Formationstanz im Ziegenstall

Die Kinder- und Jugendfarm in Neuaubing feiert ihren 20. Geburtstag.
Jeden Samstag um 10 Uhr kommt Patricia an die Wiesentfelser Straße. Die Gänse Eddi, Godzilla und Cleopatra können es dann kaum noch erwarten und begrüßen ihre Pflegerin mit fröhlichem Geschnatter. Denn sie wissen genau, dass sie von ihr bald Körner, Salat und eingeweichtes Brot bekommen. Auch Ziegenbock Camillo wartet schon auf Patricia. „Erst muss ich seinen Stall ausmisten, dann bekommt er Eisbergsalat, Radieschen und Obst", sagt sie. Kopfsalat darf Camillo aber nicht essen – davon kriegt er Bauchweh. „Dann legt er sich die ganze Zeit hin."
Seit genau zwanzig Jahren gibt es die Kinder- und Jugendfarm in Neuabing. Auf eineinhalb Hektar lernen pro Woche bis zu 120 Kinder und Jugendliche den Umgang mit Tieren. Jeder kleine Helfer hat die Pflegschaft für eine Gans, ein Huhn oder Laufenten übernommen. Im Schnitt sind von Dienstag bis Samstag rund zwanzig junge Tierliebhaber zwischen sieben und siebzehn Jahren auf der Farm.
Doch die Anlage ist kein Streichelzoo, wie Leiterin Barbara Schulte betont: „Es gibt kaum ein komplexeres Arbeiten als in der Landwirtschaft. Das Bewusstsein für Natur und Umwelt soll gefördert werden." So helfen die Mädchen und Buben beim Stallbauen, ziehen Zäune oder unterstützen Betreuer Tilo Scholze bei Reparaturarbeiten an Ställen. „Viele Stadtkinder kommen her und wollen sofort etwas mit einem Tier machen, doch plötzlich rennt es ihnen weg", hat der Forstingenieur beobachtet.
Verantwortung übernehmen ist selbstverständlich
Mit der Zeit aber verstehen die Kinder, dass sie sich dem Tier anpassen müssen – und nicht umgekehrt. Viele Wissens-Lücken sind Tilo Scholze schon begegnet: „Manche Kinder denken, dass auch Schafe Eier legen." Aufklärung tut da Not. Verdutzt reagieren viele, wenn sie erfahren, dass auch Enten Eier legen und man diese genauso wie Hühnereier essen kann, berichtet Scholze. Andere Neuankömmlinge sagen auch: „Hier stinkt’s!" Dann gibt er diesen Kindern einen Büschel frisches Heu und sagt: „Riecht mal wie das duftet."
Quietschfidel kratzt sich gerade das schwarz-weiß gescheckte Wollschwein „Weißes Pfötchen" an einem Autoreifen im Freigehege und grinst dabei bis über beide Ohren. „Sie macht sich sauber", erklärt Philipp, der mit einer Mistgabel bewaffnet ist und das Stroh aus dem Schweinestall auf eine Schubkarre hievt. Seine Kollegin Michaela kümmert sich um das blinde Wollschwein Lulu. „Ihr ist das Fett über die Augen gewachsen, und sie kann jetzt nicht mehr sehen." Umso mehr Fürsorge bringen ihr die Kinder entgegen. Im Team Verantwortung zu übernehmen, ist für die Kinder selbstverständlich.
Für Patricia und ihre Freundin Pia steht noch eine besondere Aufgabe an: Tanz-Training mit vier Ziegen. Pünktlich zum Farmgeburtstag am 13. September soll die flotte Nummer stehen.
Sebastian Müller