Freie-Wähler-Kandidatin Daisy Miranda offen: "Aiwangers Worte in Erding hätte ich nicht gewählt"

Lauterhofen - Die Oberpfalz zählt jetzt nun nicht unbedingt zu den Regierungsbezirken, die man mit Multikulti in Verbindung bringt. Eher vielleicht mit einem Dialekt, der für viele Bayern etwas herb klingt und gerne mal belächelt wird.
Die Oberpfalz gilt ein bisschen als der Underdog unter den Regierungsbezirken. Dass Regensburg in der Oberpfalz liegt und nicht in Niederbayern, wird gerne mal vergessen.
Kandidatin Daisy Miranda mischt in der Oberpfalz die Freien Wähler auf
Die Freien Wähler setzen sich nicht erst seit diesem Wahlkampf gezielt für den ländlichen Raum ein. Dass es in ihren Reihen in der Oberpfalz ausgerechnet eine Kandidatin mit dem exotischen Namen Daisy Miranda gibt, so ganz will das in die Bierzelt-Klischees dieser Partei nicht passen. Noch dazu wo diese Frau erst 23 Jahre alt ist und aus dem 4.000-Seelen-Dorf Lauterhofen stammt.
Mit solchen Klischees und Vorurteilen hält sich Miranda im Gespräch mit der AZ nicht lange auf. Dass es um eine Serie mit etwas ungewöhnlichen Kandidaten gehe, kommentiert sie bloß mit den Worten: "Ungewöhnlich muss ja nicht negativ sein. Außergewöhnlich würde ich sagen, und das ist eher ein Kompliment."
Daisy Miranda: "Ich kann einschätzen, was Unwissenheit oder Angst ist und was Absicht"
Es folgt die unvermeidliche Frage nach Mirandas Migrationshintergrund: Mirandas Vater stammt aus Sri Lanka und lebt seit 30 Jahren in Deutschland, ihre Mutter ist Deutsche.
Ausgrenzung habe sie direkt lange nicht erfahren, aber dass sie eine "Ausnahme" und etwas "außergewöhnlich" sei, das habe sie schon gespürt. Miranda spricht mit Oberpfälzer Einschlag, wenn sie "groß" sagt, erahnt man das verschluckte "u". Die Kandidatin nimmt viele Menschen in Schutz: "Ich kann sehr gut einschätzen, was Verhalten aus Unwissenheit oder Angst ist und was böse Absicht."
Sie versuche, sich auf das Positive zu fokussieren. Das klingt alles andere als "woke" – viele Menschen stören sich an der Debatte um Alltagsrassismus. Etwa daran, dass man nicht mehr Mohrenkopf sagen sollte.
Miranda geht nicht mit dem Thema hausieren, aber sie findet schon, "dass bei der ganzen Thematik mal was gesagt werden darf". Bei der vergangenen Bundestagswahl kandidierte sie für die Freien Wähler und sprach das Thema aktiv in einem Image-Video an. "Nur immer zu sagen, 'das ist doch nicht so schlimm', dagegen will ich mich auch wehren!"
Grundrespekt statt punktuelle Diskussion beim Thema Alltagsrassismus
Und sie geht noch weiter: "Da haben auch nur die Menschen mitzusprechen, die das hautnah erleben." Zwar könne sich jeder in den anderen Menschen hineinversetzen, aber spüren würden es nur jene, die unmittelbar von Rassismus betroffen sind. "Wenn die Diskussion zu punktuell wird, verliert sie den Kern", sagt die studierte Betriebswirtin. Für sie gehe es um den Grundrespekt und nicht nur um einzelne Wörter, die oft in der Debatte stehen und dadurch nicht hilfreich seien.
Etwas unnahbar wirkt Miranda, wenn sie von sich erzählt. Oft sagt sie "man" statt "ich". Es macht den Anschein, als ob sie sehr überlegt antwortet. Ob es ihr Kalkül als Politikerin ist oder ihr Wesen, bleibt unklar. Auch als sie erzählt, wie ein Großteil ihrer Wahlplakate für die Bundestagswahl beschädigt wurde. Sie vermutet einen rassistischen Hintergrund, wobei der oder die Täter nie komplett ermittelt werden konnten.
Auch Daisy Mirandas Wahlplakate wurden beschädigt
"Meine Plakate im Landkreis Neumarkt waren die einzigen, die mit einer Totenkopf-Schablone weiß besprüht waren", sagt Miranda. Und zwar nicht nur einzelne, sondern in manchen Regionen fast alle. Grundsätzlich sei zwar möglich, dass jemand ihre Politik schlicht nicht möge. Aber: "Selbst dort, wo auch andere Parteien oder auch die Freien Wähler als Partei geworben hatten, wurden nur meine eigenen Plakate besprüht." Ein weiteres Indiz: Die Totenkopf-Schablone sei laut Polizei in rechten Kreisen ein Symbol.
