Flüchtlingsrat: Seehofers Pläne sind "brandgefährlich"

München - Die Bayerische Staatsregierung nennt es staatstragend ein „Maßnahmenpaket zur Bewältigung und Eindämmung des anhaltenden Asylstroms“, für Alexander Thal ist es schlicht eine „Giftliste“. Mit seiner Ablehnung der bayerischen Pläne für zwei grenznahen Aufnahme-Einrichtung für Balkan-Flüchtlinge ist der Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats nicht allein. Auch Rechtsextremismus-Experten warnen davor, Ressentiments zu schüren.
Am Montag hatte das bayerische Kabinett seine Asyl-Pläne vorgestellt. Der wichtigste Punkt: Künftig wird unterschieden zwischen „jenen, die Anspruch auf Schutz haben, und jene, die ohne Bleibeperspektive sind“, wie Ministerpräsident Horst Seehofer es ausdrückt. Mit Letzterem sind Asylsuchende aus so genanten sicheren Herkunftsländern Serbien, Mazedonien und Bosnien Herzegowina sowie Albanien, Kosovo und Montenegro gemeint. Sie sollen in zwei neuen, grenznahen Unterkünften untergebracht werden, in denen ihre Anträge sofort bearbeitet werden. Das Ziel: Spätestens nach vier Wochen sollen die Menschen wieder abgeschoben werden können.
Alexander Thal stößt dies sauer auf: „Dieses schlichte holzen in gute Flüchtlinge aus Syrien und die bösen vom Balkan ist brandgefährlich.“ Viele Menschen, die aus der Balkan-Region fliehen, seien Roma und gehörten zur verfolgtesten Minderheit in Europa. Sie in ein „Abschiebelager“ zu stecken sei gerade in Deutschland etwas, das nicht sein könne, sagt Thal. Immerhin seien viele Roma Nachfahren derer, die von den Nazis verfolgt wurden.
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Eine weitere Kritik: In den neuen Unterkünften, die wahrscheinlich in den Landkreisen Rosenheim und Passau eingerichtet werden, sei eine juristische Beratung der Flüchtlinge kaum möglich: „Es gibt nur wenig fixe Asylanwälte“, sagt Thal. Und die sind eben meistens nicht in den ländlichen Grenzregionen. Flüchtlinge hätten es aber ohne Rechtsbeistand schwer, ihre Anliegen vorzubringen.
Zumal die Chancen von Flüchtlingen aus dem Balkan nicht so aussichtslos seien, wie in Bayern oft dargestellt wird: „In anderen europäischen Ländern ist die Anerkennungsquote viel höher“, sagt Thal. Was er sagen will: Jeder Antrag muss gewissenhaft geprüft werden. In den neu geplanten Unterkünften sei aber gerade das nicht geplant: „Sie glauben nicht, dass da ernsthafte Verfahren durchgeführt werden.“
Kritik kommt auch von Rechtextremismus-Experten. Robert Andreasch von der antifaschistischen Informationsstelle Aida warnt davor, dass durch den Ton, mit dem die Regierung über Flüchtlinge spricht, rechte Tendenzen gestärkt werden.
Seehofers Argument, durch seine harte Hand den Rechten die Luft aus den Segeln nehmen zu können, folgt Andreasch nicht: „Ich glaube, dass das furchtbar schiefgehen kann. Das hat man in den 90ern gesehen.“ Damals hatte die Politik auf die Ausschreitungen mit schärferen Asylregeln reagiert: „Seitdem wissen Neonazis, dass sie mit Gewalt am meisten erreichen können.“
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162 rechtsextrem motivierte Anschläge auf Asylbewerberheime zählte das BKA 2014. Die Dunkelziffer sei viel höher, so Andreasch. Auch in Bayern, etwa in Hof, Waldaschaff oder Vorra wurden Heime und Menschen angegriffen, sagt er.
Deshalb wollen Flüchtlingsverbände ein Zeichen setzen: Am Montag soll für eine Willkommenskultur demonstriert werden.