Folklore-Mephisto mit Hippie-Gretel

Die Off-Szene lebt: Das Transport-Festival im Schwere Reiter.
von  Abendzeitung
Welche Bedeutung haben Maskottchen? Das Ensemble Schauspiel International zeigt’s in „Mascots“.
Welche Bedeutung haben Maskottchen? Das Ensemble Schauspiel International zeigt’s in „Mascots“. © az

Die Off-Szene lebt: Das Transport-Festival im Schwere Reiter.

Jörg Wittes Truppe vom Pathos Transport Theater schielte lange nicht ohne Neid auf die Unterstützung, die freie Theater in anderen europäischen Großstädten genießen – und fasste trotzig zusammen: „Kunst kam in München immer von König. Ludwig II., Fassbinder und Everding sind aber tot. Wir nicht.“ Ensembles wie die Bairishe Geisha oder wie die erst in der vergangenen Woche uraufgeführte Performance „Taxi“ von Judith Al Bakri und Jochen Strodthoff belegen immer wieder, dass es in der Münchner Off-Szene nicht nur Leben gibt, sondern auch überregional vorzeigbares Format.

Mit dem Amtsantritt von Kulturreferent Hans-Georg Küppers hat sich etwas bewegt: Aus dem vormaligen Ausweichquartier der Otto-Falckenberg-Schule wurde das Schwere Reiter, ein Haus für Schauspiel, Tanz und Musik. Dort zeigt das benachbarte Pathos Transport Theater in dieser Woche sein drittes „Transport-Festival“. Und schon das Auswahlverfahren demonstriert den unbedingten Willen zu internationaler Vernetzung: Die Produktionen wurden von den Leitern der Kaserne Basel, des Ballhaus Ost in Berlin und von Kampnagel in Hamburg auf den Weg nach München gebracht.

Die Schweizer eröffnen am Mittwoch (20.30 und 22.30 Uhr) das Festival: Das Ensemble Schauspiel International spielt in „Mascots“ mit den unterschiedlichen Bedeutungen, mit denen Maskottchen aufgeladen sind und schildert das Dasein der Maskottchen-Darsteller. Für das Puppentheaterstück „Faust auf Faust“ (Donnerstag, 20.30 Uhr) von Das Helmi ist die Berliner Diseuse Cora Frost als einzige Darstellerin aus Fleisch und Blut eine Art Maskottchen – und ein Hippie-Gretchen zwischen deutschem Doktor Faustus und einem brasilianischem Folklore-Mephisto. Das Hamburger Ensemble La Ligna bezieht sich in „Der neue Mensch" (Freitag, 20.30 Uhr) auf nicht Geringere als Chaplin, Brecht und Meyerhold. Stand letzterer für Biomechanik, erstaunt der Genfer Tänzer Yann Marussich in seinem „Bleu Remix" (Samstag, 17 Uhr) mit Mikro-Bewegungen.

Der Beitrag aus heimischer Produktion sind „Die Moritaten des Prothesenmachers" (Donnerstag, 22.30 Uhr), einem musikalischen Kampf der Kulturen zwischen Habib Al Kadir und Kammerspiele-Urgestein Jochen Striebeck. Schlusspunkt wird „Was ihr wollt“ am Samstag (19 Uhr) – kein William Shakespeare, sondern ein Symposium mit Tischreden, Visionen und Experten aus der Szene.

Transport-Festival, 3. bis 6. 12., Schwere Reiter, Dachauer Straße 114, Tel.12111075

Mathias Hejny

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