Sie hat damals Anzeige erstattet und wiegelt zugleich etwas ab, scheint es: "Das machen ja viele Parteien, das ist ein klassisches Schema, dass Plakate beschädigt werden." Auch auf Social Media erlebe sie Rassismus, Hassanrufe und -E-Mails, erwähnt sie in einem Nebensatz. "Aber ich würde schon sagen: überschaubar", sagt Miranda. Man müsse halt die Balance halten, so etwas nicht zu nah an sich heranzulassen. Und: "Man muss sich an den positiven Rückmeldungen entlanghangeln."
Flugblatt-Affäre von Hubert Aiwanger: "Dass das abscheulich war, darüber brauchen wir nicht reden"
Die Debatte um Hubert Aiwangers Flugblatt ging auch an Miranda nicht spurlos vorbei. Für sie ist seine Distanzierung vom Inhalt des Flugblatts wichtig. "Dass das abscheulich war, darüber brauchen wir gar nicht reden." Aiwanger sei der richtige Ansprechpartner in der Angelegenheit. "Ich kann nur so viel sagen: Ich habe bei den Freien Wählern nie ein Verhalten erlebt, das in diese Richtung geht. Und ich würde behaupten, dass ich noch ein bisschen sensibler bei diesem Thema bin", sagt Miranda.
In die Politik ist sie 2016/17 gekommen. "Die Wahl ist dann irgendwann auf die Freien Wähler gefallen", sagt Miranda. Gefallen hat ihr, dass es eine Partei der Mitte ist, in der man aber auch intern Meinungen stark vertreten könne. Freiheit nicht als bloße Worthülse, das habe sich seit ihrem Einstieg auch immer bewahrheitet.
Sie ist seit 2017 Mitglied bei den FW, für die Jungen Freien Wähler im Landesvorstand und Bezirksvorsitzende in der Oberpfalz. Sie steht dort auf Listenplatz fünf und rechnet sich gar nicht so schlechte Chancen aus, Direktkandidatin ist sie außerdem, nachdem der Kreisvorsitzende völlig überraschend gestorben war.
Daisy Miranda gehört zu einer Randgruppe in ihrer Partei
Neben ihrem Migrationshintergrund und ihrem Alter gehört Miranda als Frau bei den Freien Wähler zudem zu einer Randgruppe. Sie ist gegen eine Quote, will nicht, dass jemand in eine Rolle gedrängt wird. "Ich glaube nicht, dass das an den Freien Wählern liegt. Sondern eher daran, dass Frauen sich das insgesamt nicht so gut vorstellen können." Bei den Freien Wählern erlebe sie auch oft, dass es schwierig sei, Menschen für ein Ehrenamt zu gewinnen.
Möglicherweise könnte es auch an dem "Bierzelt-Image" der Freien Wähler liegen? "Weiß ich nicht", sagt Miranda. Beim Koalitionspartner sei es ja nun auch nicht so, dass es Frauen und gerade junge Frauen in Hülle und Fülle gebe.
Miranda wirkt ohnehin nicht wie der "bunte Hund", sondern sehr kontrolliert. Sie spricht oft in Phrasen, wie man sie von langjährigen Landtagsmitgliedern ebenso kennt. Was so schön an der Oberpfalz sei? "Die Kombination aus Bodenständigkeit und Innovation", sagt Miranda.
Ein bisschen taut sie auf, als es um ihre Hobbys geht. Musik ist ihre Leidenschaft und von Elefanten ist sie ganz begeistert. In Sri Lanka ist sie öfters, zuletzt im vergangenen Jahr beim 90. Geburtstag der Großmutter. Und da ist es plötzlich wieder, das Oberpfälzer "ou" – auch wenn es um das Land im Indischen Ozean geht.
"Hubert Aiwangers Worte in Erding hätte ich nicht gewählt"
Was sie anders machen würde in der bayerischen Politik, sollte es klappen? "Man ist jetzt als Kandidatin auch schon so viel unterwegs und in den Themen drin", sagt Miranda. Sie sagt auch später oft "man" statt "ich".
Sie wolle die Landkreise in der Oberpfalz und den Bezirk repräsentieren und sich für die dortigen Themen einsetzen. Als "Bindeglied" sieht sie sich. Ihr falle auf, dass viele Menschen sich von der Politik nicht mehr gehört fühlen. Aber: Aiwangers Worte in Erding "hätte ich jetzt nicht gewählt", sagt Miranda.