Franz Josef Strauß: Hochzeit, Häme und Affären

"Lieber kalter Krieger als warmer Bruder": Die Polit-Karriere von Franz Josef Strauß hat durchaus holprig begonnen. Und als er in Bonn endlich den Ton angibt, strauchelt er.
von  Karl Stankiewitz
Er hat die Preißn irritiert – und oft auch die Menschen in den eigenen Reihen: Franz Josef Strauß.
Er hat die Preißn irritiert – und oft auch die Menschen in den eigenen Reihen: Franz Josef Strauß. © dpa

 


Kein Journalist in Deutschland hat Franz Josef Strauß so lange begleitet wie AZ-Autor Karl Stankiewitz. Stankiewitz, Jahrgang 1928, war zunächst Redakteur der Abendzeitung und der "Süddeutschen Zeitung". Später schrieb er für den "Spiegel" und den "Stern", den "BR" sowie als München- Korrespondent für bis zu 15 außerbayerische Zeitungen. 1977 erhielt er einen Preis des Internationalen Presseclubs "für hervorragende journalistische Arbeiten über die bayerische Landeshauptstadt". Seine Bücher sind im Volk-Verlag erschienen. In der großen AZ-Serie erinnert er sich an den CSU-Übervater, der heuer 100 Jahre alt geworden wäre.


 

In meinen Aktenbündeln voll vergilbter Manuskripte taucht der Name Franz Josef Strauß erstmals am 22. Januar 1955 auf. Auf einem Parteitag der CSU stand die Neuwahl des Landesvorsitzenden an. Gegen den amtierenden Hanns Seidel trat der unter Konrad Adenauer als Atomminister amtierende Franz Josef Strauß an. Die Mehrheit der 709 Delegierten bevorzugte den ruhig-sachlichen Juristen aus Franken.

"Du wirst es schwer haben," rief ihm der Unterlegene nach der Kampfabstimmung fast hämisch zu. Den Freistaat regierte nämlich damals nicht die CSU, sondern eine Koalition aus vier anderen Parteien, allerdings nicht mehr lange und nie wieder.

Eine der nächsten direkten Begegnungen war weniger politischer als privater Natur. Am 4. Juni 1957 stand ich im festlich geschmückten Rott am Inn gleichsam Spalier bei der Hochzeit von Strauß, inzwischen Bundesverteidigungsminister, mit der Brauerstochter Marianne Zwicknagl.

 

Der Bräutigam war ziemlich übernächtigt

Der Bräutigam war übernächtigt aus dem Allgäu gekommen, wo tags zuvor elf Rekruten seiner Bundeswehr bei einer befohlenen Überschreitung der reißenden Iller ertrunken waren. Der Festlichkeit tat das schreckliche Unglück kaum Abbruch.

Neben Bundes- und Landesministern war auch Kanzler Konrad Adenauer gekommen. "Nu is er endlich unter der Haube", soll sich der Alte gefreut haben. Denn in Bonn kursierten immer noch hämische Frauengeschichten über den hohen Geheimnisträger, wovon die aus New York über einen Taschenraub durch schwarze Prostituierte nur eine war.

Dann sahen wir politischen Journalisten den aufstrebenden Politiker, wenngleich er 1961 doch noch den CSU-Vorsitz vom schwerkranken Parteireformator Seidel übernommen hatte, nicht mehr so oft in seiner Geburtsstadt München.

Als Verteidigungsminister der Bonner Bundesregierung stellte er sich bei der beginnenden Konfrontation zwischen West und Ost an die vorderste Nato-Front. Er machte Weltpolitik – fern von Bayern. Er war, wie er sich einmal outete, "lieber kalter Krieger als warmer Bruder".

Doch noch in seiner Bonner Amtszeit wurde Strauß mit Affären und Skandalen in Verbindung gebracht, die hier nur in Stichworten erwähnt seien. Schützenpanzer, Starfighter, Fibag, Onkel Aloys.

 

Spiegel-Affäre beendet Bonner Karriere

Im Oktober 1962 überstürzten sich die Ereignisse: Der "Spiegel" enthüllte, dass die von Strauß aufgemöbelte Truppe nur "bedingt abwehrbereit" sei. Was der militärisch nicht so erfahrene Bundeskanzler umgehend als einen "Abgrund von Landesverrat" vorverurteilte.

Strauß griff ein, ließ in Spanien einen Redakteur verhaften und verhören, hatte jedoch „mit der Sache nichts zu tun, im wahrsten Sinne des Wortes nichts zu tun“. Die Lüge im Bundestag brachte ihn zu Fall.

Um nach den harten Bonner Rückzugsgefechten seine etwas angeschlagene Vitalität wieder aufzumöbeln, setzte sich der gescheiterte Bundesminister nach Spanien ab. Dort erreichte ihn im März 1963 aus Vilshofen ein Telegramm der Aschermittwoch-Kundgebung: "Beste Erholung und gesunde Rückkehr."

Nach gesunder Rückkehr war Strauß erst mal tagelang mit der Verlegung seiner Wohnung beschäftigt, von Bonn am Rhein nach Rott am Inn, wo sein Schwiegervater eine stattliche Brauerei betrieb. Sodann aber, das ließ CSU-Generalsekretär Friedrich Zimmermann mit drohend klingendem Unterton wissen, werde Strauß "mit aller Kraft den Kampf um seine Wiederwahl aufnehmen".

 

In Bonn gescheitert, in München unaufhaltsam

Der unaufhaltsame Aufstieg des Franz Josef Strauß in München konnte beginnen. Ungestüm, wie es seine Art war, drängte der über die "Spiegel"-Affäre gestürzte Politiker zur Macht im Freistaat Bayern. Zunächst zur fraglich gewordenen Wiederwahl als CSU-Vorsitzender.

Doch beim Comeback stieß er in der eigenen Partei auf breiten Widerstand, der sich zeitweise zur Rebellion auswuchs. Ernsthaft, wenn auch nicht erstmals, drohte der regierenden Partei eine Spaltung.

Schon lange vor der für Juni anberaumten Landesversammlung hatten sich die Fronten eines Machtkampfes formiert, wie ihn die allzeit spannungsgeladene CSU kaum je erlebt hatte.

Mit täglich wachsender Ungeduld rüttelten der eine Flügel an den Postamenten der Parteimachthaber, mit umso grimmigerer Entschlossenheit rüstete der andere, größere zum Nibelungenkampf.

Den Götz von Berlichingen des rebellierenden Fußvolks spielte ein gewisser Karl Theodor von und zu Guttenberg – dessen Enkel viel später ebenfalls vorübergehend für Unruhe in der CSU sorgen sollte.


"Strauß und seine Rebellen", den zweitenTeil der neuen AZ-Serie, lesen Sie am Montag hier auf az-muenchen.de.

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