Friedhof der Feuerwaffen: Die Bayern rüsten ab

Seit Juli haben Bayerns Bürger knapp 6500 Pistolen, Revolver und Gewehre abgegeben. In der Maillingerstraße werden sie in ihre Einzelteile zerlegt und unschädlich gemacht
von  Abendzeitung
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Illustration © Mike Schmalz

Seit Juli haben Bayerns Bürger knapp 6500 Pistolen, Revolver und Gewehre abgegeben. In der Maillingerstraße werden sie in ihre Einzelteile zerlegt und unschädlich gemacht

Ein Akku-Schrauber, zwei Handgriffe und schon liegen Lauf und Holzschaft einzeln auf der Werkbank von Mario Altmann. „Im Prinzip ist an so einem Gewehr nicht viel dran. Meist muss man eine zentrale Schraube öffnen – und schon ist das Ding zerlegt“, sagt der Experte für Waffenverwertung beim Landeskriminalamt (LKA) nüchtern.

Altmann muss es wissen: Seit Anfang Juli läuft das Amnestieprogramm zur straffreien Abgabe illegaler Waffen. 180000 Schuss Munition und 6500 Schießeisen haben die Bayern seitdem an Beamte in Ordnungs- und Landratsämtern ausgehändigt. 5530 waren es allein in München (siehe unten).

Die Behörden leiten die Waffen weiter ans LKA in der Mailingerstraße, dort landen sie auf den Werkbänken von Altmann und seinen beiden Kollegen. Sie zerlegen Kleinkaliber und Co. in ihre Einzelteile. Holzgriffe und Patronen holt der Sprengmittelräumdienst ab. „Die Schäfte werden zum Einschüren verwendet, die Munition verbrannt.“

Rohre und Metallteile verschwinden in Stahlkisten mit einem Fassungsvermögen von einem Kubikmeter. Die Behälter werden verschweißt und unter Polizei-Aufsicht nach Meitingen transportiert. In den Lechstahlwerken zerschmelzen sie zu glühendem Eisen und verwandeln sich in Bauträger oder Bahnschienen – neun Tonnen Waffen-Schrott seit Beginn der Amnestie, darunter 2151 Gewehre und 1868 Handfeuerwaffen.

Der größte Teil stammt von Sammlern, die zwar einen Waffenschein besitzen, in deren Tresoren aber nicht genug Platz für alle Flinten ist. Weil das Gesetz jedoch die Aufbewahrung im Waffenschrank vorschreibt, haben sie ein Problem. „Die wollen dann vielleicht keinen neuen Schrank für 1000 Euro anschaffen und trennen sich lieber von zwei weniger wertvollen Stücken“, sagt Altmann.

Auch einige Schützen haben ihre alten „Sportgeräte“ abgeliefert. Manche Waffen, die jetzt beim LKA in ihre Bestandteile zerpflückt werden, hat der Großvater aus dem Krieg mitgebracht. „Das meiste ist wirklich reiner Schrott“, sagt Altmann, „in hoher Stückzahl produziert, nicht besonders gepflegt, von geringem Wiederverkaufswert“. Aber, da sind sich beim Landeskriminalamt alle einig: Mit jeder zerstörten Waffe steigt die Sicherheit im Freistaat.

Noch sind rund 1,2 Millionen genehmigte Ballermänner bayernweit im Umlauf, die Zahl der illegalen wird auf das Dreifache geschätzt. Erst diese Woche gelang der Nürnberger Kriminalpolizei ein beeindruckender Schlag gegen kriminelle Händler: Die Beamten nahmen zwei Männer fest und beschlagnahmten 19Kurz- und zwölf Langwaffen, mehr als 1000 Schuss Munition, mehrere Zünder, eine Handgranate sowie drei Kilo Sprengstoff.

Bei den für die Amnestie zuständigen Ämtern wurden seit Juli elf Maschinenpistolen abgegeben. „Obwohl es“, wie LKA-Sprecher Ludwig Waldinger sagt, „keine legale Verwendung für automatische Pistolen oder Gewehre gibt“. Der Besitz verstößt gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz. Vor Mario Altmann liegen gerade ein tschechisches und zwei deutsche Automatik-Exemplare in einem Pappkarton. Diese drei wird er nicht auseinander nehmen, sondern unschädlich machen und zu Trainingswaffen umfunktionieren. „Wenn wir Einsätze üben, bekommen sie die Feind-Darsteller. Außerdem setzen wir sie im Waffenrecht-Unterricht ein. Scharfe Pistolen wären da fehl am Platz“, sagt Waldinger.

Manche Softair-Waffen sehen den echten Maschinengewehren und -pistolen zum Verwechseln ähnlich. Eltern, denen die Aufrüstung im Kinderzimmer schon lange ein Dorn im Auge ist, nutzen – ein positiver Nebeneffekt der Amnestie-Regelung – die Gelegenheit, um das Kriegsspielzeug loszuwerden. Ganz nebenbei bewahren sie den Nachwuchs so möglicherweise vor Ärger mit dem Gesetz.

„Wenn Sie Softair-Waffen zuhause haben, ist das eigentlich kein Problem. Aber sobald Sie damit die Wohnung verlassen, kommen Sie schnell mit dem Waffenrecht in Konflikt“, sagt Mario Altmann. Nur, wer den Transportbehälter mit einem Schloss versperrt, ist auf der juristisch sicheren Seite. Wer sein Gotcha-Gewehr einfach so im Kofferraum spazieren fährt, muss mit einer Anzeige rechnen – und damit, dass sein teures „Spielzeug“ auf Mario Altmanns Werkbank endet.

117 der Amnestie-Waffen werden die LKA-Fachleute weder zerstören noch im Training einsetzen. Sie sind in die „Bibliothek“ der Behörde gewandert, die Arbeitssammlung der Waffentechniker. 6738 verschiedene Pistolen und Panzerfäuste, Revolver und Raketenpistolen, Gewehre und Geschütze haben die Beamten hier seit 1946 zusammengetragen – zu Studienzwecken.

Nun sind eine Reihe von Kleinkaliber-Gewehren dazu gekommen, die meisten stammen aus den 70er Jahren. Der zuständige Techniker, der auf möglichst viele verschiedene Ausführungen von Anschütz-Gewehren mit Magazin gehofft hatte, ist mit der Ausbeute nicht sonderlich zufrieden. „Der Anschütz-Einzellader war um fünf Mark billiger als die Version mit Magazin. Von 100 Gewehren, die jetzt kommen, sind deshalb 99 Einzellader. Und das mit Magazin ist meist kaputt.“ Ein Glück, dass die Amnestie noch bis 31.Dezember läuft.

Natalie Kettinger

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