Frau Nallinger, wie stehen Sie zu Schwarz-Grün?
Eigentlich mag die grüne OB-Kandidatin Sabine Nallinger gar nicht mehr über Koalitionen reden - im Gespräch mit der AZ tut Sie's trotzdem.
AZ: Frau Nallinger, kürzlich haben Sie auf Facebook gepostet: „Langsam finde ich es ärgerlich, ständig mit Seppi Schmid in einen Topf geworfen zu werden. Er ist ein netter Kerl, aber inhaltlich trennen uns in vielen Punkten Welten.“ Klingt nicht danach, als könnten Sie sich Schwarz-Grün im Rathaus derzeit vorstellen. Oder?
SABINE NALLINGER: Ich trete an, um OB zu werden – und nicht um OB-Macherin für jemand anders zu sein. Mein Ziel ist nach wie vor, selbst in die Stichwahl zu kommen. Wir haben im Rathaus wichtige Themen anzugehen: Kinderbetreuung, Mobilität, Wohnen. Die Frage, welche Koalition man sich vorstellen kann, hält einen nur davon ab. Ich möchte lieber über Politik reden – und darüber, was die OB-Bewerber mitbringen an Mut, Ideen und Durchsetzungskraft.
Das war keine richtige Antwort auf die Frage.
Nein, das war eine Vorbemerkung. Der Schwerpunkt in den vergangenen Wochen lag mir einfach zu sehr auf der Frage nach Koalitionen.
Dennoch stellt sich diese Frage. Gerade wurde das Ergebnis einer von der CSU in Auftrag gegebenen Umfrage bekannt. Demnach hat Rot-Grün keine Mehrheit mehr – Schwarz-Grün aber wohl. Also: Können Sie sich so ein Bündnis vorstellen?
Die wesentlich größere Schnittmenge gibt es ganz klar zwischen Grün und Rot, politisch und kulturell. Und ich meine auch, dass Rot-Grün in den letzten Jahren wirklich einen guten Job hier gemacht hat. Und dann schaue ich mir die CSU an – Beispiel Energiewende. Da sagt Herr Seehofer zuerst: Wind wird ausgebaut. Und dann macht er ein paar Monate später Vorgaben, dass in Bayern eigentlich keine Windanlage mehr gebaut werden kann. Vor zwei Jahren sagt er: Wir müssen die Netze ausbauen. Jetzt lese ich: Das kommt doch nicht. Da frage ich mich: Was wird im Wahlkampf versprochen von der CSU, und was wird nachher tatsächlich umgesetzt?
Nun ist die Energiewende aber kein primär kommunales Thema. Wie sieht’s bei Rathaus-Themen aus: Wo trennen Sie und Josef Schmid da „inhaltlich Welten“?
Schauen wir doch mal die Mobilität an: Herr Schmid möchte überall Tunnel bauen – für die U-Bahn, für die Autos. Das ist die reine Fantasterei! Für mich heißt Politik machen: Prioritäten setzen. Und die habe ich. Zunächst mal müssen das U-Bahn- und Tramnetz massiv ausgebaut werden. Weil wir da in den letzten Jahren wirklich den Zug verschlafen haben. Das muss man so deutlich sagen.
Sagten Sie nicht gerade, Rot-Grün habe bisher einen guten Job gemacht?
Ist auch so. Aber die SPD als unser wesentlich größerer Partner hatte natürlich das Sagen. In vielen Punkten hatten wir dieselben Ziele – wie den Ausbau des ÖPNV. Aber uns Grünen war das immer viel zu schleppend, viel zu mutlos. Daher braucht das rot-grüne Bündnis eine grüne Oberbürgermeisterin. Dieses Bedenkenträgerische und dieses Verwalten geht nicht mehr.
Zurück zu Josef Schmid. Welche Punkte spalten Sie beide denn nun?
Ich fürchte, dass Josef Schmid ganz andere Prioritäten hat als ich. Ich will Werte schaffen für die Menschen hier. Auto-Tunnel, wie er sie verspricht, schaffen erst einmal keine Werte, sondern kosten wahnsinnig viel Geld. Ich habe ausgerechnet, dass uns als Stadt jede einzelne Tunnel-Durchfahrt 50 Cent kostet. Wir müssen uns überlegen, ob wir das Geld nicht lieber woanders reinstecken. Zum Beispiel in die Kinderbetreuung.
