Forschungsprojekt: Kardinal Faulhabers Tagebücher für alle

MÜNCHEN Lange Jahre waren sie in Pappkartons unterm Bett seines letzten Sekretärs Johannes Waxenberger verstaut. Der hatte zwar kein Recht dazu, hielt die 31 Besuchstagebücher von Kardinal Faulhaber aber bis zu seinem Tod im Jahre 2010 unter Verschluss. Jetzt soll ein Forschungsprojekt ein faszinierendes Fenster in die Geschichte öffnen und die Tagebücher für die Wissenschaft, aber auch die Allgemeinheit zugänglich machen.
Das ist der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) knappe 800000 Euro in den ersten drei Jahren wert. Die Tagebücher Faulhabers (Erzbischof von München und Freising von 1917 bis1952) sind in Gabelsberger Stenographie verfasst und müssen transkribiert werden. Sowohl das Original als auch die Transkription werden ab Herbst 2014 Stück für Stück für jedermann online einsehbar gemacht.
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Den Segen des amtierenden Kardinals haben die Wissenschaftler Hubert Wolf (Uni Münster) und Andreas Wirsching (Institut für Zeitgeschichte, München). Reinhard Marx freut sich, dass das wissenschaftliche Projekt dafür sorgen werde, „dass wir künftig bisher ungeahnte Einblicke in das Leben und Wirken meines bedeutenden Amtsvorgängers Michael Kardinal von Faulhaber erhalten”.
41 Jahre (1911-1952) Tagebuch zu führen, das nötigt Marx Respekt ab. Auch wenn er selber seit seiner Jugend Tagebuch führe. „Aber da geht es mehr um Geistliches”, sagt er und schmunzelt.
Dass Faulhaber eine durchaus widersprüchliche Gestalt war, weiß natürlich auch Marx. Dass sein Vorgänger zum Beispiel nach dem misslungenen Elser-Attentat Adolf Hitler beglückwünschte, könne aber auch Taktik gewesen sein. Vielleicht geben die Tagebücher ja hier eine Hilfe, hofft der Bischof.
Und er verteidigt Faulhaber. Die Faschisten selber hatten den Kardinal als unsicheren Kantonisten eingestuft. Zwei Mal sei er von der SS attackiert worden, erklärt Reinhard Marx.
„Die Kirche fürchtet die Wahrheit nicht”, glaubt Hubert Wolf. Nichts könne der Kirche mehr schaden als der Verdacht, etwas werde verschwiegen oder vertuscht, sagt auch der Bischof. „Ich bin der festen Überzeugung, dass es notwendig ist, sich der ganzen Geschichte der Kirche zu stellen.”