Flughafen München: Ein Blick ins Fundbüro des Airports

München - Es waren nur noch wenige Tage bis zur Hochzeit. In ihrem weißen Kleid wollte die junge Frau aus Bayern ihrem Liebsten aus den USA in Nürnberg das Ja-Wort geben. Doch dann die böse Überraschung: Das Hochzeitskleid war verschwunden. Auf der Durchreise hatte sie es im hektischen Gewusel vergessen, in irgendeiner der vielen Ecken des Münchner Flughafens. "Eine Geschichte, die ich nie vergessen werde", sagt Josef Rankl, Leiter des Fundbüros.
Das Brautkleid ist nur eines der rund 70.000 Dinge, die jedes Jahr von Fluggästen verloren werden. Auch die Gegenstände, die nichts im Gepäck verloren haben und vom Sicherheitspersonal entnommen werden, landen in den Regalen des Fundbüros. Dort tummelt sich neben den üblichen Verlusten wie Jacken, Gürteln und Handys auch Absurdes wie Kinderwagen, Stemmeisen und ganze Biathlon-Ausrüstungen. "Es gibt - glaube ich - nichts, dass ich noch nicht gesehen habe", sagt Rankl, der seit über 30 Jahren am Münchner Flughafen arbeitet.
Die Motorsäge kommt einmal pro Monat
Dennoch stellt sich der Münchner nach all den Jahren bei manchen Dingen immer wieder die eine Frage: "Warum?". So auch bei dem Inhalt einer hölzernen Kiste, die er aus dem Regal zieht. Sie sieht fast schon wie eine Schatztruhe aus. Als er sie öffnet, sind aber keine Goldmünzen oder Juwelen darin, sondern eine Perücke, genauer gesagt eine hochwertige, asiatische Geisha-Perücke.
Bei einer Sache wundert sich der Fundbüroleiter mittlerweile aber nicht mehr: bei der Motorsäge. "Sie ist zu einem Klassiker geworden. Im Schnitt landet hier eine pro Monat." Allerdings liegt sie nicht im Regal zwischen Klamotten und nie abgeholten Koffern, sondern in einem der Gefahrengutschränke - neben Feuerwerkskörpern, Lenkrädern, flaschenweise Strohrum und Reizgasen. "Dort liegt all das, von dem eine Brand- oder Explosionsgefahr ausgeht", erklärt er. "Die Schränke sind belüftet, und falls sich etwas entzündet, verschließen sie sich automatisch."
Manches Geheimnis kommt im Fundbüro ans Licht
Neben der Frage nach dem "Warum" sei es auch oft die Geschichte hinter so manchen Fundstück, die Rankl und sein Team immer wieder verblüffen. So habe ein Mann seinen Pass am Flughafen vergessen. Bei solchen persönlichen, identifizierbaren Verlusten werde der Eigentümer sofort informiert. Nur ging nicht er selbst, sondern seine Frau ans Telefon. "Sie wusste zwar, dass er unterwegs war. Aber eigentlich sollte er auf Geschäftsreise in einer anderen Stadt sein." Wie diese Geschichte weiterging, weiß Rankl nicht, aber "es blieb sicherlich nicht ohne Konsequenzen".
Auch der Fund geheimer Dokumente dürfte denjenigen, der sie vergessen hat, in eine prekäre Situation gebracht haben. "Es waren Entwicklungspläne zu den neuesten Technologien von einem der großen bayerischen Automobilhersteller." Auch prominente Persönlichkeiten verlieren mal etwas. So wisse er zum Beispiel von vielen unter anderem den bürgerlichen Namen. "Man erfährt wirklich so einiges, aber Diskretion hat oberste Priorität."
Ein halbes Jahr hat der Eigentümer Zeit, sein vermisstes Lieblingsstück wieder abzuholen. Meldet er sich vor Ablauf der Frist, prüfen die Mitarbeiter des Fundbüros seine Angaben zur Sache noch einmal ganz genau. "Es gibt viele ehrliche Menschen, aber leider auch viele unehrliche, die sich etwas ergaunern wollen", sagt der Fundbürochef. Aus diesem Grund seien die Mitarbeiter entsprechend geschult. "Es braucht ein gewisses Gespür."
Etwa 50 Prozent der Sachen gehen laut Rankl wieder an den Besitzer zurück. Werden persönliche Dinge wie Ausweise oder Bankkarten innerhalb der sechs Monate nicht abgeholt, werden sie vernichtet. Alles andere komme bei Auktionen unter den Hammer.
Die Versteigerungen der "Überraschungskoffer" sind mittlerweile Kult
Bis zu zehn Versteigerungen veranstaltet der Flughafen pro Jahr. Der Erlös wird für gemeinnützige Zwecke gestiftet. "Bei einer Versteigerung kamen 15.000 Euro zusammen, die an die Aktion Sternstunden gingen. 15.000 Euro hat der Flughafen dann selbst noch beigesteuert", sagt Rankl. Bei jeder Auktion, die von Josef Mittermeier geleitet wird, werden zwischen 250 und 300 Fundstücke versteigert. Besonders begehrt seien die "Überraschungskoffer" - man ersteigert sie ohne Kenntnis des Inhalts. Zwischen 280 und 500 Euro würden dafür geboten.
"Sobald ein Koffer im Fundbüro landet, wird er aber erst auf gefährliche, verderbliche oder illegale Inhalte geprüft." Bei Laptops werde beispielsweise die gesamte Festplatte gelöscht. "Datenschutz ist wichtig." Doch neben den Koffern gehen die Hände auch beim Klassiker Motorsäge, Spiegelreflexkameras oder Schmuck zahlreich nach oben. "Kein Gegenstand geht zurück." An ein Objekt erinnert sich der Münchner besonders gerne zurück: ein mit Pailletten besetzter weißer Sombrero. "Zwei der Bieter haben sich herzhaft darum gestritten. Das war herrlich." Schließlich sei er für stolze 190 Euro verkauft worden.
Hunderte Menschen kommen jeweils zur Auktion, manche davon einfach nur zum Zuschauen. "Die Stimmung ist toll und es ist ein überwältigender Moment, das Strahlen in den Augen eines glücklichen Bieters zu sehen, der den letzten Zuschlag bekommen hat", sagt Rankl. D
ieses Strahlen hätten auch diejenigen, die ihre verlorenen Sachen wiederbekommen. So auch die verzweifelte Braut aus Nürnberg. Das Kleid wurde entdeckt und ins Fundbüro gebracht. "Wir haben alle Hebel in Bewegung gesetzt, dass sie es wiederbekommt." Mit Erfolg: Ein Fundbüro-Mitarbeiter kam ihr auf halber Strecke nach Nürnberg entgegen und übergab ihr das Kleid.
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