Wo ist in diesem Punkt der Dissens mit der CSU? Neue Kitas werden im Stadtrat doch einstimmig beschlossen.
Das stimmt, die CSU möchte den Ausbau mittlerweile auch. Und dennoch frage ich mich, ob die CSU – die Partei des Betreuungsgeldes – das genauso konsequent verfolgt wie wir. Ich würde das Geld halt erst einmal nicht in eine Tunnelorgie stecken, sondern da hinein. Oder nehmen wir den Fahrradverkehr: Da kommen Herr Schmid und ich gar nicht zusammen. Oder seine Idee mit dem Wohngeld – von der halte ich gar nichts.
Warum?
Dafür müsste eine riesige Bürokratie eingeführt werden. Das würde uns teuer zu stehen kommen. Außerdem würde das Wohngeld die Mieten in die Höhe treiben, und wir schaffen keine Werte damit. Das Geld verpufft. Ich bleibe bei meiner Forderung: 30 Prozent der Wohnungen müssen in städtischer und genossenschaftlicher Hand sein.
Im vorigen September haben Sie noch gesagt, es sei „falsch, sich auf eine Partei festzulegen“. Gilt das nicht mehr?
Doch, dazu stehe ich immer noch. Die Grünen werden immer noch als Anhängsel der SPD gesehen. Ich sehe uns ganz anders. Wir sind eine eigenständige Partei. Es war mir wichtig, mich mit dieser Aussage von der Klammer der SPD zu lösen.
CSU-Parteichef Ludwig Spaenle hat Sie seither umworben und sich als Schwarz-Grün-Fan geoutet. Schmeichelt Sie seine Flirterei, oder fühlen Sie sich eher bedrängt?
Weder noch. Ich weiß, was für eine Strategie dahinter steht. Ich weiß, wie groß der Wunsch der CSU ist, München zu erobern. Dafür braucht sie Bündnispartner.
Sie sehen Ihre Mitbewerber Josef Schmid und Dieter Reiter derzeit ja fast täglich.
Mehr als meinen Mann und meine Kinder ja...
Mit wem können Sie besser?
Seppi Schmid kenne ich länger als Dieter Reiter, weil wir im Stadtrat seit sechs Jahren Kollegen sind. Ich bin Profi, es geht nicht darum, mit wem ich besser kann. Ich kann Ihnen ganz klar sagen: Eine gute Zusammenarbeit ist mit beiden Herren denkbar und möglich.
Zum Schluss noch ein Blick auf Ihre Erfolgsaussichten. Beobachter gehen davon aus, dass es eine Stichwahl geben wird – und dass die zwischen Schmid und Reiter ausgemacht wird. Fühlen Sie sich schon abgemeldet?
Gar nicht. Ich erfahre gerade sehr viel Sympathie, deshalb ist mein Eindruck ein anderer. Ich habe das Gefühl, dass es noch komplett offen ist.
Die SPD hat gerade eine Umfrage veröffentlicht, aus der Reiter als Sieger hervorging. Die CSU hat eine veröffentlicht, bei der Reiter und Schmid fast gleichauf liegen. Wann veröffentlichen Sie eine Umfrage?
Die Finanzmittel haben wir nicht. Dafür sind wir frei in unserer Arbeit und haben nachher keine Lobbyisten-Gruppen zu vertreten. Für mich sind solche Umfragen reine Wahlkampfinstrumente. Das Ergebnis hängt doch sehr vom Auftraggeber ab.
Ihr Vorgänger Hep Monatzeder hatte bei der OB-Wahl 2008 3,4 Prozent der Stimmen. Ist es da realistisch, dass Sie von der Stichwahl träumen?
Es kann sein, dass wir drei viel näher beinander liegen, als diese Umfragen zeigen. Dann reichen weniger als 30 Prozent, um in die Stichwahl zu kommen. Das ist zu knacken.