Flughafen München: Himmel der streitenden Bayern
Die hiesige Wirtschaft warnt vor Jobverlusten, Politiker tun das als Rechenspiele ab. Der Zoff um die dritte Startbahn spitzt sich zu. Bald soll es eine Entscheidung geben
München - Noch im Herbst will sich Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer festlegen, ob er das umstrittene Projekt einer dritten Start- und Landebahn für den Münchner Flughafen unterstützt oder es fallen lässt. Bayerns Wirtschaft will sich nicht erneut den Vorwurf des mangelnden Einsatzes für die Airporterweiterung machen lassen wie beim Bürgerentscheid im Juni 2012.
Am Freitag legte die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) ein Gutachten der IW Consult GmbH vor, das für den Fall des Ausbaus glänzende Zuwachsraten und im anderen Falle einen Niedergang des Wirtschaftsstandorts Bayern vorhersagt. Demnach sind bei einem Bau der dritten Bahn eine zusätzliche Wertschöpfung von 862 Millionen Euro pro Jahr und über 15 300 zusätzliche Arbeitsplätze zu erwarten. Falls die dritte Bahn aber nicht kommt, gerate die Drehkreuz-Funktion des Airports in Gefahr, meinen die Gutachter.
Andere Städte, etwa Istanbul, Abu Dhabi, Doha oder Dubai würden München als Umsteigeflughafen beziehungsweise Umschlagplatz für Waren massiv Konkurrenz machen – und mittelfristig den Rang ablaufen. Die Folge: Im ungünstigsten Fall Verlust von 17 000 Jobs sowie die Wettbewerbsfähigkeit Bayerns.
„Wilde Rechenspiele“, die aus der Feder eines DDR-Planwirtschaftlers stammen können, meint der Umweltpolitiker Christian Magerl (Grüne) dazu. Der Flughafen stagniere: „Für den kommenden Winterflugplan wurden – wie im Vorjahr – 145 000 Flüge angemeldet. Das ist Nullwachstum.“ „Auch der Freisinger Landtagsabgeordnete der Freien Wähler, Benno Zierer, übt Kritik: Unseriöse Luftnummern“ seien die Zahlen der vbw.
Die Debatte um den Flughafenausbau hat wieder Fahrt aufgenommen, nachdem Horst Seehofer eine Entscheidung in Aussicht gestellt und auch laut über eine gesamtbayerische Bürgerbefragung nachgedacht hatte. Dazu führte der Ministerpräsident bereits mit einer Reihe von Verbänden und auch mit den anderen Parteien Gespräche.
Während die Ausbaugegner, die politisch vor allem bei den Grünen und den Freien Wählern, teilweise auch in der SPD beheimatet sind, dabei eine Absetzbewegung des Landesvaters von dem 1,6-Milliarden-Euro-Projekt erkannt haben wollen, beobachtete vbw-Präsident Alfred Gaffal eine „Offenheit“ Seehofers für die Argumente der Wirtschaft.
Dieter Reiter bleibt hart: „Es gilt der Bürgerentscheid“
Wachstum ist allerdings nicht gleich Wachstum. Während in München die Zahl der durchgeschleusten Fluggäste stetig wächst, ging die der Flugbewegungen in den letzten Jahren zurück, was mit größeren Flugzeugen und höherer Auslastung erklärt wird. Diese Reserven aber seien jetzt ausgereizt, meint die vbw. Zu den für Geschäftsreisende besonders wichtigen Zeiten am Morgen und am Abend komme es bereits zu Engpässen.
In diesem Jahr steigt in München auch die Zahl der Flugbewegungen auch wieder, aber nur um etwas mehr als ein Prozent gegenüber 2014. Auch für die SPD ist das zu wenig, um neu über den Bau der dritten Bahn nachzudenken. „Es gilt nach wie vor der Bürgerentscheid“, betonte die Generalsekretärin der Bayern-SPD Natascha Kohnen.
Juristisch hat der Flughafenausbau grünes Licht, politisch aber steht die Ampel auf rot: An der Flughafengesellschaft FMG sind der Freistaat Bayern, der Bund und die Landeshauptstadt München zu je einem Drittel beteiligt und die müssen dem Vorhaben einstimmig ihre Zustimmung geben. Münchens OB Dieter Reiter aber will an seinem Veto nur nach einem neuerlichen diesmal zustimmenden Votum der Münchner etwas ändern. 2012 hatten in einem Bürgerbegehren 54,3 Prozent der abstimmenden Münchner Nein zum Ausbau gesagt. Ein neues kommunales Bürgerbegehren wiederum soll nur angesetzt werden, wenn die Zahl der Flugbewegungen wieder steigt.
Laut FMG könnte das aber schon 2016 der Fall sein. Auf der Grundlage der Anmeldungen der Airlines rechnet sie mit einem Plus an Starts und Landungen von vier Prozent. vbw-Präsident Gaffal hielt zur Lösung des Problems eine aus seiner Sicht noch bessere Lösung parat: München solle seine Anteile an der Flughafengesellschaft verkaufen. Die Landeshauptstadt sei vom Fluglärm ohnehin „so gut wie nicht berührt“.