Flüchtlinge: München wird allein gelassen
München - Es ist kalt geworden am Hauptbahnhof. Ein eisiger Wind fährt einem durch die Glieder, macht müde. Man sieht das an den erschöpften Gesichtern der Flüchtlinge, die immer noch zu Tausenden in München ankommen. Aber auch den Helfern ist anzusehen, dass der Münchner Ausnahmezustand, der schon über eine Woche dauert, an ihren Kräften zehrt. Eine Verschnaufpause täte gut – geben wird es die jedoch nicht. Denn die anderen Bundesländer lassen München weitgehend allein.
6218 Flüchtlinge kamen am Mittwoch in München an, am Donnerstag waren es bis zum späten Nachmittag rund 3500. Übernachtet haben in der Nacht auf Donnerstag lediglich 500 Flüchtlinge in München. Das wertet der Präsident der Regierung von Oberbayern, Christoph Hillenbrand, positiv. München ist darauf angewiesen, dass andere Bundesländer ihrerseits Flüchtlinge aufnehmen.
Deshalb wurden die letzten Tage Busse und Sonderzüge nach Norden und Westen geschickt. Anfang der Woche bestand die Hoffnung, dass die Weiterleitungen fix gemacht werden können. Nicht jeder Bus oder Zug sollte einzeln ausgehandelt werden müssen. Zudem sollten immer mehr Züge an München vorbei direkt in andere Bundesländer weitergeleitet werden.
Dieses eigentlich gut funktionierende Umverteilungssystem wird aber auf eine harte Probe gestellt. „Derzeit häufen sich die Signale, dass es schwieriger wird, auf diesen Ansturm zu reagieren“, sagt Hillenbrand. Ihm ist der Frust darüber anzusehen, selbst wenn er sich als Beamter zurückhaltend gibt.
Baden-Württemberg hat zwischenzeitlich keine Busse mehr angenommen, auch Nordrhein-Westfalen lässt andeuten, dass man bald keine Kapazitäten mehr habe.
Lesen Sie hier: AZ-Kommentar: Mehr Realismus, bitte!
Wie es mit den Direktverbindungen von Wien in die nördlichen und östlichen Bundesländer aussieht, wird derzeit verhandelt – jedoch auf Ebenen, auf die er keinen Zugriff habe, so Hillenbrand. Weil die österreichische Bahn überlastet ist, fahren am Donnerstag keine Sonderzüge von dort nach München. Eines macht Hillenbrand deutlich: Fallen die Umleitungen und Sonderzüge weg und kommen wieder mehr direkte Züge nach München, könne es „anstrengend“ werden.
Vor allem, weil es immer noch kein zweites Drehkreuz gibt. Mögliche Standorte, Hamburg oder Hannover, haben abgewinkt. Der favorisierte Güterbahnhof in Leipzig entspräche nicht den Anforderungen, so der dortige Bürgermeister.
München muss also weiter jonglieren – und Hillenbrand diplomatisch bleiben. Auf die Frage, ob er gen Norden lautere Töne anschlagen wird, sagt er: „Die Pauke ist einem Regierungspräsidenten wesensmäßig fremd.“