Prozent Ihrer Patienten im Glockenbachviertel sind allein, ohne Familie in der Stadt. Ihre Pfleger, die jeden Tag vorbeischauen, nehmen stark am Leben des alten Menschen teil.
Das ist anders als im Computerberuf. Wir begleiten unsere Patienten zehn bis 15 Jahre lang, kennen ihre Familiensituation, oft die Angehörigen. Wir kriegen viel vom Leben unserer Patienten mit. Pflege ist Nähe, schon wegen der Körperpflege. Wir kennen die Nöte und Sorgen und sind verbunden mit unseren Patienten.

Bauer: "Der Nachwuchs fehlt uns über zwei Generationen hinweg"

Sie stammen aus Nürnberg und sind Krankenpfleger. Sie loben die Pflege als wahnsinnig abwechslungsreichen Beruf.
Der Beruf gefällt mir so gut, weil man so viel mit Menschen zu tun hat. Wir sind ein super Team.

Aber Sie haben ein Problem.
Als Team werden wir inzwischen miteinander alt. Das Durchschnittsalter bei uns ist 55 Jahre. Das ist mein Problem. Denn der Nachwuchs fehlt überall. Über zwei Generationen sind in Deutschland viel zu wenig Leute ausgebildet worden in der Pflege.

Lesen Sie hier: Sandra Mantz - "Diese Generation hat sich durchgebissen"

Lesen Sie hier: Münchner Experte meint - "Gute Pflege ist machbar"

Lesen Sie hier: Pflege in München - Unterwegs mit dem Ambulanten Pflegedienst

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