„Freiheit! Freedom! Braveheart!"

„Blechschaden“-Gründer Bob Ross ist Schotte – und glühender Verfechter der Unabhängigkeit. Er sagt: „Wir haben viel mehr zu bieten als Öl und Whiskey.“ Das AZ-Interview zum Referendum.
Natalie Kettinger |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
So kennt man den „Blechschaden“-Chef: im Karo-Jacket und immer zu Scherzen aufgelegt.
Blechschaden So kennt man den „Blechschaden“-Chef: im Karo-Jacket und immer zu Scherzen aufgelegt.

AZ: Herr Ross, dürfen Sie als Auslands-Schotte eigentlich am Referendum teilnehmen?

BOB ROSS: Nein – aber Deutsche, die in Schottland leben. Ist das nicht europafreundlich?

Was hätten Sie angekreuzt?

Na das, auf das ich schon mein ganzes Leben warte: die Unabhängigkeit! Freiheit! Freedom! Braveheart! Mehr Orchester für Schottland! Keine Atomwaffen mehr!

Welche Vorteile hätte die Unabhängigkeit?

Ein Beispiel: Die Schotten wollen keine Atomwaffen mehr haben. Die kosten jedes Jahr Milliarden. Dieses Geld soll in die Bildung fließen, in die Schulen. Das allein ist schon eine tolle Sache. Und das Land dürfte sich endlich selbst regieren. Bislang ist es doch so: Selbst wenn alle Schotten für die Labour-Partei stimmen würden, könnte es sein, dass wir weiterhin von den Konservativen regiert werden – wegen des Mehrheitswahlrechts. Dabei gibt es im Zoo von Edinburgh mehr Panda-Bären als konservative Abgeordnete aus Schottland im Parlament. Wir haben zwei Pandas, aber nur ein Mal eine einzige Person zu den Konservativen nach London geschickt. Aus Versehen. Außerdem ist Schottland viel fortschrittlicher. Großbritannien ist doch im 19. Jahrhundert steckengeblieben.

In wiefern?

Die Grüne Partei hätte in Großbritannien nie eine Chance. Da gibt es nur zwei Parteien, die sich kaum unterscheiden. Früher existierte wenigstens noch eine richtige Arbeiterklasse. Aber mit der ist es seit Maggie Thatcher auch vorbei. Heute werden alle von diesen Elite-Typen aus Eton regiert. Dabei sind die völlig weltfremd – ganz anders als Alex Salmond, der schottische Kandidat. Zudem wollen die Engländer raus aus der EU – und Schottland ist unbedingt EU-freundlich, schon seit Braveheart. Im Museum von Edinburgh hängt heute noch ein Brief von unserem Freiheitskämpfer William Wallace – das war Braveheart – an die Hansestädte in Deutschland: Wir sind bereit mit Euch zu handeln!

Kann Schottland denn wirtschaftlich allein von Öl und Whiskey überleben?

Schottland hat viel mehr zu bieten, als diese Klischees. Schottland hat die Hälfte der Einwohnerzahl von Bayern, ist aber ein riesiges Land. Man hat ausgerechnet, dass ein unabhängiges Schottland auf Platz 30 der reichsten Länder der Welt liegen würde, noch vor Japan. Wir haben Wind-Energie, Tourismus, Computertechnologie im „Silicon Glen“ und viel fortschrittliche Industrie.

Welche Währung würde im unabhängigen Schottland gelten?

Da will man sich derzeit alle Möglichkeiten offen halten. Denn würde man sagen: Wir nehmen den Euro, kämen die Engländer mit einer riesigen Argumentation gegen Europa und den Euro. Sagen wir Pfund, heißt es: Nein, das bekommt ihr nicht. Das Pfund gehört uns. Wissen Sie, in der Regierung in England sitzen viele Jungs, die in Eton und anderen Elite-Colleges waren. An diesen Schulen schikanieren die größeren Buben die kleineren – das ist genauso wie bei England und Schottland. Allein schon, wie die mit uns reden. Sie lachen über unseren Akzent! Früher konnte man bei der BBC keine Stelle finden, wenn man nicht Upper-Class-Englisch gesprochen hat. Und es ist auch kein Wunder, dass alle Zeitungen in London gegen die schottische Unabhängigkeit anschreiben.

Wer wird Staatsoberhaupt, wenn Ihre Landsleute morgen mehrheitlich mit „Ja“? Wie wäre es mit Herzog Franz von Bayern? Schließlich ist er Prätendent der Stuarts.

Der wäre auf jeden Fall geeignet. Ich habe ihn einmal getroffen. „Ich bin dein König“, hat er mich begrüßt. Gut gefällt mir auch, was ein Komiker im schottischen Fernsehen vorgeschlagen hat: Wir lassen das Volk abstimmen und jeder kann sich bewerben. Aber im Ernst: Die alten Leute wollen englische Queen als Königin von Schottland behalten – weil sie immer bei uns Urlaub macht.

Was sagt Ihre Frau Jane denn zu Ihrer Haltung?

Sie ist doch Engländerin. Sie sagt auch, dass die Unabhängigkeit gut für die Schotten wäre. Meine Frau ist Oboistin, wir haben uns im Orchester kennengelernt, und alle, die mit Kunst, Musik oder Schauspiel zu tun haben, sind zu 99,99 Prozent für die Unabhängigkeit – ob in England oder Schottland. Alle wünschen uns das Beste. Aber wissen Sie, was toll ist? Wir werden Oma und Opa. Das Baby kommt nächsten März und wir wissen immer noch nicht, ob es ein schottisches oder ein britisches Baby wird. Sicher ist nur eins: Zur Hälfte wird es ein Allgäuer sein. Unsere Schwiegertochter kommt nämlich von dort. Was haben Bayern und Schotten eigentlich gemeinsam? Berge, Seen, Wälder, eine fast eigene Sprache, Blasmusik, die eigene Tracht, Volkstänze, den Humor über Preußen bzw. Engländer, unser Nationalgetränk, bodenständige Menschen, viele Partnerstädte und last not least werden die Schotten nach der Unabhängigkeit hoffentlich wieder so gut Fußball spielen wie die Bayern!

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.