Flugausfälle in München: Stillstand am Flughafen

Die Gewerkschaft Verdi ruft zum Streik – und allein in München fallen 200 Verbindungen aus. Großes Chaos? Fehlanzeige. Die AZ zeichnet ein Stimmungsbild  
von  Amina Linke

Die Gewerkschaft Verdi ruft zum Streik – und allein in München fallen 200 Verbindungen aus. Großes Chaos? Fehlanzeige. Die AZ zeichnet ein Stimmungsbild

Halb acht. S1 Richtung Flughafen. Die Abteile sind voll. Eine Gruppe junger Männer drängt sich im Gang, die Koffer zwischen die Beine geklemmt. „Ach übrigens: Der Flughafen streikt!“, sagt plötzlich einer in die Runde. Gegrinse. Stopp in Neufahrn. Der Zug steht, wird zweigeteilt. Der Spaßvogel setzt noch einen drauf: „Mensch, der Schaffner soll mal zu machen – sonst verpassen wir noch unseren Lufthansa-Flug!“ Schallendes Gelächter.

Auf dem Münchner Flughafen ist es ruhig – sehr ruhig. Hier und da tummeln sich ein paar Demonstranten mit neongelben Verdi-Warnwesten. Ihre Protestschilder haben sie vor dem Airbräu abgestellt. Ihr Trillerpfeifenkonzert vor dem Terminal 2 ist vorbei. „Ein Warnschuss für die Lufthansa“, sagt Martina Sönnichsen. Am Freitag beginnt die zweite Tarifrunde – davor lässt die Gewerkschaft ihre Muskeln spielen.

Auf den größten deutschen Flughäfen ging gestern kaum was. Stillstand. Betrieb lahmgelegt. Allein in München fielen 200 Flüge aus, deutschlandweit waren es 700 (unten). Auf die Ankündigung der Gewerkschaft hatte die Lufthansa prompt reagiert und gleich ihrerseits kurzerhand so gut wie alle innerdeutschen und innereuropäischen Flüge gestrichen – und die Passagiere rechtzeitig informiert.

„Wir konnten gut 50 Prozent der Passagiere via SMS über die Flugausfälle informieren“, sagt Lufthansa-Sprecher Christian Gottschalk zur AZ. Auf der Internetseite der Fluggesellschaft konnten Flüge einmalig kostenlos umgebucht oder in Bahntickets umgewandelt werden.

Deswegen blieben Bilder vom ganz großen Chaos weitgehend aus, trotz der massiven Ausfälle. Nur langsam füllen sich die Hallen. Einige sitzen da schon seit Stunden. Sie haben sich eingerichtet, es sich auf Bänken und Boden bequem gemacht – so gut es eben geht. Manche tippen auf ihrem Laptop, einige schlafen, viele unterhalten sich. Dann wird das Gemurmel lauter. Eine Durchsage klärt auf: Wegen des Ausstands werden Passagiere mit innerdeutschen Flügen gebeten, ersatzweise den Zug zu nehmen. „Frechheit“, sagt eine ältere Dame in einer rosa Kostümjacke und dreht sich zu ihrem Nachbarn. „Wie soll ich mit meinem ganzen Gepäck Zug fahren? Ich will keine Ratschläge, sondern wissen, wann das hier weitergeht!“ Der Nachbar nickt stumm. Das wollen hier alle.

Zwanzig vor zehn. Die Warteschlange vor den Lufthansa-Schaltern wird länger. Viele sind genervt. Sie kommen von Übersee, wollen weiter in den Urlaub fliegen – und stehen nun vor der verwaisten silbergrauen Abfertigung. Dass heute wieder geflogen werde, wisse man ja, so der Tenor, aber ob man dann mitkomme? Und was, wenn sich Lufthansa und Verdi nicht einigen? Dann würde es weitere Protestaktionen geben, kündigte Verdi-Chef Frank Bsirske unlängst an. „Wer uns nicht ernst nimmt, kriegt uns ernsthaft zu spüren.“

Im Terminal 2 bleiben die meisten Fluggäste aber gelassen. Wenn man wegen eines weiteren Streiks auf dem Rückflug wieder in München hängen bleibe, sagt eine Touristin aus Südafrika, dann werde der Urlaub eben verlängert. Eine bessere Entschuldigung für den Chef gebe es nicht!

 

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